Palästina-Israel - Info & Gedanken Nr. 31
von Siegfried Ullmann
Liebe Friedensfreunde, Israel-Unterstützer und Nahost-Interessierte,
Nordafrika und der Nahe Osten beherrschten in letzter Zeit die Schlagzeilen. Unsere Bundeskanzlerin und unser Außenminister protestierten gegen die Gewalt mit Toten und Verletzten, die in Ägypten und in Libyen gegen die Demonstranten angewendet wurde. Aber als Israel mit Panzern und Flugzeugen gegen die Zivilbevölkerung im Libanon und im Gazastreifen vorging, gab es keine derartigen Proteste oder gar den Ruf nach Sanktionen.
Auch die weitere völkerrechtswidrige Blockade des Gazastreifens zwecks Aushungerung der Bevölkerung und der Verhinderung des Wiederaufbaus der Infrastruktur einschließlich Wohnhäusern und Schulen führte zu keinerlei ernsthaften Reaktionen. (Siehe Anlage 1 - unten) Gleiches gilt für die Vertreibung der israelischen Beduinen durch die wiederholte Zerstörung ihrer Behausungen, Brunnen und anderen Lebensgrundlagen. Da vernimmt man nichts von der Unteilbarkeit der Menschenrechte und der Notwendigkeit von Sanktionen, sondern nur von der unverbrüchlichen Freundschaft mit Israel. Aber vielleicht ist diese Freundschaft jetzt doch etwas angekratzt: Deutschland hat im UN-Sicherheitsrat für die Annahme einer Resolution gestimmt, die die weitere israelische Besiedlung palästinensischen Landes verurteilte. Die USA haben jedoch durch ihr schändliches Veto die Resolution verhindert.
Und von dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung hört man auch dann nichts, wenn die israelische Luftwaffe mal wieder Luftangriffe auf den Gazastreifen ausführt, wie in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar, bei denen 10 Menschen verletzt wurden, darunter zwei Frauen und ein Kind. Eine der Bomben schlug in eine Holzfabrik ein. Das Feuer zerstörte etliche Klassenräume der angrenzenden Schule, sowie einige Geschäfte und Wohnhäuser. Doch am härtesten traf die Menschen, dass auch ein Medikamentenlager des Gesundheitsministeriums durch den Angriff in Flammen aufging. Die von internationalen Delegationen gespendete Medizin wurde vernichtet, was den derzeit bedrohlichen Medikamentenmangel noch weiter verschlimmert hat. (Quelle: Ein Bericht von Vera Macht, die seit April 2010 als Friedensaktivistin im Gazastreifen tätig ist.)
Die israelische Firma AHAVA stellt in der illegalen Siedlung Mitzpe Shalem Kosmetikprodukte aus Mineralien des Toten Meeres her und plündert damit palästinensische Ressourcen. Die Produkte werden zudem als "Produkt aus Israel" deklariert und damit deutsche Zollbestimmungen unterlaufen. Mit dem Kauf der Produkte, die in Kaufhäusern, Parfümerien und ausgewählten Drogeriemärkten angeboten werden, wird die israelische Besatzung der Palästinensergebiete unterstützt und finanziert.
Der Presse entnahm ich, dass Israel überall in der Welt jüdisches Eigentum von Opfern des Holocaust aufspüren will, damit diese eine Entschädigung erhalten. Gleichzeitig enteignet Israel weiterhin das Eigentum und die Lebensgrundlagen der Palästinenser in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten ohne jeglichen Entschädigungsanspruch. Von einer Entschädigung der Palästinenser, die in den Jahren 1947 und 1948 gewaltsam vertrieben wurden oder sich nur kurzfristig nicht in ihren Häusern aufgehalten hatten, ist natürlich auch nicht die Rede. Warum werden den Palästinensern nicht die gleichen universellen Rechte zugestanden, die von Israel für Juden geltend gemacht werden? Ohne Recht und Gerechtigkeit kann es aber keinen Frieden geben. Oder wie sehen Sie das?
