Ägypten – Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg

von Dieter Riebe

Der Westen, insbesondere die USA und die Länder Europas sind überrascht, weil einige arabische Völker am Mittelmeer den Aufstand „proben“, erst in Tunesien und jetzt sogar in Ägypten. Die Jahrzehnte währende Unterdrückung und Terrorisierung großer Teile der Bevölkerung, wie der Opposition haben sich ein Ventil gesucht. Sie zeigen den dortigen Machthabern, das das Volk durch friedliche Protestaktionen, insbesondere großer Demonstrationen, eine Änderung der politischen Wirklichkeit wollen. Das war vom Westen nicht erwartet worden, hatten es die arabischen Despotenstaaten, durch „harte Hand“, mit Zuckerbrot und Peitsche, durch Folter und Terror, doch immer geschafft ihre Bevölkerung oberflächlich ruhig zu halten.


Ägypten ist eine Pseudo-Demokratie und wird vom Präsidenten Mubarak, quasi als Alleinherrscher, seit 1981 mittels Notstandsgesetzen regiert. Ägypten ist ein Überwachungsstaat dessen Macht mittels der Armee, dem nicht zimperlichen Geheimdienst und loyalen Schlägertruppen sicher gestellt wird.

Der Westen unterstützt despotische Regime, weil wirtschaftliche Interessen schwerer wiegen als Menschenrechte. Sie sind viel zu Nachsichtig und üben sehr wenig Druck aus, um positive Änderungen für mehr Rechte für das Volk zu erreichen. Der Westen nimmt die Ungerechtigkeiten der despotischen Regierungen gegen die eigene Bevölkerung viel zu leichtfertig hin, weil es so einfacher ist und die Geschäfte so nicht behindert werden. Wurde nicht sogar unverhohlen eingeräumt, ein despotischer Staat ist allemal besser, als ein möglicher gerechter demokratischer islamischer Staat? Es muss aufhören das der Westen die demokratische Worthülsen von Pseudo-Demokratien, sowie Wahlfälschungen einfach hinnimmt. Man darf nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und die despotische Regierungen weiter, mit ihren Unterdrückungsaparat stützen, weil das gut für die Wirtschaft ist.

Eine Politik die fast nur wirtschaftliche Interessen vor Augen hat, ist inhuman. Eine Politik des Westen, die die Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung der einheimischen Bevölkerung von Ägypten als Nebensächlich betrachtet, nur um ihre Geschäfte ungestört von „äußerlichen“ politischen Einflüssen betreiben zu können, ist Menschenverachtend. Der Westen ist auf beiden Augen blind gegen der dort herrschenden Unterdrückung und muss sich nicht wundern, das die innenpolitische Situation in den betroffenen Ländern immer instabiler wird. Der Volkszorn baut sich erst langsam aber dann immer mehr stetig auf, bis ein Zustand erreicht ist, der das Fass zum überlaufen bringt. Wenn der einzelne Bürger berechtigte Angst haben muss, willkürlich durch kritische Äußerungen verhaftet und gar gefoltert zu werden und die Angst alle Bereiche des öffentlichen Lebens durchdrungen hat, dann wird es irgend wann egal wogegen man Angst hat. So spielt es irgend wann keine Rolle mehr ob man Angst vor der Staatsmacht allgemein hat, oder Angst hat auf die Straße zu gehen um bei verbotenen Demonstrationen mit zu machen, bei der auch Verhaftung und Folter droht. Eine Staatsmacht hat nur solange Macht über ein unterdrücktes Volk, solange es ihr gelingt das die Mehrheit ihre Unterdrückung erduldet.

Gibt es da nicht Parallelen mit den Demonstrationen wie wir sie 1989 in der früheren DDR erlebt haben. Hatte damals nicht auch ein Überwachungsstaat alle Lebensbereiche mit ihren Spionen, der Stasi, durchdrungen und gängelte die Bevölkerung? Sind nicht auch dort unsere Staatsbrüder ein hohes Wagnis eingegangen, als sie bei Massendemonstrationen auf die Straße gingen um ihren Unmut mit dem damals herrschenden SED-Regime Ausdruck zu verleihen? Waren es dort nicht die Kirchen die der Protestkultur ein Forum boten? Ist es da nicht verwunderlich, das die Moscheen genau die gleiche Aufgabe im arabischen Raum übernehmen. Die Moschee sind die einzige Orte, wo man sich in Ägypten ohne direkte Gefahr für Leib und Seele treffen und politisch austauschen kann. Man treibt die Unzufriedenen geradezu in die Arme der Religion, gar zu den Islamisten, weil jegliche andere Opposition mit Gewaltmethoden rigoros unterdrückt wird.

Ich muss sagen, ich kann mich immer noch darüber freuen, das es auf deutschen Boden eine wirklich friedliche Revolution gegeben hatte. Die SED-Führungsriege war besonnen und richtete kein Blutbad an. Sie akzeptierte zu guter Letzt den Willen des Volkes. Dies zeigt, das letztendlich auch Personen der Führungsriegen vereinzelt zu Einsicht kommen können, das Machterhalt keine exzessive Gewalt rechtfertigen darf.

Friede ist die Abwesenheit jeglicher Gewaltanwendung, vor allem der körperlichen Gewalt, der strukturellen Gewalt und der geistigen Gewalt. Wenn wir uns in der Friedensbewegung für den Frieden einsetzen, so bedeutet dies als erstes natürlich die grundsätzliche Bekämpfung aller Kriege, weil dies die destruktivste aller Gewalt darstellt. Im Krieg gibt es keine Gerechtigkeit, keine Achtung vor dem Menschen und der Natur. Im Krieg geht es immer darum, mit Waffengewalt irgend ein Ziel zu erreichen die die Politik vorgibt. Dazu bedienen sich die Regierungen der Lüge.

Die Friedensbewegung geht über die Bekämpfung der Kriege hinaus. Sie unterstützt jede freiheitliche Bewegung die auf Gewaltlosigkeit basiert. So können wir es nur gut heißen, das die arabische Bevölkerung für ihre Rechte friedlich eintritt. Wer weiß, vielleicht gelingt es der Bevölkerung eine Revolution zum Guten hervor zu bringen. Ich wünsche es Ihnen.

Das ostdeutsche Volk hat es vorgemacht. Es gibt also gute Hoffnung zum besseren.