Wohin steuert Palästina?

von Clemens Ronnefeldt

Der jüngste Gazakrieg im November 2012, der mehr als 160 Todesopfer auf palästinensischer und fünf auf israelischer Seite forderte, hat die Hamas gestärkt - die Fatah dagegen geschwächt.

Seit dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 drifteten beide palästinensische Lager immer stärker auseinander und bauten jeweils eigene Sicherheitsapparate auf, die nur von ihnen selbst kontrolliert werden. Fatah-Mitglieder verfolgten und töteten Hamas-Mitglieder in der Westbank, Hamas-Mitglieder verfolgten und töteten Fatah-Mitglieder im Gazastreifen.

Eine palästinensische Nationalinitiative unter Leitung des Arztes Dr. Mustafa Barghouti versuchte, beide Lager wieder einander anzunähern. Die Fatah wurde bei den jüngsten Versöhnungsgesprächen mit der Hamas Ende des Jahres 2012 von Abdallah Al-Frangi vertreten, dem langjährigen höchsten diplomatischen Vertreter der Palästinenser in Deutschland.


Im Januar 2013 trafen sich Präsident Mahmud Abbas (Fatah) und der Hamas-Politbüro-Chef Khaled Meschal, der seinen Wohnsitz von Damaskus nach Kairo verlegt und trotz scharfer Kritik aus Teheran mit Präsident Assad gebrochen hat, zusammen mit Ägyptens Präsident Muhammad Mursi, um den im Mai 2011 begonnenen Versöhnungsprozess zwischen Hamas und Fatah voran zu bringen. Seit der offiziellen Unterzeichnung des Versöhnungsabkommens im Mai 2011 haben sich beide Seiten kaum angenähert. Während Mursis Vorgänger Hosni Mubarak der Fatah näherstand, liegen die Sympathien des aktuellen ägyptischen Präsidenten stärker auf Seiten der Hamas, die aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen ist.

Themen dieses Treffens waren unter anderem die Bildung einer gemeinsamen Technokraten-Regierung sowie die bereits für 2012 vorgesehenen palästinensischen Parlamentswahlen in der Westbank wie auch im Gazastreifen, die bisher nicht durchgeführt werden konnten. Sowohl der Gazakrieg im November 2012 als auch die Aufwertung Palästinas in der UN-Vollversammlung haben beide palästinensischen Lager wieder einander näher gebracht.

Zur Situation der Fatah nach dem Wahlsieg der Hamas 2006

Viel gegeben, nichts bekommen. Die Veröffentlichung von Geheimunterlagen kostet Palästinenser-Chef Abbas den letzten Kredit, titelte die Süddeutsche Zeitung am 25.1.2011. In den sogenannten Palästina-Papieren, rund 1 600 Geheimunterlagen über Friedensverhandlungen zwischen israelischer und palästinensischer Regierung, die von Al-Dschasira und dem britischen Guardian veröffentlicht worden waren, war Erstaunliches  zu lesen: So akzeptierte sie (Anm.: C.R.: die Regierung Abbas) den Siedlungsbau in Ost-Jerusalem fast vollständig. Sie wollte in der Frage der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge nachgeben. Sie befürwortete eine enge Zusammenarbeit der palästinensischen Sicherheitskräfte mit den Israelis. Und sie sagte gemeinsame Aktivitäten mit ausländischen Geheimdiensten zu, um die in Gaza regierende Islamisten-Partei Hamas zu zerschlagen. Selbst über den bevorstehenden Krieg 2008 und 2009, bei dem rund 1200 Menschen starben, sollen Abbas und seine Leute vorab Bescheid gewusst haben (SZ, 25.1.2011). Verbunden waren die palästinensischen Zusagen zur Akzeptanz jüdischer Siedlungen mit der Forderung nach Gebietsabtretungen Israels mit dem Ziel einer palästinensischen Gebietserweiterung.

