Palästina-Israel - Info & Gedanken Nr. 36

von Siegfried Ullmann

Liebe Friedensfreunde, Nahost-Interessierte und Israel-Unterstützer,

 

im Zuge der Tötung Bin Ladens wurde auch die Rechtmäßigkeit von sogenannten gezielten Tötungen diskutiert. "Es ist ja vor allem bei israelischen gezielten Tötungen so gewesen, dass meistens noch ein ganzes Dutzend anderer Leute ums Leben gekommen seien." sagte der deutsche Völkerrechtler Christian Tomuschat. Außerdem gebe es für die Betroffenen kein ordentliches Gerichtsverfahren. Das Beweismaterial beruhe meist auf Berichten von Geheimdiensten. Das Opfer habe gar keine Möglichkeit, sich rechtlich zu verteidigen. Neben Osama Bin Laden wurden auch noch sein Sohn und 5 weitere Menschen erschossen, gegen die es keinerlei Beschuldigungen gab. Von denen wurde keinerlei Notiz genommen. Der Freudentaumel der "christlichen" Amerikaner und die Bekundungen der "Christdemokraten" Merkel und Seehofer empfand ich als geradezu abstoßend.

Von den christlichen Geboten, "Du sollst nicht töten" und von Feindesliebe war da nicht die Rede, sondern von Freude über die Vollstreckung eines Todesurteils ohne Gerichtsverfahrens. Uri Avnery hat das in seinem Beitrag vom 7. Mai 2011 mit der Überschrift "Freue dich nicht ..." sehr gut kommentiert (siehe Anlage 1). Sicherlich hätte man den unbewaffneten Osama auch lebendig entführen und vor den Internationalen Strafgerichtshof stellen können. Aber dann wären auch Osamas Beweggründe für seinen Hass auf die Ungläubigen in Amerika sowie noch Anderes zur Sprache gekommen.


Dass terroristische Anschläge Verbrechen sind, ist eindeutig. Aber man sollte auch mal der Anzahl der von Al Kaida Getöteten die Anzahl der durch Maßnahmen der USA Getöteten gegenüberstellen. Alleine im Irak und in Afghanistan ist das ein Vielfaches im Vergleich mit den Terroranschlägen. Und in Vietnam verloren sogar rd. 3,5 Millionen Menschen durch die amerikanische Invasion ihr Leben. Aber die dafür verantwortlichen amerikanischen Politiker wurden und werden dafür nicht zur Verantwortung gezogen.

 

Dem Islam wird immer wieder der Missbrauch der Religion durch sogenannte Heilige Kriege vorgeworfen. Dabei sind "Heilige Kriege" keine Besonderheit des Islams. Die jüdische Bibel beschreibt eine Vielzahl solch Heiliger Kriege, bei denen ganze Völker ausgerottet wurden. Dies wird z. B. von dem Theologen Prof. Gerd Lüdemann in dem Buch "Das Unheilige in der Heiligen Schrift" anschaulich beschrieben. "Es gibt kaum etwas anderes im alten Testament, das den Abscheu des modernen Betrachters so provoziert wie die Praxis des Bannes, also die Tötung aller Männer, Frauen und Kinder sowie oft auch deren Nutztiere als Abschluß eines "Heiligen Krieges". Lüdemann erläutert zwar, dass die in der Bibel beschriebenen Geschehnisse  in 4. Mose 21, 1-3, 5. Mose 2,30-35, 5. Mose 3,3-7, Josua 6,17-21, Josua 10, 28 und Josua 11,10-11, so nicht stattgefunden haben, aber israelische jüdische Fanatiker rufen jetzt dazu auf, in gleicher Weise gegen die Palästinenser vorzugehen und diese entsprechend den biblischen Vorbildern schonungslos auszurotten. Entsprechende Beispiele hatte ich schon in früheren Zitaten erwähnt und in dem Artikel "Religiöse Fanatiker auf beiden Seiten" noch mal erläutert.