Der Sender ARTE brachte eine ausgezeichnete Dokumentation über den amerikanischen Pfarrer Martin Luther King, der mit gewaltlosen Mitteln gegen die Diskriminierung und Entwürdigung der schwarzen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten kämpfte, aber im Jahre 1968 von einem weißen Amerikaner erschossen wurde. Die damalige Lage der Schwarzen in den USA erinnert an die heutige Situation der Palästinenser in Israel und in den besetzten Gebieten. Aber auch für das heutige Deutschland gilt Martin Luther Kings damalige Aussage: "Es ist ein Verbrechen, dass Menschen, die in diesem reichen Land leben, einen Hungerlohn erhalten." - Bei einer Wiederholung der Sendung unbedingt ansehen!
Das Außenministerium hat den bisherigen Nahostbeauftragten der Bundesregierung, Andreas Michaelis, zum Botschafter in Israel bestellt. Als bekennender Israelfreund wird er sicherlich wissen, dass entsprechend dem geistlichen Oberhaupt der an der Regierung beteiligten Shas-Partei, Rabbiner Ovidia Joseph, die Gojim (Nichtjuden) nur geschaffen wurden, um den Juden zu dienen, so dass er sich entsprechend verhalten sollte. Falls die deutsche Regierung das Missfallen des israelischen Außenministers erregen sollte, dann könnte es Herrn Michaelis ergehen, wie dem türkischen Botschafter, der einbestellt und "tiefer gelegt", d. h. auf einem sehr niedrigen Sofa plaziert wurde, um ihn zu erniedrigen.
Empfehlen möchte ich Ihnen den Kauf und die Lektüre des "Berichts der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen über den israelischen Angriff auf die Gaza-Hilfsflottille", der im Melzer Verlag erschienen ist und den Sie über den Buchhandel beziehen können. Darin wird nicht nur der brutale Ablauf des israelischen Angriffs präzise beschrieben, sondern auch die humanitären Motive der Schiffspassagiere und die katastrophale Lage der Palästinenser im Gazastreifen. Das Buch enthält außerdem die Berichte des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell, der deutschen Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger und des Völkerrechtlers Prof. Norman Paech.
Unglaublich erschütternd sind immer wieder die Nachrichten aus dem Gazastreifen von Vera Macht. Man möchte es gar nicht glauben, dass so etwas möglich ist, was dort geschieht. Und da geht kein Aufschrei durch die Welt. Statt dessen wird Israel politisch, finanziell sowie durch Waffenlieferungen weiterhin unterstützt - und damit auch der völkerrechtswidrige Siedlungsbau im Westjordanland. Hinsichtlich der israelischen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gilt weiterhin die Devise: "Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen." Unsere Bundeskanzlerin redet zwar von der Unteilbarkeit der Menschenrechte und freut sich über die Freiheitsbestrebungen der Ägypter: "Wir dürfen bei der Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen keinen Kompromiss machen.", aber das viel schlimmere Leiden der Palästinenser unter der israelischen Besatzung berührt sie in keiner Weise.
Ich möchte noch auf das sehr empfehlenswerte Vortragsangebot der christlichen Palästinenserin Fatem Mukarker sowie auf deren Buch "Leben zwischen Grenzen" hinweisen. Näheres siehe Anlage 2 - ganz unten. Frau Mukarker ist eine wichtige Zeitzeugin (In ihrer Jugend lebte sie in Alfter-Witterschlick).
Lesenswert ist ebenfalls die kleine Schrift des Stéphane Hessel "EMPÖRT EUCH" mit dem Kapitel "Meine Empörung in der Palästinafrage". Stéphane Hessel ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Er wurde 1917 in Berlin in einer jüdischen, zum Luthertum konvertierten Familie geboren und 1937 französischer Staatsbürger. 1941 wurde er in das KZ Buchenwald deportiert und konnte dort nur knapp seiner Hinrichtung entkommen. Im Jahre 1948 hat Hessel bei der UNO an der Formulierung der Menschenrechtserklärung mitgewirkt. Immer setzte er sich für die Unterdrückten, Ausgebeuteten und Benachteiligten ein. Fünfmal war er in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich Gaza und verurteilte die israelische Besatzung. Den Goldstone-Bericht bezeichnet er als Pflichtlektüre. Entsprechend heftig wird er von der Israel-Lobby angegriffen.