Sowohl für Präsident Abbas wie auch für Premierminister Salam Fayyad war diese Veröffentlichung ein politischer Super-GAU. Für die von israelischer Seite in Ostjerusalem aus ihren Häusern vertriebenen Palästinenser erschien die Regierung Abbas als Verräter, die ihre Zustimmung zur Vertreibung gegeben hatte.

Äußert fraglich bleibt, ob Präsident Abbas und Premierminister Fayyad diese weitreichenden Zugeständnisse gegenüber der palästinensischen Bevölkerung hätten durchsetzen können.

Als undichte Stelle, die die Papiere an die Presse weiter gereicht haben könnte, wurde recht bald Mohammed Dahlan verdächtigt, ein zunächst potentieller Nachfolger von Abbas, der bis 2007 die Fatah-Sicherheitskräfte im Gazastreifen befehligte. Er hatte 2007 mit Hilfe der US-Regierung einen Plan entworfen, die Hamas-Regierungsvertreter im Gazastreifen mit Gewalt zu entmachten
(SZ, 25.1.2011).

Welch hohes Risiko dabei auch die israelische Regierung bereit war, für die Beseitigung der demokratisch gewählten Hamas von der Macht im Gazastreifen in Kauf zu nehmen, zeigte ein Interview im US-Magazin Vanity Fair mit Mohammed Dahlan, über das die Süddeutsche Zeitung am 7.3.2008 berichtete: In dem Gespräch behauptet der Mann, der sich schon früh bester Kontakte in die USA rühmte, die Regierung von George W. Bush habe seine Truppe aufgerüstet, um einen palästinensischen Bürgerkrieg zu provozieren. Nur leider habe sich die Strategie als Bumerang erwiesen, weil nicht die Fatah, sondern die Hamas bei diesem Kampf schließlich siegte in Gaza. Es ist kein Geheimnis, dass die Regierung in Washington den Sicherheitskräften der Fatah Geld für Waffen und Training zukommen ließ. Das US-Magazin aber behauptet nun, ein Teil der Mittel sei wegen der Widerstände im amerikanischen Kongress auf Umwegen geflossen - über arabische Staaten. Im Dezember 2006 passierten demnach vier ägyptische Lastwagen die von Israel kontrollierte Grenze zum Gaza-Streifen. Die Fracht: 20 000 ägyptische Gewehre und reichlich Munition für Dahlans Leute von der Fatah. Interessant daran ist auch: Waffenlieferungen nach Gaza mussten von Israel genehmigt werden. So weit die Süddeutsche Zeitung, die den Artikel betitelte: Feinde schaffen mit Waffen.

Nach dem Scheitern des Waffeneinfuhr-Unternehmens musste Fatah-Sicherheitschef Dahlan mit seinen Mitarbeitern schnellst möglich vor der Hamas aus dem Gazastreifen fliehen und ließ sich in Kairo nieder. Nachdem Mohammed Dahlan den palästinensischen Präsidenten Abbas der Korruptheit bezichtigt hatte und ihn wegen der erfolglosen Friedenshandlungen mit der israelischen Regierung kritisierte, entzog Abbas seinem Kritiker dessen Leibwächter und drohte ihm eine Haftstrafe an.

Eine jüngere Fraktion innerhalb der Fatah, die Abbas schon länger los werden möchte, sah nach der Veröffentlichung der Palästina-Papiere die Chancen für das Gelingen eines Generationswechsels und den Sturz von Abbas steigen.

Im März 2013 versuchte Mahmud Abbas, Ministerpräsident Salam Fayyad wegen heftiger Konflikte zu entlassen und Wirtschaftswissenschaftler Mohammad Mustafa mit der Bildung  einer neuen Regierung zu beauftragen. Die Konflikte zwischen Abbas und Fayyad eskalierten, als Fayyad seinen Finanzminister Nabil Kassis während einer Auslandsreise von Mahmud Abbas aus dem Amt entließ (1). Fayyad könnte ein möglicher Nachfolger von Abbas werden und hat Ende März 2013 erstmals öffentlich seine Bereitschaft zur Kandidatur bei den nächsten Präsidentsschaftswahlen erklärt.

