Extreme Unterdrückung schaffen Terroristen und/oder Freiheitskämpfer
von Siegfried Ullmann
Was mich bei der damaligen Hochzeit des spanischen Thronfolgers am meisten beeindruckte, war die Anwesenheit eines Mannes, der früher als kommunistischer Terrorist – z.B. von Margaret Thatcher - bezeichnet wurde: Nelson Mandela. 27 Jahre verbrachte er in südafrikanischen Gefängnissen und sitzt heute als Ehrengast zwischen gekrönten und ungekrönten Staatsoberhäuptern.
Nach dem Ende der Apartheid, also der Rassentrennung, in Südafrika im Jahre 1994 sagte Bischof Tutu nach einem Blick in den Plenarsaal des Parlaments: "Ich liebe diesen Traum. Du sitzt auf dem Balkon und schaust hinab und zählst die ganzen Terroristen. Sie sitzen alle da und verabschieden Gesetze. Es ist unglaublich." Vielleicht werden eines Tages auch andere Menschen, die sich jetzt gegen Unterdrückung wehren und ihre legitimen Rechte fordern, nicht mehr als Terroristen, sondern als Freiheitskämpfer bezeichnet und allseits geachtet werden.
Vieles der südafrikanischen Geschichte ähnelt den heutigen Geschehnissen in Palästina. In einem Bericht der Vereinten Nationen über die Unruhen in Südafrika im Jahre 1985 werden die Auswirkungen der Gewalt auf Kinder beschrieben. "Was diese Unruhe unseren Kindern antut, ist furchtbar, absolut erschreckend. Wir haben eine Generation von Kindern, die nicht spielen wollen, sondern Krieg führen, einen echten Krieg ... In einem Alter in dem es (das Kind) total beeinflussbar ist, sieht es Zorn, Verbitterung und Hass rings um sich her, und zwar in der schrecklichsten Art." (Aus Morgenröte unserer Freiheit von Maren Gottschalk). Wieviel schlimmer und langanhaltender sind da noch die Erfahrungen der palästinensischen Kinder?
Es gibt aber noch andere Parallelen: 1994 besaßen in Südafrika 50 000 weiße Farmer zwei Drittel des Landes. Auf dem restlichen Land versuchten 1,3 Millionen schwarze Bauern ein Auskommen zu finden. Die schwarze Bevölkerung war weitgehend rechtlos und verarmt. Alle Freiheits- und Gleichheitsbestrebungen wurden total unterdrückt.
20 % der israelischen Bevölkerung sind arabische Staatsbürger, die aber nur noch 4 % des Landes besitzen. Im besetzten Westjordanland bewirtschaften israelische Siedler die besten Böden und haben das meiste Wasser zu Bewässerung. Die Palästinenser haben nur in kleinen Enklaven eine beschränkte Selbstverwaltung. Israel hat die Kontrolle über das Grundwasser, das auch nach Israel abgeleitet wird. Die Palästinenser dürfen ihre Brunnen nur bis 20 m vertiefen und keine neuen bauen. Nur die Israelis können die tieferen Grundwasserschichten bis 80 m nutzen. Wegen des Wassermangels mussten die Palästinenser den lukrativen Orangenanbau weitgehend aufgeben, so dass dieser jetzt von den Israelis beherrscht wird. Der Durchschnittsverbrauch eines Israeli liegt bei jährlich 450 cbm Wasser. Die Palästinenser müssen sich in den Selbstverwaltungsgebieten mit 90 cbm jährlich begnügen. (Quelle: Geo-Magazin).
Die Palästinenser sind absolut rechtlos. Ihr Landbesitz kann jederzeit entschädigungslos enteignet und ihre Häuser mit ihrer Habe können jederzeit zerstört werden. Auf bloßen Verdacht hin werden Palästinenser zum Abschuss freigegeben. Offensichtliches Ziel ist es, möglichst viele Palästinenser zu vertreiben, um deren Land vollständig in Besitz nehmen zu können, was man auch als ethnische Säuberung bezeichnet.
In welcher Weise Palästinenser in israelischen Gefängnissen allem Anschein nach behandelt werden, zeigt die Begründung eines amerikanischen Soldaten für die Folterungen im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib im Irak: Die Vorgesetzten hätten gesagt, sie sollten die israelische Methode anwenden, weil die bei Moslems wirksam sei. (TAZ vom 22. Juni 2004). All dies ist der ideale Nährboden für sogenannten Terrorismus.
Nur wenn die Ungerechtigkeiten und die Demütigungen der Palästinenser beseitigt werden, besteht die Chance für eine friedliche Lösung der Konflikte, die ebenfalls im israelischen Interesse sein dürfte. Das sehen auch viele Israelis so. Hierfür bedarf es wohl des wirtschaftlichen Drucks auf Israel, wie damals auf Südafrika. Und dann muss es noch zwei führende Persönlichkeiten geben, die wirklich Frieden und Versöhnung wollen, wie damals de Klerk und Mandela. Aber noch gibt es keinen Hoffnungsschimmer, sondern nur tägliche Meldungen von gezielten Tötungen, erschossenen Kindern und Frauen als "Kollateralschäden". Die sogenannte Roadmap war nie ein Friedensplan, sondern eher ein Straßenplan für Trauerzüge.