Atomwaffen sind völkerrechtswidrig
von Thomas Carl Schwoerer (DFG-VK)
Vor 72 Jahren, am 6. August 1945, hat eine Atomwaffe in Hiroshima sofort über 90000 Menschen und bis zum Jahresende weitere 130000 getötet.
Eine gute Stunde von Frankfurt entfernt, auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel, lagern etwa 20 amerikanische Atomwaffen. Bereits eine einzige kann Hunderttausende von Menschen das Leben kosten und schwerste Schäden fürs Klima etwa durch die Zerstörung der globalen Ozonschicht anrichten. In den kommenden Jahren sollen diese Waffen durch modernste, zielgenauere Typen ersetzt werden, die die Hemmschwelle für einen Atomwaffeneinsatz senken. Das ist eine klare nukleare Aufrüstung, die von der deutschen Regierung unterstützt wird und an der sich Deutschland finanziell beteiligen soll. Die Friedensbewegung fordert hingegen gemeinsam mit vielen Aktiven in Büchel und den 460 deutschen Bürgermeistern für den Frieden den Abzug dieser Waffen. Wir wissen uns darin einig mit der überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung, denn laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Internationalen Ärzte zur Verhütung eines Atomkriegs von März 2016 sind 85 Prozent der Menschen in Deutschland für den Abzug dieser auf deutschem Boden gelagerten Atomwaffen und 93 Prozent für ein Verbot von Atomwaffen.
Dieses völkerrechtlich verbindliche Verbot gibt es seit dem 17. Juli, beschlossen von 122 Ländern, das sind zwei Drittel aller UN-Mitgliedstaaten. Alle Befürworter nuklearer Abschreckung, beispielsweise die Nato und Russland, stehen nun auf der falschen Seite des internationalen Rechts. Atombomben sind wie die ebenfalls verbotenen Bio- und Chemiewaffen völkerrechtswidrig. Die Einsicht hat sich völkerrechtlich durchgesetzt, dass nicht der Staat sicher ist, der eine Atombombe besitzt. Sicher sind wir vielmehr erst, wenn es keine Atomwaffen mehr gibt und sich die Vorstellung gegenseitiger Sicherheit statt gegenseitiger Zerstörung durchgesetzt hat. Atomwaffen schaffen keine Sicherheit, sondern sind ein ständiges Risiko, wie sich an mehreren Beinahe-Katastrophen der Vergangenheit, etwa der Kuba-Krise 1961, gezeigt hat. „Abschreckung“ bedeutet nichts anderes als die Androhung inhumaner Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung.
Die Atomwaffenstaaten sind ihrer Pflicht aus dem Atomwaffensperrvertrag zur atomaren Abrüstung nicht nachgekommen, sondern haben vor dem Verbot die Vergrößerung und Verstärkung ihrer Arsenale angekündigt. Die multilateralen Verhandlungen der Besitzerstaaten über nukleare Abrüstung stehen seit 1995 still. Die Lage ist deshalb und wegen des Brandherds Vereinigte Staaten – Nordkorea nicht stabil, sondern hochgradig unsicher und gefährdet, weshalb das Bulletin of Atomic Scientists seine Weltuntergangsuhr auf zweieinhalb Minuten vor zwölf stellte, wie zuletzt in den 1950er Jahren während des Korea-Krieges.
Jetzt kommt es darauf an, zusammen mit den Bürgermeistern für den Frieden, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit sie das Atomwaffenverbot unterschreibt und ihren Boykott der Verbotsverhandlungen, welcher der abrüstungspolitischen Glaubwürdigkeit Deutschlands enorm geschadet hat, wiedergutmacht. Dieser Boykott und die Untätigkeit der Regierung bezüglich der Atomwaffen in Deutschland widersprechen dem Beschluss des Deutschen Bundestags von 2010 für den Abzug aller Atomwaffen aus Büchel und einen verstärkten Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt. Diese ist ohne die Teilnahme am Atomwaffenverbot nicht erreichbar.
Wie das seit 2008 bestehende Verbot von Streumunition kamen das Atomwaffenverbot und das Verbot von Antipersonenminen gegen den Willen der Besitzerstaaten zustande. Letzteres trat 1999 mit 40 Ratifizierungen in Kraft. Bis heute haben weitere 122 Staaten das Verbot von Antipersonenminen unterzeichnet. Daran zeigt sich, dass solche Verbote die Besitzerstaaten enorm unter Druck setzen. Diesen Weg müssen wir auch im Falle der Atomwaffen gehen.
Nordkorea sieht seine Atomwaffen als einzige Sicherheit gegen die überlegene Militärmacht der Vereinigten Staaten an. Sanktionen haben sich als unwirksam erwiesen, Präventivschläge wären verhängnisvoll. Es führt kein Weg an direkten Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea vorbei, in denen die Vereinigten Staaten klarstellen, dass nicht ein Sturz des Regimes, sondern das Einfrieren und dann die Verringerung von Nordkoreas Atomwaffenprogramm ihr Ziel sind. Diese Ziele werden sich nur im Tausch gegen Garantien für Nordkoreas Sicherheit und seine ökonomische Entwicklung, die Absage amerikanischer Militärmanöver mit Südkorea und einen Friedensvertrag erreichen lassen.