Am meisten profitierte die Hamas von der Veröffentlichung der Palästina-Papiere. Sie konnte sich als Vertreterin der wahren Interessen des palästinensischen Volkes präsentieren.

Zur Situation der Hamas nach ihrem Wahlsieg 2006


Nach dem Hamas-Wahlsieg 2006 verzögerte die Fatah-Führung zunächst die Übertragung von Regierungsgewalten an die Hamas, ein Jahr später hatte die Hamas den Machtkampf gewonnen.

Rudolph Chimelli schrieb in der SZ, 24./25. Dezember 2012: Die Hamas baut Moscheen, verbessert die Gesundheitsversorgung, bekämpft erfolgreich Kriminalität, Korruption und 'Auswüchse westlicher Lebensart'. Alkohol gibt es nicht mehr. Umgekehrt wurden die Hamas-Mitglieder des PNA-Kabinetts (PNA: Palästinensische National Autonomie, Anm.: C.R.) in Ramallah entlassen. So war die Zweistaatenlösung für den Palästinakonflikt nicht gedacht. Fatah-Vertreter sehen die Bilanz der Hamas weniger positiv, vor allem, was die Korruption im Gazastreifen betrifft.

Ende Oktober 2012 - kurz vor dem 8-Tage-Krieg im November - besuchte der Emir von Katar den Gazastreifen und versprach 450 Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau. Für die Hamas und deren Präsident Isamail Hanije war dieser erste Besuch eines ausländischen Staatschefs ein großer diplomatischer Erfolg - verbunden mit der faktischen Anerkennung der Hamas-Regierung. Um Ramallah, Abbas und die Fatah machte der Emir einen Bogen und besuchte diese nicht.

Nach dem 8-Tage-November-2012-Krieg bezeichneten sich sowohl die israelische Regierung als auch die Hamas als Gewinner. Durch Vermittlung Ägyptens und der US-Regierung wurde eine Bodentruppen-Invasion abgewendet, im Waffenstillstandsabkommen konnte die Hamas einige Erleichterungen bei der Öffnung der Grenzen durchsetzen, die israelische Seeblockade wurde ebenfalls gelockert. Statt zuvor drei Meilen dürfen die palästinensischen Fischer nun sechs Meilen aufs Meer hinausfahren - im Oslo-Friedensabkommen waren eigentlich einmal 20 Meilen vereinbart, die jedoch seither mehrfach von israelischer Seite reduziert wurden.

Durch den jüngsten Krieg entfachte im Gazastreifen neuer Hass auf die derzeitige rechtsgerichtete israelische Regierung, der sich auch in scharfen Reden von Khaled Meschal und Isamail Hanije ausdrückte.

Mit Beginn des neuen Schuljahres wurde an 16 Schulen des Gazastreifens ein neues Unterrichtsfach eingeführt: Hebräisch. Die für die Einführung der neuen Fremdsprache zuständige Direktorin im Erziehungsministerium in Gaza-Stadt, Somaya al-Nachala, äußerte sich so: 'Es weiß ja keiner, was die Zukunft bringt', meint sie. 'Wir sind so nah und so verbunden, und die Sprache macht es einfacher zu kommunizieren' (SZ, 15.2.2013).


Anknüpfungspunkte und Voraussetzungen für mögliche Friedensverhandlungen

Im November 2012 stimmten 139 Staaten für die Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat, 9 Länder stimmten mit Nein, 41 enthielten sich. Zuvor hatte Hamas-Führer Kahled Meschal Palästinenserpräsident Mahmud Abbas seine Zustimmung zur Antragstellung mit auf den Weg gegeben. Nach dem Abstimmungserfolg gab es Freudenkundgebungen in vielen palästinensischen Städten, in Ramallah feierten Hamas-Vertreter auf einer PLO-Kundgebung mit. Das Fatah-Führungsmitglied Schibril Radschub, ehemaliger Geheimdienstchef, sah im diplomatischen Anerkennungserfolg einen wichtigen Schritt zur inneren Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas.