 

Wer nur wenige Menschen umbringt, ist ein Mörder. Wer Tausende oder gar Millionen eines anderen Volkes umbringt oder umbringen lässt, ist ein Held. Der vom grauenhaften Geschehen des letzten Weltkriegs geprägte Zeichner und Maler Caspar Walter Rauh hat das in einem Bild veranschaulicht, das er mit dem Text versah: "Haus des Mörders - Den erfolgreichen Mördern baut man Ehrentempel. Sie stehen in einem Sumpf von Blut und Tränen."

 

Der jüdisch-amerikanische Wissenschaftler Noam Chomsky entlarvt in seinem Buch "Eine Anatomie der Macht" die politische Wortwahl. So würden absolut undemokratische Staaten, wie Saudi-Arabien, als "gemäßigt“ bezeichnet. "Ja, gemäßigt bedeutet so viel wie: folgt den Anordnungen der USA", während "radikal" meint: "folgt nicht den Anordnungen der USA"." An anderer Stelle belegt Chomsky, dass Israel das Westjordanland nicht aus Sicherheitsgründen vollständig annektieren will, sondern wegen seines Wassers. Ein Drittel seines Wassers entnimmt Israel dem Westjordanland. Es sind palästinensische Ressourcen, die völkerrechtswidrig geraubt werden.

 

Die Einigung zwischen Fatah und Hamas wurde von allen begrüßt, die an einer Friedensregelung im Nahen Osten interessiert sind. Die israelische Regierung versucht hingegen weiterhin alle Friedensbemühungen mit der Gründung eines Palästinenserstaates zu verhindern und lehnt deshalb Verhandlungen mit Beteiligung der Hamas ab. Leider unterstützen unser Außenminister und unsere Bundeskanzlerin die israelische Friedensblockade. Es wäre wichtig, dass noch viele Bundesbürger dem Außenminister und der Bundeskanzlerin ihre Kritik an der Unterstützung der israelischen friedensverhindernden Politik vermitteln würden. Wir sollten sie daran erinnern, dass auch einmal der südafrikanische ANC als terroristische Organisation galt und Nelson Mandela als kommunistischer Terrorist bezeichnet wurde, mit dem man nicht verhandeln wollte  (siehe "Terroristen und/oder Freiheitskämpfer" ).

Außerdem füge ich unter anderem als Informationsangebot einen erschreckenden Bericht über die gesundheitlichen Folgen durch die von Israel verwendeten Waffen bei (Anlage 2).


Hier noch eine erfreuliche Nachricht. Die Evangelische Gemeinde in Aachen hat dem Druck und den Verleumdungen der dortigen Israel-Lobby nicht nachgegeben und zeigt die Nakba-Ausstellung über die systematische Vertreibung der Palästinenser im Jahre 1948.

 

Abschließend möchte ich Ihnen noch ein Buch zu einem anderen Thema empfehlen: „Ehrliche Arbeit – Ein Angriff auf den Finanzkapitalismus und seine Raffgier“ von Norbert Blüm.

 

Anlage 1:


„Freue dich nicht….“


Uri Avnery, 7.Mai 2011

“FREUE DICH nicht über den Fall deines Feindes und dein Herz sei nicht froh über sein Unglück/ der Herr könnte es sehen und Missfallen daran haben und seinen Zorn von ihm wenden!“

Dies ist eine der schönsten Passagen in der Bibel (Sprüche Salomos 24, 17-18) und tatsächlich in  hebräischer Sprache. Sie sind auch schön in der Übersetzung, obwohl keine Übersetzung der Schönheit im Original nahe kommt.

Natürlich ist es normal, froh zu sein, wenn jemandes Feind besiegt wird, und der Durst nach Rache ist leider ein menschlicher Zug. Aber sich hämisch freuen –  auf deutsch Schadenfreude - , ist etwas völlig anderes. Es ist hässlich.

Eine alte hebräische Legende erzählt, dass Gott sehr wütend wurde, als er sah, wie die Kinder Israels sich freuten, als ihre ägyptischen Verfolger im Roten Meer ertranken. „Meine Geschöpfe ertrinken im Meer,“ sagte Gott, „und ihr singt?“

Diese Gedanken gingen durch meinen Kopf, als ich am Fernseher die jubelnde Menge der jungen Amerikaner in den Straßen schreien und tanzen sah. Verständlich, aber unschicklich. Die verzerrten Gesichter und die Köpersprache waren dieselben wie die der Mengen im Sudan oder Somalia. Die hässlichen Seiten der menschlichen Natur scheinen überall dieselben zu sein.

