Zum Verbot der Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH)
von Siegfried Ullmann
Offener Brief an Herrn Innenminister Dr. Thomas de Maizière
Alt-Moabit 101D, 10559 Berlin
Sehr geehrter Herr Minister de Maizière,
so einfach ist das mal wieder: Organisationen, die sich gegen Entrechtung und Unterdrückung wehren, werden zu Terroristen erklärt und Vereine, die finanzielle und politische Unterstützung leisten, verboten. Auf der anderen Seite werden aber die Unterdrücker und Freiheitsberauber, also in diesem Fall die israelische Regierung und damit auch die radikal-zionistischen Siedler sowie die israelische Armee als deren Beschützer von der Bundesregierung sowohl finanziell als auch politisch in jeder Hinsicht unterstützt. Hierzu gehört natürlich auch das Verbot der IHH. Wenn etwas zynisch ist, dann dies. Die Begründung liest sich so, als wäre sie Ihnen vom israelischen Außenminister Avigdor Lieberman wörtlich diktiert worden.
Mir ist jede religiös-fundamentalistische Bewegung zuwider, ganz gleich ob islamisch, christlich oder jüdisch. Deshalb habe ich weder für die Hamas noch für die im israelischen Parlament vertretene Partei der israelischen Siedler irgendwelche Sympathien. Aber die Hamas und die Hisbollah gibt es nur durch die israelische völkerrechtswidrige Besatzungs- und Besiedlungspolitik. Erst nachdem Israel allen Vereinbarungen und UN-Resolutionen zum Trotz der säkularen PLO, bzw. Fatah, keinerlei Zugeständnisse für einen eigenen Staat machte, den Gazastreifen nach Baruch Kimmerling zum größten Konzentrationslage der Welt machte und dem palästinensischen Volk das Existenzrecht verweigerte, hatten die Palästinenser in einer demokratischen Wahl der Hamas die Regierungsverantwortung übertragen. Daraufhin wurde die Hamas von Israel und ihren Unterstützern, natürlich einschließlich der deutschen Regierung, als terroristische Vereinigung bezeichnet.
Dabei ist es doch Israel, das einen unvorstellbaren Terror gegenüber den Palästinensern ausübt, einschließlich der Entsendung von Mordkommandos in fremde Staaten. Und welche Haßparolen von israelischen Politikern und in der israelischen Armee verbreitet werden, können Sie zum Beispiel den beigefügten Zitaten und dem anliegenden Foto mit dem Bild einer schwangeren Palästinenserin auf dem T-Shirt eines israelischen Soldaten mit dem Zusatz "Ein Schuß - Zwei Tote" entnehmen. Die Folgen sind im Goldstone-Bericht und bei amnesty international nachzulesen. Aber die Unterstützung der rechtsradikalen und religiös-fundamentalistischen israelischen Regierung mit Handelsprivilegien, militärischer Zusammenarbeit, U-Booten und weiteren Kriegsschiffen gehört zur deutschen Staatsräson. Da gibt es keinerlei Beschränkungen, weil eben mit zweierlei Maß gemessen wird. Richtig muß es also heißen: „Damit leistet die Bundesregierung (und nicht die IHH) dem Terror und der Gewalt in den von Israel besetzten Gebieten Vorschub.“
Vertreter von Freiheitsbewegungen zu Terroristen zu erklären, hat immer das Ziel, das Unterdrückungssystem aufrecht zuerhalten und alle Freiheitsbestrebungen zu unterdrücken. Die Führer des südafrikanische ANC, der algerischen und tunesischen FLN und der irischen IRA galten lange Zeit als Terroristen, mit denen man nicht verhandeln könne. Sie wurden mit allen Mitteln kolonialstaatlichen Terrors bekämpft. Erst als man nicht anders konnte und mit ihnen verhandelte, kam es zu friedlichen Lösungen. Die ehemaligen "Terroristen" sitzen jetzt in den Parlamenten und der frühere "Terrorist" Nelson Mandela gehört heute zu den angesehensten Staatsmännern der Welt. (siehe "Terroristen und/oder Freiheitskämpfer" in der Anlage)
Nur diejenigen, die die Palästinenser zugunsten der jüdischen Siedler aus ihrem Land vertreiben wollen oder dies unterstützen, verweigern einen Dialog mit der demokratisch gewählten und damit legitimen Vertretung des palästinensischen Volkes. Sie setzten weiterhin auf die militärische Überlegenheit Israels und damit auf die Verhinderung einer einvernehmlichen friedlichen Lösung des Konflikts. Auch Sie, sehr geehrter Herr Minister de Maizière, gehören nach Meinung des jüdisch-amerikanischen Wissenschaftlers Noam Chomsky, den der Spiegel als den bedeutendsten lebenden Intellektuellen der Welt bezeichnete, zu Israels schlimmsten Feinden, weil sie tatsächlich seine moralische Degeneration und letztendlich seine Zerstörung unterstützen.
Es ist höchste Zeit für eine neue Nahostpolitik der Bundesregierung, wie es auch von der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ gefordert wird.
Abschließend möchte ich Sie noch fragen, wie Sie denn reagieren würden:
Wie würden Sie reagieren ?