Anlage 1
Die israelische Armee unterdrückt den Dissens über Verhaftungen von Kindern mitten in der Nacht. (Teil 1) 9.2.11 von Joseph Dana,* Historiker in Jerusalem und Budapest
http://972mag.com/inside-militäry-repression-of-nabi-saleh-part-one/
„Sie kommen wegen unserer Frauen und Kinder“, sagte mir kürzlich Bassem Tamini, der Führer des Volkskomitees von Nabi Saleh, „sie ( die isr. Armee) weiß, dass die Hälfte unserer Bevölkerung aus Frauen besteht und mit ihnen auch die Hälfte unserer Stärke, deshalb greifen sie sie mit den Kindern an.“ Tamini, ein sanfter Mann mit einem warmen Lächeln spricht mit mir über die Unterdrückung seines Dorfes, während wir in seiner Wohnung sitzen und einen Blick auf die Siedlung Halamish haben. „Sie wissen, wie und wo man Druck auf unseren Widerstand ausüben kann. Es ist mit der letzten Welle von Verhaftungen wirklich schwierig geworden.“
Israel gibt sich die größte Mühe, die Entschlossenheit des Dorfes Nabi Saleh - gegen die Besatzung zu demonstrieren - zu unterdrücken. Die besondere Methode der Unterdrückung hat sich in den letzten acht Jahren entwickelt und ist nicht nur dafür bestimmt, die Demonstrationen zu unterbrechen, sondern um permanenten psychischen Schaden an der nächsten Generation der Nabi Saleh-Bewohnern zu hinterlassen. Kurz gesagt, Die Kinder werden dazu benützt, die Führer des Volkskomitees in den Aufruf und die Ermutigung zu den Demonstrationen zu verwickeln, um Beweise für lange Haftstrafen zu liefern. Im letzten Monat wurden sechs Kinder von der Armee verhaftet.
Die hier (leider nicht) eingefügten 2 Videos wurden bei einem nächtlichen Überfall vor drei Wochen gemacht. Die Armee überfiel das Dorf um 3 Uhr nachts, weckte jeden auf, ging von Haus zu Haus, fotografierte die Kinder und ergänzte ihre ID-Informationen. Die Fotos werden dann von den Soldaten bei den Demonstrationen verwendet, um Kinder systematisch als Ziele zu benützen und zu verhaften. Wenn sie erst einmal verhaftet sind, werden sie kurz an einem geheim gehaltenen Ort verhört und dann zum Dorf zurückgebracht.
Auf Grund des ersten Verhörs entscheidet der Shin Bet (Geheimdienst), welches Kind am geeignetsten für psychische Folter ist und wahrscheinlich am engsten mit der Führung des Volkskomitees verbunden ist. Dieser unglückliche Junge wird dann noch einmal verhaftet, wegen Steine-werfens angeklagt ( einen anderen Beweis als sein – unter Druck erfolgtes - Eingeständnis wird gewöhnlich nicht vorgebracht) und einem viel längeren Verhör ohne Anwalt und ohne Eltern unterworfen. Nachdem zwei oder drei Kinder diese „Strafe“ durchgemacht haben, überfällt die Armee das Haus der Führer des Volkskomitees. Diese kommen dann für ein bis drei Jahre ins Gefängnis, weil sie wegen Aufwiegelung angeklagt wurden. Dies geschah Abdallah Abu Rahmah von Bilin, den die EU als Menschenrechtsverteidiger bezeichnete. Er wurde wegen Aufwiegelung zu 16 Monaten Haft verurteilt. Die Anklage gründete sich auf die erzwungene „Zeugenaussage“ von vier Kindern aus Bilin.
Der 14 jährige Islam Tamimi ist eines der Kinder, das bei einem nächtlichen Überfall fotografiert wurde. Er war dann drei Wochen lang im Gefängnis. Einige Tage nachdem das Video gemacht wurde, wurde er verhaftet und stundenlang in der Halamish-Militärbasis festgehalten. Zwei Tage nach seiner Verhaftung überfiel die Armee sein Haus nachts um 2 Uhr. Man ließ ihn in der Kälte mit verbundenen Augen und für den Rest der Nacht gefesselt stehen. Dann nahm man ihn zum Verhör mit – ohne Anwalt und ohne Eltern. Das Verhör dauerte acht Stunden. Übrigens verkündete der IDF-Sprecher an dem Tag, an dem Tamimi verhaftet wurde, dass ein gesuchter Verdächtiger nachts verhaftet und zu einem Sicherheitsverhör gebracht wurde. Tamimi wartet auf seine Gerichtsverhandlung, die am 14. Februar beginnen soll. Israel entschied, dass er zu gefährlich sei, um gegen Kaution entlassen zu werden und bis zu seiner Gerichtsverhandlung in Haft bleiben muss.
