USA - Sie sagen Nein zum Militarismus
von Robert C. Koehler
Vielleicht keine Post am Samstag, aber dafür kriegt die Polizei der Kleinstadt gepanzerte Personentransporter?
Nehmen wir uns einen Augenblick Zeit – angesichts dieser bitteren Zeiten und dem neuen von Präsident Obama vorgeschlagenen Sparbudget – um die Fragen hochleben zu lassen, die die Einwohner von Keene, New Hampshire, ihrer Stadtregierung stellen über die Art von Welt, die wir uns schaffen.
Vor allem zerstört die groteske Verhöhnung des Begriffs „Sparsamkeit” im Schatten uneingeschränkter militärischer Ausgaben unsere nationale Zurechnungsfähigkeit. Und die vorgeschlagenen Einsparungen bei Medicare, Medicaid, Mental Health Services, Umweltschutz, Nationalparkprogrammen und sogar, ja, bei der Postzustellung am Samstag, sind unbedeutend im Vergleich zu den unbehandelten sozialen Notständen, die anzusprechen wir in diesem Land noch nicht einmal begonnen haben, in den Bereichen Bildung, erneuerbare Energie und noch viel mehr. Aber wir geben aus mit unbesonnener Hemmungslosigkeit, um uns selbst und unsere Alliierten zu bewaffnen und unsere Feinde zu provozieren, und diese manchmal genauso zu bewaffnen und die Art von Welt zu schaffen, die niemand (fast niemand) haben will: eine Welt des endlosen Krieges.
Das offizielle Verteidigungsbudget für 2012 in der Höhe von $530 Milliarden, das nur eine Kleinigkeit unter dem für 2013 liegt, läßt einen gigantischen Betrag von verteidigungsbezogenen Regierungsausgaben unerwähnt. Laut einem vor kurzem erschienenen Artikel in The Atlantic verdoppeln sich unsere Verteidigungsausgaben nahezu auf $986,1 Milliarden für 2012 und $994,3 für 2013, wenn man dazurechnet, ja man höre, die Kosten für unsere Kriege gegen Afghanistan und Irak, unsere Ausgaben für die Entwicklung der Atomwaffen (die finden sich im Budget des Energieministeriums), Heimatlandsicherheit, medizinische Versorgung der Veteranen (wenn auch unzureichend, so doch steigend), Militärhilfe an Alliierte (z.B. $3 Milliarden an Israel) und die Zinsen für den Militäranteil an den Staatsschulden (hochgerechnet rund $63,7 Milliarden im Jahr 2013).
Laut Business Insider sind in den letzten 13 Jahren die Ausgaben der Vereinigten Staaten von Amerika fürs Militär um 113 Prozent gestiegen. Wir geben mehr aus fürs Militär als die nächsten 15 größten Militärbudgets zusammen – und mehr, als alle 50 Staaten (amerikanische Bundesstaaten, d.Ü.) zusammen für Gesundheit, Bildung, Soziale Versorgung und Sicherheit ausgeben. 2007 wurden im Irak um die $11 Milliarden einfach als „verloren“ abgeschrieben, berichtet der Business Insider.
Das Militär ist im Endeffekt unser 51. Bundesstaat, wenn auch einer, der von Stacheldraht umgeben ist. „Die gesamte Grundfläche, die Militärbasen und Einrichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika einnehmen, beträgt 15.654 Quadratmeilen – das ist mehr als D.C., Massachusetts und New Jersey zusammengenommen,“ so dieser Artikel.