DIE FREUDE mag verfrüht sein. Denn sehr wahrscheinlich starb al-Qaida nicht mit Osama bin Laden. Die Auswirkungen mögen völlig andere sein.

1942 töteten die Briten Abraham Stern, den sie „Terrorist“ nannten. Stern, dessen Name  im Untergrund Yair war, versteckte sich im Schrank einer Wohnung in Tel Aviv. In diesem Fall wurde sein Versteck auch durch die Bewegung seines Kuriers entdeckt. Nachdem man sicher war, dass er der richtige Mann war, erschoss ihn der britische Polizeioffizier.

Das war aber nicht das Ende der Gruppe – vielmehr war es ein Anfang. Sie wurde der Fluch der britischen Herrschaft in Palästina. Als „Stern-Bande“ bekannt (ihr richtiger Name war „Kämpfer für die Freiheit Israels“), führte sie die gewagtesten Angriffe auf britische Einrichtungen und spielte eine bedeutende Rolle darin, die Briten davon zu überzeugen, dass sie das Land  verlassen sollten.

Die Hamas starb nicht, nachdem die israelische Luftwaffe Scheich Ahmad Yassin, den gelähmten Gründer, Ideologen und das Symbol von Hamas, getötet hatte. Als Märtyrer war er viel effektiver denn als lebender Führer. Sein Märtyrertum zog viele neue Kämpfer für den Kampf an. Eine Person zu töten, tötet nicht eine Idee.  Die Christen machten sogar das Kreuz zu ihrem Symbol.


WAS STECKTE hinter der Idee, die Osama bin Laden in eine Weltikone verwandelt hat?

Er predigte die Wiederbelebung des Kalifats der frühen islamischen Jahrhunderte, das nicht nur ein großes Reich war, sondern auch ein Zentrum der Wissenschaften und Künste, der Dichtung und Literatur, als Europa noch ein barbarischer, mittelalterlicher Kontinent war. Jedes arabische Schulkind lernt in Geschichte diese glorreiche Zeit kennen und kann nicht anders, als sie mit der traurigen muslimischen Gegenwart vergleichen. 

(In gewisser Weise ähnelt diese Sehnsucht den Träumen der zionistischen Romantiker vom wieder belebten Königreich Davids und Salomos.)

Ein neues Kalifat im 21.Jahrhundert ist so unwahrscheinlich wie die wildeste Schöpfung der Phantasie. Es würde  entgegengesetzt zum „Zeitgeist“ sein – wäre es nicht für seine Gegner – die Amerikaner. Sie brauchten diesen Traum – oder Alptraum – mehr als die Muslime selbst.

Das amerikanische Empire braucht immer ein Feindbild, um es zusammen zu halten und um seine Energien zu konzentrieren. Es muss ein weltweiter Feind sein, unheimlicher Fürsprecher einer bösen Philosophie.

Dieser Feind waren die Nazis  und das kaiserliche Japan – aber nicht lange. Glücklicherweise kam dann das kommunistische Empire, das die Rolle wunderbar übernahm.

Überall gab es Kommunisten. Alle planten sie den Untergang der Freiheit, der Demokratie und der USA. Sie lauerten sogar innerhalb der USA, wie Edgar Hoover und  Senator Joe McCarthy so überzeugend demonstrierten.

Jahrzehntelang blühte die US im Kampf gegen die Rote Gefahr. Ihretwegen breiteten sich ihre Militärkräfte über die ganze Welt aus, ihre Raumschiffe erreichten den Mond. Ihre besten Köpfe engagierten sich in einer titanischen Schlacht von Ideen, die „Söhne des Lichts“ gegen die „Söhne der Finsternis“.

Und dann brach die ganze Sache – leider – zusammen. Die Sowjetmacht entschwand, als hätte es sie nie gegeben. Die amerikanischen Spitzelagenturen mit ihren unglaublichen Fähigkeiten waren verblüfft. Anscheinend hatten sie keine Idee, wie morsch die Sowjetstruktur tatsächlich war. Wie hätten sie dies auch sehen können, da sie von ihren ideologischen vorgefassten Meinungen geblendet waren.