Bezüglich der Palästina-Papiere überraschte am 26. Januar 2011 die Süddeutsche Zeitung mit der Überschrift: Fast Frieden. Geheime Dokumente zeigen, wie nahe Israelis und Palästinenser vor zweieinhalb Jahren einer Lösung ihres Konfliktes waren.

An den Verhandlungen beteiligt waren die damalige israelische Außenministerin Tzipi Livni und der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat: Inhaltlich zeigen die Papiere, wie in all den bis heute umkämpften Kernfragen des Konflikts damals schon recht konkrete Lösungsvorschläge auf dem Tisch lagen. Bei der Aufteilung Jerusalems sollen die Palästinenser demnach nicht nur einer Abtretung der meisten östlichen Stadtgebiete, in denen rund 200 000 Juden angesiedelt wurden, zugestimmt haben. Auch Vorschläge zur Aufteilung der Altstadt wurden vorgelegt. Die Israelis sollten das jüdische Viertel mit dem Zugang zur Klagemauer sowie Teile des armenischen Viertels bekommen, für den Tempelberg wurde eine vorübergehende internationale Kontrolle ins Spiel gebracht. Beim Rückkehrrecht für Flüchtlinge ging der Streit nicht mehr ums Prinzip, sondern nur noch um die Zahlen. Abbas soll eingeräumt haben, dass man von Israel nicht die Aufnahme von einer Million Flüchtlinge erwarten könne, denn dies würde 'das Ende Israels bedeuten'. In einem als privat deklarierten Gespräch sollen Unterhändler sich sogar mit einem Rückkehrrecht für lediglich 10 000 Flüchtlinge samt ihrer Familien zufrieden gegeben haben. (...) Bei aller Kompromisssuche blieben jedoch den Dokumenten zufolge auch damals Streitfragen offen. Die Palästinenser sollen darauf beharrt haben, dass zwei große Siedlungen - Maale Adumin und Ariel - nicht ins israelische Staatsgebiet einbezogen werden dürfen. Die Bewohner könnten allerdings dort bleiben und unter einer palästinensischen Regierung leben. Livni wies das zurück mit dem Argument, sie würden 'am nächsten Tag getötet'. Sie schlug bei anderer Gelegenheit einen Gebietstausch vor, bei dem vier grenznahe Gemeinden mit arabischer Bevölkerung von Israel in den künftigen Palästinenserstaat wechseln könnten. Das lehnten die Palästinenser mit den Worten ab: 'Alle Araber werden gegen uns sein'. Angesichts der damals offenbar weitreichenden palästinensischen Zugeständnisse wird in Israel nun bereits über eine verpasste Friedenschance debattiert. Unter der heutigen rechtsnationalen Regierung von Premier Benjamin Netanjahu haben sich die Parteien wieder weit voneinander entfernt. Die Veröffentlichung der Dokumente dürfte es Palästinenserpräsident Abbas indes noch schwerer machen, wieder auf Israel zuzugehen. So weit Peter Münch in seinem SZ-Artikel vom 26.1.2011.

Aus den Wahlen in Israel vom Januar 2013 ging Benjamin Netanjahu geschwächt hervor. Tzipi Livni hatte als einzige relevante politische Größe das Thema Friedensverhandlungen mit den Palästinensern zum Wahlkampfthema gemacht. Benjamin Netanjahu hat im Februar 2013 Tzipi Livni als erste Koalitionspartnerin gewonnen. Beide legten ein Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung des Konflikts mit den Palästinensern ab. Livni soll das Justizministerium und die Federführung bei möglichen neuen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern übernehmen, so die SZ am 20.2.2013. Wie das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung mit dem weiter gehenden Siedlungsbau zu vereinbaren ist, vor allem auch mit dem E-1-Projekt, das als neues Siedlungsprojekt auf der Linie Jerusalem-Jericho das Westjordanland zerteilt und damit endgültig ein zusammenhängendes Palästina zumindest auf der Westbank-Fläche verhindert, bleibt wohl das offene Geheimnis der israelischen Regierung.

