Internet-Rundbrief 20 von Siegfried Ullmann

Liebe Friedensfreunde,

 

ich muss noch einmal beispielhaft auf Stephan Kramer, den Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland zurückkommen. Bekanntlich ist Kramer zum Judentum konvertiert - an sich eine private Angelegenheit und nichts Besonderes. Sie zeigt aber die Absurdität des Begriffs "Antisemitismus". Kramer ist jetzt Jude im religiösen Sinne. Wenn ihn jemand auf ungerechtfertigte Weise verbal angreifen würde, würde dies wohl als antisemitisch bezeichnet werden. Antisemitisch? Ist Kramer denn jetzt ein Semit?

 

Rolf Verleger befasst sich in seinem Buch "Israels Irrweg" in dem Kapitel "Anti-Antisemitismus als Religionsersatz" auch mit den Ursprüngen des Begriffs Antisemitismus: "Nach der Bibel hatte Noah drei Söhne: Sem, Ham und Jafet. Einer der Urururururenkel von Sem war Abraham, der ... laut Bibel der gemeinsame Stammvater von Arabern und Juden war." Entsprechend der biblischen Mythen, die keine historische Grundlage und Bedeutung haben, sind die Araber in gleicher Weise Semiten wie die damaligen Juden, weil sie den gleichen Stammvater Abraham haben.

 

Rolf Verleger hält Judenhass als Teil eines generellen Fremdenhasses für den richtigen Begriff. Die Mehrzahl der Juden kann sich ohnehin nicht auf eine Abstammung von Abraham berufen, da sie die Nachfahren von Konvertiten sind. Verschiedene jüdische Historiker, unter ihnen der israelische Historiker Shlomo Sand,  haben nachgewiesen, dass die heutigen Juden kein homogenes, "semitisches" Volk sind, welches von den Römern vertrieben wurde, sondern überwiegend die Nachfahren von jemenitischen, äthiopischen, nordafrikanischen und kaukasischen Stämmen sind, die zum Judentum konvertierten. Der von Israel missbrauchte Begriff des jüdischen Volkes, das ein Rückkehrrecht und einen Anspruch auf ganz Palästina nach zweitausendjähriger Abwesenheit hat, ist somit absurd.

 

Der Begriff "Antisemitismus" ist also in jeder Hinsicht irreführend. Sicherlich kann es auch interessierte Kreise geben, die an dem Begriff "Antisemitismus" festhalten wollen, um gemeinsame genetische Ursprünge der Juden zu behaupten. Wären die Juden tatsächlich "Semiten", könnte es auch "Zentralrat der Semiten in Deutschland" heißen.

 

Mich beschäftigt noch eine andere Frage: Rund 80 % der jüdischen Israelis sind säkular. Sie haben also keine Verbindung zur jüdischen Religion. Sie beachten nicht die über 600 Gebote und Verbote, zum Beispiel das Arbeitsverbot am Sabbat betreffend, die den orthodoxen Juden heilig sind. Sie glauben nicht, was in der Thora steht und haben sich nach jüdisch-religiöser Lesart von Gott abgewandt. Gemäß der Bibel ist so etwas mit schweren göttlichen Strafen bedroht. Deshalb stellt sich die Frage: Sind diese jüdischen Atheisten innerhalb und außerhalb Israels, die sich für den angeblichen Bund zwischen Gott und seinem auserwählten Volk nicht interessieren, weil es für sie gar keinen Gott gibt, trotzdem Teil des auserwählten Volkes mit all seinen göttlichen Privilegien? Was sagen die christlichen und jüdischen Theologen dazu?

 

Ilan Pappe zitiert in seinem Buch: "Die ethnische Säuberung Palästinas" auf Seite 326 die israelische Professorin Ruth Gabison: "Israel hat das Recht, das natürliche Bevölkerungswachstum der Palästinenser zu kontrollieren."