Das Verschwinden der kommunistischen Gefahr hinterließ in der amerikanischen Psyche eine klaffende Leere, die danach schrie, ausgefüllt zu werden. Bin Laden bot seine Dienste an.

Das benötigte natürlich ein die Welt erschütterndes  Ereignis, um solch einer verrückten Utopie Glaubwürdigkeit zu schenken. Die Gräueltat vom 11.9. war solch ein Ereignis. Es verursachte viele Veränderungen in der amerikanischen Lebensweise. Und einen neuen globalen Feind.

Über Nacht wurden mittelalterliche anti-islamische Vorurteile abgestaubt und zur Schau gestellt. Der Islam, der schreckliche, mörderische, fanatische. Der Islam, der anti-demokratische, der gegen die Freiheit und gegen alle unsere Werte ist. Selbstmordbomber. 72 Jungfrauen, Jihad

Die USA kam zu neuem Leben. Soldaten, Spione und Spezialeinheiten schwärmten in die ganze Welt hinaus, um den Terrorismus zu bekämpfen. Bin Laden war überall. Der Krieg gegen den Terrorismus wurde zu einem apokalyptischen Kampf mit dem Satan.

Die amerikanischen Freiheiten mussten eingeschränkt werden, die US-Militärmaschine wuchs sprunghaft an. Machthungrige Intellektuelle quasselten über den „Zusammenstoß der Zivilisationen“ und  verkauften ihre Seele, um schnell berühmte Persönlichkeiten zu werden.

Um solch ein grellfarbenes Bild der Realität zu produzieren, wurden alle islamischen Gruppen in einen Topf geworfen – die Taliban in Afghanistan, die Ayatollas im Iran, die Hisbollah im Libanon, die Hamas in Palästina, die indonesischen Separatisten, die Muslimbruderschaft in Ägypten und sonst wo. Alle wurden El-Qaida, trotz der Tatsache, dass jede Gruppe eine total andere Agenda hat und auf ihr eigenes Land konzentriert ist, während Bin Laden alle muslimischen Staaten aufheben und ein heiliges islamisches Reich schaffen wollte. Doch wen interessieren die Details?

Der Heilige Krieg gegen den Jihad fand überall Krieger. Ehrgeizige Demagogen, für die dies ein leichter Weg war, um die Massen aufzuhetzen und Macht zu gewinnen, kamen in vielen Ländern hoch – von Frankreich bis Finnland, von Holland bis Italien. Die Hysterie der Islamophobie ersetzte den „guten“ alten Antisemitismus und benützte fast dieselbe Sprache. Jedes tyrannische Regime stellte sich selbst als Bollwerk gegen Al-Qaida dar, wie sie einst sich selbst als Bollwerk gegen den Kommunismus darstellten. Und natürlich unser eigener Binyamin Netanyahu nützte die Situation aus, indem er wie ein Hausierer von Hauptstadt zu Hauptstadt pendelte, um seinen Kram zu verkaufen.

Bin Laden hatte allen Grund, stolz zu sein und war es wahrscheinlich auch.


ALS ICH sein Bild zum ersten Mal sah, witzelte ich, er sei keine wirkliche Person, sondern ein Schauspieler direkt aus Hollywoods Büro für Rollenverteilung. Er sah zu gut aus, um wahr zu sein – als würde er aus einem Hollywoodfilm kommen – ein hübscher Mann mit einem langen schwarzen Bart, der mit einer Kalaschnikov winkte. Sein Erscheinen im Fernsehen war sorgfältig inszeniert worden.

Tatsächlich war er ein sehr inkompetenter Terrorist, ein wirklicher Amateur. Kein echter Terrorist würde in einer auffälligen Villa leben, die in der Landschaft wie ein wunder Daumen steht. Stern versteckte sich in einer kleinen Wohnung unter dem Dach in einem verwahrlosten Viertel von Tel Aviv . Menachem Begin lebte mit seiner Frau und dem Sohn in einer sehr bescheidenen Erdgeschosswohnung als getarnter, öffentlichkeitsscheuer Rabbiner .