Die Sprache dieser Videos ist kurz und einfach. Die Szene ist in ihrer Einfachheit unheimlich. Soldaten betreten mitten in der Nacht ein Haus, wecken jeden auf und gehen kaltblütig ihrem Geschäft nach. Namen werden entsprechend ID-Informationen aufgeschrieben. Die Kinder werden aufgefordert, für ein Foto aufzustehen. Die Soldaten gehen. Was man auf diesen Videos sieht, ist ein kleiner aber wichtiger Ausschnitt wie - mit Jonathan Cooks Worten - Israels anhaltendes Projekt menschliche Verzweiflung schafft.
*Joseph Dana, Historiker der jüdischen Geschichte, berichtet über den gewaltfreien Widerstand der Palästinenser in der Westbank und den Einfluss der israelischen Besatzung auf das Leben der Palästinenser . Er analysiert Israels Beziehungen zu den Palästinensern. Er veröffentlicht in vielen Medien auch in der NYT….
(dt. Ellen Rohlfs)
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Ullmann
Anlage 2
Faten Mukarker
44 Jahre warten auf den Frieden – Leben zwischen Mauern
Der Weg zum Frieden ist angekündigt, aber er scheint weiter denn je. Durch die Nachrichten, die uns aus Palästina erreichen, erfahren wir nicht viel über das Leben dort.
Doch es gibt auf beiden Seiten der Mauer Menschen, die an einen gerechten Frieden glauben. Aber welche Hürden müssen im Alltagsleben überwunden werden, welche Mauern müssen eingerissen werden, damit die beiden Völker endlich wieder zu einem Nebeneinander, vielleicht sogar Miteinander finden?
Faten Mukarker lebt in Palästina und spricht über die besonderen Bedingungen des tagtäglichen Lebens im Heiligen Land. Selbst im geteilten Deutschland aufgewachsen, vermag sie gerade uns Deutschen die besondere Situation dort besser darzustellen als viele andere. Sie macht die verschiedenen Etappen des Konfliktes transparent – die historischen wie die gegenwärtigen.
In einprägsamer Erzählweise macht Faten Mukarker dem Zuhörer deutlich, dass sie und ihre Landsleute sich nichts sehnlicher wünschen als ohne Angst, frei und selbstbestimmt in einem eigenen lebensfähigen Staat neben dem Staat Israel zu leben.
Faten Mukarker, palästinensische Christin aus Beit Jala / Bethlehem, kommt zweimal im Jahr für mehrwöchige Vortragsreisen nach Deutschland und bietet an:
- Abendvorträge in Kirchengemeinden, an Volkshochschulen, Begegnungszentren, Erwachsenenbildung usw.
- Vorträge in Schulen
- Beiträge bei Tagungen
- Interviews in allen Medien
Termine 2011: Frühsommer (Juni) und Herbst (noch nicht terminiert) Terminkoordination:
Prof. Dr. Jürgen Krüger - Handy 0174-38 24 228 (neu 2010)
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Literaturhinweis: Faten Mukarker: Leben zwischen Grenzen. Eine christliche Palästinenserin berichtet. Buchbestellung bei Wolfgang Hanisch, Tel. 0221-5901526, bzw. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Gruppen oder Einzelreisende können Faten Mukarker auch in ihrer Heimat treffen: Wenn Sie sie in ihrem Haus in Beit Jala/ Bethlehem besuchen, bereitet sie Ihnen ein typisches arabisches Essen und erzählt vom Alltagsleben und Traditionen in Palästina. Außerdem kann sie Sie durch Bethlehem und die Geburtskirche führen. Wegen einer Terminvereinbarung und Absprache (möglichst schon vor Reiseantritt) nehmen Sie bitte mit ihr direkt Kontakt auf:
Faten Mukarker
Sararstr.21
Beit-Jala/ Bethlehem
Palästina
Tel. und Fax 00972-2-274 13 41
Handy 00972-59 79 63 756
Handy 00972-54 69 63 756
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In der Zeit, in der Faten Mukarker in Deutschland ist, ist sie unter folgender Nummer zu erreichen: Handy 0175-7320 938