 

Und auf welche Weise geschieht das? Hier einige Beispiele:

 

  • Entzug der Lebensgrundlagen Boden und Wasser.
  • Verweigerung von Wohnraum für die wachsenden Familien durch die Verweigerung von Baugenehmigungen
  • Zerstörung von Wohnraum durch den willkürlichen Abriss von Häusern mit vielfältigen Begründungen
  • Willkürliche Inhaftierung von jungen Männern im zeugungsfähigen Alter ohne Gerichtsurteile (sogenannte Verwaltungshaft)
  • Erzeugung von Arbeitslosigkeit und Armut, um die Bevölkerung zur Abwanderung zu zwingen
  • Verweigerung medizinischer Hilfe für Verletzte und Kranke
  • Zerstörung von Krankenhäusern und Beschuss von Krankenwagen bei militärischen Aktionen
  • Erzeugung von Mangelernährung durch die Blockade des Gazastreifens zwecks Erhöhung der Kindersterblichkeit und Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung (Der deutsche Professor Gunnar Heinsohn an der Universität Bremen fordert sogar unbehelligt eine erhebliche Reduzierung der Lebensmittel-Hilfslieferungen der Vereinten Nationen für die Bevölkerung des Gazastreifens, um durch Unterernährung  das Bevölkerungswachstum einzuschränken. Was würde es hingegen für einen Aufruhr geben, wenn zum Beispiel in gleich menschenverachtender Weise gefordert würde, die Hartz-IV Sätze für in Deutschland ansässige Moslems zu halbieren, um deren Geburtenrate zu verringern?)
  • Aufrufe zum massenhaften Töten von Palästinensern (Regierungsberater Prof. Sofer und einige Rabbiner) und die Ausführung solcher Aufrufe, z. B. beim letzten Angriff auf den Gazastreifen und durch  Dr. med Baruch Goldstein, der 19 betende Palästinenser ermordete und dadurch zu einem Nationalhelden der Ultrareligiösen und Rechten wurde.

 

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In der Begründung des Bundesinnenministers für das Verbot der islamischen Hilfsorganisation IHH heißt es, daß mit der finanziellen Unterstützung humanitärer Maßnahmen im Gazastreifen eine Entlastung des Gesamtbudgets der Hamas bewirkt würde, "so dass ihr mehr Mittel für terroristische Aktivitäten zur Verfügung stehen". Genau genommen müsste diese absurde Argumentation auch für alle anderen Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung des Gazastreifens gelten, wie die Lebensmittellieferungen der UNRA und der Bau einer Kläranlage durch das Bundes-Entwicklungshilfeministerium.

 

In der Jüdischen Zeitung vom Juli 2010 ist zu lesen, daß  der israelische Journalist Gideon Levy  die 300 000 jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten als die größten Rechtsbeuger im Land bezeichnete, die sich als schlimmste Rassisten benähmen und vom Staat aus Steuergeldern massiv unterstützt würden. Somit dienen auch alle direkten und indirekten finanziellen Hilfen an den israelischen Staat oder ihm nahestehenden Organisationen der Entlastung des Gesamtbudgets der israelischen Regierung, "so dass ihr mehr Mittel für terroristische Aktivitäten" (wie z. B. die Entsendung von Mordkommandos in fremde Länder, militärische Überfälle auf Nachbarstaaten und andere Gebiete, gezielte Ermordungen durch Raketen und Bombenabwürfe) sowie für die völkerrechtswidrige Besiedlung palästinensischen Landes, den völkerrechtswidrigen Mauer- und Zaunbau auf palästinensischem Gebiet und die Unterstützung der Siedler durch die israelische Armee "zur Verfügung stehen". Somit müssten vor allem die finanziellen Zuwendungen der deutschen Regierung an Israel, wie die Lieferung von U-Booten und anderen Kriegsschiffen zu Lasten der deutschen Steuerzahler verboten werden, weil damit indirekt die Besatzung und Besiedlung der Palästinensergebiete und die Verhinderung eines Palästinenserstaates finanziell gefördert wird. Nach der Definition des Innenministers, übertragen auf Israel, wären auch alle Organisationen, die humanitäre oder andere Projekte in Israel fördern und damit den israelischen Staat entlasten, zu verbieten und deren Gelder zu beschlagnahmen.

 

Für Mobiltelefone, die mit Tantal aus dem Kongo hergestellt wurden, gibt es wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen in den USA jetzt den Begriff der "Bluttelefone". Wie in der hiesigen Presse zu lesen war, müssen alle an den US-Börsen gehandelten Unternehmen in einem jährlichen Bericht auflisten, ob sie Mineralien aus dem Kongo in ihren Produkten verwenden. In gleicher Weise müsste man bei Anwendung der gleichen Grundsätze mit Produkten aus Israel verfahren, da Israel ein ganzes Volk seines Landes und seiner Bodenschätze beraubt hat und weiterhin beraubt und es tagtäglich durch eine völkerrechtswidrige Besatzung unterdrückt und erniedrigt, sowie ständig Menschen dieses Volkes tötet.