Bin Ladens Villa musste die Aufmerksamkeit der Nachbarn und anderer Leute anziehen. Sie hätten über diesen Fremden in ihrer Mitte neugierig gewesen sein müssen. Tatsächlich hätte er viel früher entdeckt werden müssen. Er war unbewaffnet und war nicht auf Kampf eingestellt. Die Entscheidung, ihn sofort  zu töten und seinen Körper im Meer zu versenken, war offensichtlich seit langem geplant.

Es gibt also kein heiliges Grab. Aber für Millionen von Muslimen und besonders Arabern war und bleibt er ein Grund für Stolz, ein arabischer Held, der „Löwe der Löwen“, wie ihn ein Prediger in Jerusalem nannte. Fast keiner wagte, heraus zu kommen und dies offen zu sagen, aus Angst vor den Amerikanern, aber selbst jene, die dachten, dass seine Hirngespinste unbrauchbar seien und seine Aktionen schädlich, respektierten ihn in ihrem Herzen.

Bedeutet dies, al-Qaida habe eine Zukunft? Ich denke nicht. Sie gehört der Vergangenheit an – nicht weil bin Laden getötet worden ist, sondern weil die zentrale Idee überholt ist.

Der arabische Frühling führt neue Ideale ein, eine neue Begeisterung, eine, die nicht eine ferne Vergangenheit glorifiziert, sondern in die Zukunft schaut. Die jungen Männer und Frauen vom Tahrir-Platz mit ihrer Sehnsucht nach Freiheit vertrauten bin Laden Monate vor seinem physischen Tod der Geschichte an. Seine Philosophie hat nur dann eine Zukunft, wenn der arabische Frühling vollkommen scheitert und ein tiefes Gefühl der Enttäuschung und Verzweiflung hinterlässt.

In der westlichen Welt werden wenige um ihn trauern, aber Gott will nicht, dass sich jemand hämisch darüber freut.


(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser  autorisiert)

 

Anlage 2:


Israels Waffen – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Special topic  Occupied Palestine,  1.5.2011

In einem Artikel vom 4. März behauptet Richard Lightbown, dass Israels Anwendung von Depleted Uranium (DU), weißem Phosphor und anderen giftigen Metallen in seinem Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens ( 2008/09)  die ganze Bevölkerung des Streifens und seine Umgebung – Luft, Boden, Grundwasser und möglicherweise auch Meerwasser -  auf lange Zeit schwer geschädigt und kontaminiert hat.

Press-TV hat am 4. März 2011 berichtet, dass im Gazastreifen die  Krebsfälle um 30% gestiegen seien und dass es eine Verbindung gebe zwischen dem Auftreten der Krankheit und  der Wohnung in Gebieten, die schwer von Israels Bombardements getroffen wurden. Zekra Ajour von der Al-Dameer-Gesellschaft für Menschenrechte sagte dem TV-Kanal, dass der Gazastreifen ein Versuchsfeld für illegale Waffen war. ( und die Menschen die Versuchskaninchen  ER)

Geburtsschäden
Am 20.Dezember 2009 hat Al-Dameer auf Arabisch eine andere Zeitung  über die vermehrte Anzahl von Babys im Gazastreifen mit Geburtsfehlern zitiert und dachte, dass dies die Folge von radioaktivem und giftigem Material von Operation Cast Lead sei. Die Geburtsschäden schließen unvollständige Herzen und Verformungen des Gehirns ein. Während des August, September und Oktober 2008 lag die Zahl solcher Fälle  bei 27. In denselben Monaten von 2009 ist die Zahl auf 47 gestiegen. Es gab ein ähnliches Anwachsen  bei Fehlgeburten. Al-Dameer hat zu einer wissenschaftlichen Untersuchung im ganzen Gazastreifen aufgerufen, um eine Statistik über deformierte Foetusfälle zu bekommen, im Zusammenhang mit  der absichtlichen Anwendung von international verbotenen Waffen.
Ein ähnliches dramatisches Anwachsen von Geburtsschäden während einer längeren Periode ist aus dem Irak berichtet worden und wurde mit der weit verbreiteten Anwendung von DU-Waffen in Verbindung gebracht. ( Es wird berichtet, dass lokale Hebammen sich nicht mehr auf Geburten freuen, weil sie nicht wissen, was da wohl kommen wird.)

