Amtsgericht Cochem verhandelt erneut über einen atomwaffenkritischen Aufruf

von Roland Blach (DFG-VK Landesverband Baden-Württemberg)

Das Amtsgericht Cochem verhandelt am Montag, 29.02.2016, 09:00 Uhr (Ravenestr. 39, Cochem, Sitzungssaal 100), erneut über die Strafbarkeit von atomwaffenkritischen Flugblättern zum Geheimnisverrat.

Hintergrund dafür sind Flugblattaktionen des Heidelberger Atomwaffengegners Hermann Theisen, der auch Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) ist. Mit den Flugblättern hat er wiederholt Soldaten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 (Büchel) dazu aufgefordert, die Zivilgesellschaft über die Hintergründe der geplanten Aufrüstung jener Atomwaffen zu informieren, die auf dem Fliegerhorst Büchel stationiert sind. Bereits im September 2015 wurde er daraufhin vom Amtsgericht Cochem zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro verurteilt (2090 Js 45215/14), da er zum Verrat von Dienstgeheimnissen aufgefordert habe (§§ 111, 353b StGB). Nun hat die Staatsanwaltschaft Koblenz Theisen erneut angeklagt, nachdem es zu weiteren Strafanzeigen wegen der Flugblätter gekommen ist.

Wie das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe (8/20.2.2016) berichtet, wurde Theisen auch von dem früheren Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33, Oberst Andreas Korb, angezeigt, der in den Flugblättern eine „neue rechtliche Qualität“ sah. Nachdem Theisen beantragte, Oberst Korb als Zeugen zu laden, wurde dies von Generalleutnant Karl Müllner (Inspekteur der Luftwaffe) abgelehnt. In seinem Schreiben an das Amtsgericht Cochem erklärte Müllner, dass er keine Aussagegenehmigung erteilen könne: „Da jedoch die Frage der Stationierung von Waffen auf dem Fliegerhorst Büchel der Geheimhaltung unterliegt, kann ich eine solche Aussagegenehmigung nicht erteilen.“

Das Strafverfahren weist noch insoweit eine Besonderheit auf, als inzwischen Oberstaatsanwalt Schmengler (Staatsanwaltschaft Koblenz) und Oberstaatsanwalt Greven (Bundesanwaltschaft) eine Strafbarkeit der Flugblätter verneint hat. Staatsanwältin Lehmler (Staatsanwaltschaft Koblenz), die Theisen nun erneut anklagte und inzwischen bereits eine weitere Anklage angekündigt hat, erklärte auf Nachfrage zur Einstellungsverfügung ihres Kollegen Schmengler lapidar: „Das Verfahren 2090 Js 53680/15 wurde nicht von mir bearbeitet. Die Entscheidung bindet mich nicht.“

Für Theisen ist das inflationär anmutende Anklageverhalten der Staatsanwaltschaft Koblenz nicht nachvollziehbar, er erklärt hierzu: „Die Zivilgesellschaft hat ein Anrecht auf einen emanzipatorischen Zugang zu den Hintergrundinformationen von politischen Sachverhalten, die das gesellschaftliche Gemeinwohl in existentieller Weise berühren und bedrohen.  Die Nukleare Teilhabe der Bundeswehr ist ein solcher Sachverhalt“, so Theisen, weshalb seine Flugblattaktionen auch nicht strafbar seien.

Roland Blach, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Baden-Württemberg und Koordinator der Kampagne „Büchel ist überall. atomwaffenfrei.jetzt“ erklärt hierzu: „Ein Trauerspiel von Politik und Militär. Seit Jahren ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass in der Eifel Atomwaffen lagern und im Zuge eines milliardenschweren Programms aufgerüstet werden sollen. Das ist das Verdienst jahrelangen beharrlichen Engagements von Friedenaktivisten. Hermann Theisen gehört deswegen endlich freigesprochen. Auf den Tag genau sechs Jahre nach dem Bundestagsbeschluss zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland startet am 26. März unsere neue Kampagne mit dem Ziel den Stopp der atomaren Aufrüstung zu verhindern, den Abzug der Atomwaffen zu vollziehen und Atomwaffen zu verbieten“.