 

Es lohnt sich, ab und zu einen Blick in die Jüdische Allgemeine vom Zentralrat der Juden in Deutschland zu werfen. In der Ausgabe 27/2010 sagte Christian Fürst auf die Frage, ob der Bundespräsident Wulff gut für die Juden sei "Ja, ohne Zweifel. ... Wulff hat hervorragende Beziehungen zum jüdischen Staat und ein sehr gutes Verhältnis zum jeweiligen Botschafter." Die Interviewerin sagte: "Im Zuge seiner Kandidatur wurde bekannt, dass der Bundespräsident Kontakte zu christlich-konservativen Kreisen pflegt und im Kuratorium der evangelikalen Bewegung "Pro Christ" sitzt."


In der gleichen Ausgabe äußert sich Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift für internationale Politik, unter "Einspruch" zu dem einstimmigen Beschluss des Bundestages zur Aufhebung der Gaza-Blockade. Sie bezeichnet die Bundestagsabgeordneten als "Ahnungslose Besserwisser". Die israelischen Sicherheitsinteressen, "die kennt jeder Abgeordnete aus Hintertupfung selbstredend ganz genau. Völlig egal, dass allein die Hamas für die Aufhebung der Abriegelung Gazas sorgen könne - indem sie Raketenangriffe verhindert und aufhört, Terroristen schon in Kindergärten auszubilden." - Kein Wort vom Bruch des Waffenstillstandes mit der Hamas durch Israel. Keine Spur von Mitgefühl und humanitären Regungen. Das ist bezahlte verlogene Volksverdummung der billigsten und übelsten Sorte und dies im Auftrag der Zentralrats und als Sprachrohr einer fremden Regierung! So fördert man lediglich Antisemitismus, bzw. Judenhaß.

 

Mit von der Partie ist Josef Joppe von der ZEIT, der unter der Überschrift "Riege der Revisionisten" gegen den neuen Kurs der Türkei hetzt, wobei er behauptet, Ankara, also die türkische Regierung, habe "die Israelis mit feiner Hand in die Falle des Gaza-Blockadebrechers Mavi Marmara" gelockt und "unter der grünen Flagge des Propheten einen Propagandakrieg gegen Jerusalem entfesselt". Von der israelischen völker- und menschenrechtswidrigen Politik ist bei Joffe, der lauf Wikipedia der "Achse des Guten" nahesteht und gemeinsam mit Broder ein Buch herausgegeben hat, natürlich nicht die Rede.

 

Von Seiten der Israel-Lobby wird immer wieder behauptet, die Blockade und andere Formen der Drangsalierung soll die dortigen Palästinenser veranlassen, die Hamas zu stürzen, damit sie durch eine Regierung ersetzt wird, die den amerikanisch-israelischen Interessen dient. Was würde man denn sagen, wenn gefordert würde, in gleicher Weise den Israelis das Leben zur Hölle zu machen, damit sie  ihre rechtsextreme und radikal-religiöse Regierung, die sich jeder Friedenslösung mit den Palästinensern widersetzt, den außenpolitischen Interessen der USA schadet und den Weltfrieden gefährdet, ablösen?

 

Richard Chaim Schneider hat schon im Jahre 1998 auf Israels gefährlichen innen- und außenpolitischen Kurs hingewiesen. Inzwischen hat Israel seinen selbstzerstörerischen Kurs weiter verstärkt und fortgesetzt. Vollkommen richtig ist auch, was Schneider über die deutschen Medien schreibt. Der deutschen Bevölkerung wird dadurch ein vollkommen falsches Bild von Israel und den Folgen seiner Politik vermittelt. Dazu tragen auch Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung bei.

 

 

Wer sich dafür interessiert, weshalb ich mich für die Menschenrechte in Israel/Palästina einsetze und die jüdische Friedensbewegung innerhalb und  außerhalb Israels unterstütze, kann das in dem Buch "Denk ich an Palästina – Palestine on my Mind“ (Semit Verlag) lesen.

 

Die Universität Konstanz führt eine Internetbefragung zur Konfliktforschung hinsichtlich Israel/Palästina durch. Rolf Verleger von der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost befürwortet eine Teilnahme. Sie können dies unter

http://www.unipark.de/uc/KN_UniKonstanz_Kempf_LS/cd6e/.

Das dazugehörige Paßwort lautet: konfliktstu.