Depleted Uranium ( abgereichertes Uranium, DU)

Obwohl der Epidemologe Prof. Alastair Hay  im März 2010 zu BBC sagte, dass es sehr schwierig wäre, irgendeine besondere Ursache für den Trend anzudeuten, sind wissenschaftliche Daten veröffentlicht worden, die seiner Meinung widersprechen. Ein Überblick in Environmenal Health von 2003 kam zu der Schlussfolgerung:
Wenn man die Teratogenicity  (??)der elterlichen pränatalen Aussetzung von DU-Aerosol näher betrachtet, zeigt der Beweis, wenn auch unvollkommen, eine hohe Wahrscheinlichkeit eines substantiellen Risikos. Gute Wissenschaft zeigt an, dass DU-Waffen nicht fabriziert oder zur Explosion gebracht werden sollten.
…..
DU in bunkerbrechenden Bomben aus den USA

Beweise für die Anwendung von DU im Gazastreifen seien unsicher und Goldstone berichtet nur im §907 ( seines Berichtes) , dass es Behauptungen gibt, die er nicht näher untersucht habe. Mehr Anhaltspunkte kamen von der ACDN ( frz Bürgeraktion gegen nukleare Entwaffnung) Ihr Bericht vom Juli 2009 stellt die Hypothese auf, dass die GBU-39-Bunker brechenden Bomben mit 75 kg DU ausgerüstet sind. (Ein UNEP-Bericht spricht auch  vieldeutig von  bunkerbrechenden Bomben die DU  enthalten) Die US-Lieferung von 1000 dieser Bomben nach Israel kamen Anfang Dezember 2008, kurz vor Beginn des Krieges an. Die GBU-39  wird als eine der zielsichersten Bomben angesehen und Boeing, die sie  herstellt, behauptet, dass die Bombe ca. ein Meter dicken stahlgestärkten Beton durchdringt. (UNEP behauptet, dass es verstärkten Beton von 1,8 – 6 Meter durchdringen kann ) ..
Es ist nicht bekannt, wie viele bunkerbrechende Bomben gegen den Gazastreifen angewandt wurden. Aber es scheint angemessen zu sein, mit Hunderten zu rechnen. Man denkt, dass sie vor allem im Philadelphia-Korridor gegen die Tunnel eingesetzt wurden Desmond Travers, der frühere irische Armeeoffizier, der zur Goldstone-Kommission gehörte, würde nur sagen, dass DU während des Krieges  eingesetzt werden konnte, obwohl er darin übereinstimmt, dass es  sehr geeignet wäre, die Tunnels anzugreifen, wo größte Durchschlagskraft gewünscht wurde. Er war auch in Übereinstimmung mit ACDN, dass die Anwendung bei unterirdischen Zielen, die Menge von Aerosol-Uranium beträchtlich eingeschränkt hat, was die Ausbreitung in der Luft betrifft.
Col. Raymond Lane, Chefausbilder für  Wehrmaterial der irischen Armeekräfte machte gegenüber der Goldstone-Kommission Aussagen über Waffen, die im Gazakrieg benützt wurden. Er sagte zur Kommission, dass er keine Erfahrung mit DU und dies darum auch nicht untersucht habe. Er gab keinen Grund  für sein Versäumnis an, Spezialisten zur Untersuchung dieser Sache anzufordern.
Im April 2009 gehörte Jean-Francois Fechino von ACDN zu einem Team von vier Personen, die  für die Arabische Kommission für Menschenrechte nach Gaza gingen. Bodenproben, die das Team zurückbrachte und in einem spezialisierten Labor analysieren ließ, fand Krebs erregende Stoffe wie  DU, Caesium, Asbeststaub, Wolfram und Aluminiumoxyd. Thoriumoxyd wurde auch gefunden, das genau so radioaktiv ist wie DU und Caesium. Die Analyse fand auch Phosphate und Kupfer zusammen mit flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), die gesundheitsschädigend sind, besonders für Kinder, Asthmatikers und ältere Personen
Es gibt eine empirische Dokumentation, dass DU-Aerosol sich bis 42 km weit verbreiten kann. Und es gibt eine theoretische Dokumentation, dass es sich noch weiter verbreiten kann. Sdeerot liegt 43km vom Philadelphia-Korridor entfernt und weniger als 5 km von Beit Hanoun. Die Folge davon könnte sein, dass die Aktivitäten von Israels Luftwaffe eine größere Bedrohung für die israelische Stadt schuf als die 8000 Granaten aus dem Gazastreifen, über die weithin berichtet wurde.
DU-Anhäufung ist in Knochen, Nieren, den Fortpflanzungsorganen, in Gehirn und Lunge dokumentiert worden. Es ist krebserregend, giftig für die Nieren,  beschädigt die Zellen der DNA und verursacht Deformierungen am Embryo oder Fötus.