Und jenseits von allem, was auf einem Kontoblatt aufscheint, hat das unregulierte Militär freie Hand, die Ressourcen der Erde zu verschwenden und den Planeten zu verdrecken. „Das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika ist der größte Umweltverschmutzer auf der Welt,“ schrieb Lucinda Marshall vor einigen Jahren in Common Dreams, „und produziert mehr gefährlichen Abfall als die fünf größten Chemiekonzerne der Vereinigten Staaten von Amerika zusammen.“
Dieser Abfall beinhaltet Pestizide und Entlaubungsmittel (z.B. Agent Orange), Lösungsmittel, Petroleum, Blei, Quecksilber und, besonders schrecklich, abgereichertes Uran und nukleare Abfälle. Die Hinterlassenschaft des Militärs – in Irak, Afghanistan und Bosnien, wo wir vor kurzem Krieg geführt haben, auf der kleinen Insel Vieques vor der Küste von Puerto Rico, auf der die Marine der Vereinigten Staaten von Amerika über 60 Jahre lang Waffen getestet hat, und in der Wüste von Nevada und auf den Marshall-Inseln, wo wir unsere überirdischen Atomwaffenversuche durchgeführt haben – sind Krebs, Missgeburten und eine verwüstete Umwelt.
Und wofür das alles? „Nationale Verteidigung“ ist vielleicht die zynischste – und effektivste – Lüge in der Menschheitsgeschichte, die immer wieder die zitternde Gefolgschaft der breiten Masse gebietet, nahezu jede Handlung rechtfertigt, die Ressourcen des Planeten verschlingt und nie den versprochenen Frieden herbeiführt, sondern in Wirklichkeit nur die Bedingungen für den nächsten Krieg schafft. Wenig in der Welt von heute ist beunruhigender als die Tatsache, dass „Nationale Verteidigung“ noch immer die Politik und das Budget des Landes beherrscht – und die Hirne von viel zu vielen seiner Bürger.
Willkommen also in Keene, New Hampshire, einer Stadt mit 23.000 Einwohnern, die trotz ihrer niedrigen Kriminalitätsquote und allgemeinen Freundlichkeit Ende letzten Jahres einen „Panzer“ – eigentlich einen acht Tonnen schweren gepanzerten Bearcat-Personentransporter – für ihre Polizei bekommen sollte, dank einer Zuwendung von fast $300.000 vom Amt für Heimatlandsicherheit.
Als die Neuigkeit ihre Kreise zu ziehen begann, wandten sich die Stadtbewohner, anstatt sich mit der Sache zufrieden zu geben, an Bürgermeister und Stadtverwaltung und stellten die Notwendigkeit dieses Militärfahrzeugs (obwohl es „gratis“ war) nicht einfach in Frage, sondern brachten ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass die Militarisierung der Polizeiabteilung ihre Gemeinschaft beeinträchtigen könnte.
Eine Anti-Panzer-Petition erbrachte 500 Unterschriften, und früher in diesem Monat kamen über 100 Menschen, die meisten gegen den Panzer, zu einer Sitzung des Stadtrats, um ihre Meinung kundzutun, wie der Keene Sentinel berichtete.
„Dieses Fahrzeug trägt dazu bei, die Fortsetzung der Kultur des Kriegs in diesem Land zu fördern, und der Kongress wird damit fortfahren, die Kultur des Krieges zu verstärken, wenn wir nichts tun,“ sagte Terry Clark, das einzige Mitglied des Stadtrats, das gegen den Handel ist, wie im Sentinel zitiert. „Wollen wir in Keene eine militarisierte Polizeitruppe? Wir können die Initiative ergreifen und den Stadtrat auffordern, seine Entscheidung aufzuheben und den Mut zu haben, das zu tun, was der Kongress nicht tut.“
Im Gegensatz dazu wurde der Bearcat verteidigt vom Verkaufsmanager für den Regierungsbereich von Lenco, dem Hersteller des Fahrzeugs, wie in Huffington Post zitiert: „Ich denke nicht, dass es irgendeinen Ort in dem Land gibt, von dem man sagen kann: ‚das ist kein wahrscheinliches Ziel für Terroristen.’ ... Wenn eine Gruppe von Terroristen beschließt, ein Einkaufszentrum in einer Stadt wie Keene in die Luft zu jagen, würden Sie da nicht lieber vorbereitet sein?“
Die Einwohner haben bisher Nein gesagt zu den Angstmachern. Möge ihre Haltung uns allen den Mut geben, das Gleiche zu tun.
Übersetzt aus dem amerikanischem von Klaus Madersbacher und veröffentlicht auf seiner Webseite http://www.antikrieg.com