Weißer Phosphor

Auch wenn ein israelischer Armeesprecher am 7.1.2009  CNN gegenüber sagte, er könne „mit Sicherheit sagen, dass weißer Phosphor absolut nicht verwendet wurde“, wurde dieser chemische Stoff seit Beginn des Krieges angewandt. Der Goldstone-Bericht  gab an, dass israelische Quellen später behaupteten, dass sie am 7.1.09 wegen internationaler Bedenken aufgehört hätten, weißen Phosphor zu benützen. Auch das stimmte nicht, denn es gibt Beweise, dass es auch nach diesem Datum angewandt wurde. Goldstone erklärte, die israelische Armee sei „systematisch rücksichtslos“ bei der Anwendung  von weißem Phosphor in Wohngebieten umgegangen.  (§§ 884,886, und 890).

Es war  für die Ärzte sehr schwierig, das Ausmaß des Schadens an Gewebe und Organen  herauszufinden und die Wunden, von weißem Phosphor verursacht, zu behandeln. Mehrere Patienten starben in der Folge der Behandlung. Die Ärzte fanden, dass wenn sie Verbandmaterial von der Wunde nahmen und diese noch geringe Mengen von Phosphor enthielten, Rauch aus der Wunde kam, da der chemische Stoff, sobald er mit Sauerstoff in Kontakt kommt, weiter brannte. Weißer Phosphor bleibt im Gewebe, so dass alles Fleisch und die Muskeln um die brennende Wunde herausgeschnitten werden muss. Die Substanz ist also hochgiftig (Goldstone-Bericht § 892/4/5/6)  ….

Andere giftige Stoffe

Eine Massenspektrometrie-Analyse, die von der Neuen Waffenuntersuchungsgruppe (NWRG) durchgeführt wurde, fand Aluminium, Titan, Strontium, Barium, Kobalt und Quecksilber in lebendem Gewebe, das aus Wunden von weißem Phosphor im Shifa-Krankenhaus, Gaza, stammte. …
Weiße Phosphorbomben werden aus sich abwechselnden Teilen von weißen Phosphor und Aluminium gebaut. Eine Analyse des Pulvers (durch NWRG) einer Granate, die in der Nähe des Al-Wafa-Krankenhauses niederging, wies auch ein hohes Konzentrat von Molybden, Wolfram und Quecksilber auf. Wolfram und Quecksilber sind krebserregend, während Molybden Spermen schädigt.

In einem Bericht, der den passenden Titel hatte: „Gazastreifen: der Boden ist durch Bombardements kontaminiert: die Bevölkerung ist in Gefahr“. NWRG führte auch Analysen in zwei Bombenkratern durch, der eine von 2006 und die beiden anderen von 2009. In dem Krater von 2006 fanden sie Wolfram, Quecksilber und Molybdem; während sie in den Kratern von 2009 bei Tufah Molybden, Cadmium, Kobalt, Nickel, Mangan, Kupfer und Zink entdeckten. Cadmium und einige Nickel und Manganverbindungen sind krebserregend.

NWRG führte auch Untersuchungen von Haaren bei 95 Kindern durch, die aus schwer bombardierten Gebieten des Gazastreifen kamen. Wieder wurde Massenspektrometrie angewandt. Es wurden dabei krebserregende oder giftige Metalle gefunden: Chrom, Kadmium, Kobalt, Wolfram und Uran. Bei einem verwundeten Kind fand man ungewöhnlich hohen Bleigehalt. Die Untersuchung fand alarmierende Ergebnisse… 39 der untersuchten 95 Kinder wurden weitere Untersuchungen empfohlen.

DIME-Waffen, Bodenkontaminierung und Krebs

Es ist berichtet worden, dass der Boden im Gebiet einer explodierten  DIME-Bombe ( dichte inerte Metall- Explosiv) wegen der Kontamination mit dem Schwermetall Wolfram auf unbestimmte Zeit unfruchtbar bleibt. Dasselbe Material verursachte bei 100% der Ratten Tumore in den Lungen –  egal ob es niedrige oder hohe Dosen waren.

DIME wurde das erste Mal von israelischen Drohnen im Sommer 2006 benützt; das palästinensische medizinische Personal berichtete von einer  bedeutend zunehmenden Todesrate unter den Opfern. Und  zwar kurz nach dem Libanonkrieg im Juli 2006, wo sie während der 1. Woche getestet wurden.
Die Goldstone-Kommission war nicht in der Lage, zu bestätigen, dass die IDF während der Operation Cast Lead DIME-Munition verwendet hat.  … Col Lane erwähnte allerdings auch, dass er von ungewöhnlichen Amputationen gelesen hatte und dass Wolfram und Kobalt dies bewirken würden….

DIME-Bomben verursachen Amputationen besonders von Beinen, während Patienten oft auch unter inneren Verbrennungen leiden. Die Bomben bestehen aus  pulverisierten Wolframlegierungen, die in einem Gehäuse mit einem explosiven Material gemischt sind und das bei der Explosion zerfällt. Das Wolframpulver reißt alles, was es berührt, aus einander, Gewebe und Knochen und verursacht schwere Verletzungen. Die Wolframlegierungen zerfallen in winzigste Teile, die zu klein sind, um sie aus dem Körper des Opfers herauszuziehen. Sie sind krebserregend. (Goldstone § 902-4)

Keine Waffenteilchen können von DIME-Bomben mit den üblichen diagnostischen Mitteln gefunden werden, trotz des Hinweises auf Schwermetalle bei dieser Art von Verletzungen. Die besondere Analyse durch NWRG von Biopsies aus Amputationsverletzungen weisen auf Aluminium, Titan, Kupfer, Strontium, Barium, Kobalt, Quecksilber, Vanadium, Caesium, Zinn, Arsen, Mangan, Rubidium, Cadmium, Chrom, Zink und Nickel hin. Die Ärzte berichteten, dass es schwierig war, die Ausdehnung des toten Gewebes zu bestimmen, was entfernt werden musste. Dies hatte eine höhere Rate von Infektionen zu Folge, nachfolgende Amputation und eine höhere Sterblichkeitsrate.
Die große Menge von Schwermetallen, die durch Analyse von Todesfällen,  bei den Bewohnern und im Boden in Gaza entdeckt wurde, lässt darauf schließen, dass noch andere unbekannte Waffen hier getestet worden sind ( Die Sensor gesicherte Waffe ist als eine derartig technische Perversion hingestellt worden, die das israelische Militär benützt haben mag.)

Die ganze Bevölkerung Gazas und ihrer Umwelt, einschließlich der nächsten Generationen stehen unter dem Risiko einer schweren, langanhaltenden Verletzung von Schwermetall-Kontaminierung der Luft, des Bodens und des Grundwassers ( vielleicht auch des Meerwassers)  während die ursächliche Umweltverschmutzung wahrscheinlich die Grenzen nach Ägypten und sogar nach Israel überquert hat. Beteuerungen von legitimer und verantwortlicher Anwendung und die reduzierte Tödlichkeit von Waffen ( nach Meinung von Kol. Lane) sind gefühllos und unangemessen im Kontext der gesundheitsgefährdeten Realität, die die Folge davon ist. Unterdessen bleiben die Auswirkungen von Israels illegalem Angriff auf Gaza im großen und ganzen unbekannt und seine Taten von der internationalen Gemeinschaft unbestraft.
(dt. und stark gekürzt: Ellen Rohlfs)