Die als Taube unter den Kabinetts-Mitgliedern geltende Tzipi Livni steht angesichts der derzeitigen Ministerriege in Israel vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe. Ein Anknüpfen an die von Tzipi Livni geführten Verhandlungen mit dem palästinensischen Chefunterhändler Saeb Erekat wird vermutlich nur gelingen, wenn der Druck seitens der EU-Staaten auf die Konfliktparteien erheblich zunimmt.

Inge Günther, Nahost-Korrespondentin, schrieb in der Badischen Zeitung am 28.12.2012 unter der Überschrift: In Palästina macht sich Ernüchterung breit: Je länger der Westen dabei zuschaut, desto mehr wächst die Gefahr einer Eskalation. Manche der Warnungen, die Westbank stehe kurz vor einer dritten Intifada, klingen zwar hysterisch. Die meisten Palästinenser sind daran interessiert, über die Runden zu kommen, ihren Kindern eine Ausbildung zu verschaffen, eine Zukunft. Aber dazu gehört eine politische Perspektive. Die ist nicht in Sicht.

Noch immer sitzen mehr als 4700 Palästinenserinnen und Palästinenser in israelischen Gefängnissen, viele von ihnen befinden sich aktuell in einem Hungerstreik. Die Zahl der Administrativ-Häftlinge, gegen die keine Anklage vorliegt und deren Haftzeit immer wieder ohne Grund verlängert wird, hat sich von 204 Personen im Jahre 2010 auf 307 Personen im Jahr 2011 erhöht, 2012 fiel sie auf 178 Personen. Die Zahl der Häuserzerstörungen stieg von 108 im Jahre 2010 auf 176 im Jahre 2011, für das Jahr 2012 liegen noch keine endgültigen Angaben vor (Angaben nach: www.btselem.org).

Umso wichtiger wäre gerade jetzt, dass von außen neue Impulse kommen, die den beiden verfeindeten Lagern neue Sichten und neue Perspektiven weisen - und auch neue Anstöße aus Israel selbst.

Der orthodoxe jüdische Nahostexperte Gershon Gorenberg, der u.a. für das New York Times Magazin und Haaretz schreibt, beendet sein neuestes Buch Israel schafft sich ab (Frankfurt 2012) mit den Sätzen: Die größte Verantwortung jedoch fällt natürlich den Israelis selbst zu, uns, die wir hier leben. Die Geschichte ist kein unvermeidlicher Prozess der Erlösung oder des Verfalls. Sie steht nicht im Vorhinein fest. Tatsächlich wird selbst die Vergangenheit ständig umgeschrieben. Die Entscheidungen, die Israel heute trifft, werden bestimmen, ob seine Anfänge als Geburt eines gescheiterten Staates oder einer erfolgreichen Demokratie in Erinnerung behalten werden. Die Veränderungen, die ich beschrieben habe - die Beendigung der Besatzung, die Garantie voller Gleichheit, die Trennung von Staat und Synagoge -, erfordern eine viel kleinere Revolution als die Gründung des Staates. Sie sind nicht nur möglich, sondern für Israels Zukunft von entscheidender Bedeutung. Wir können Israel erlauben, mit seiner Selbstdemontage fortzufahren, oder wir können uns dafür entscheiden, es neu zu gründen.

Präsident Barack Obama hat Israel bei seinem ersten Besuch im März 2013 ewigen Beistand der USA zugesagt. Er vermied bewusst eine Rede in der Knesset und wandte sich statt dessen lieber an die junge Generation in Israel, der er einen Blick auf das Schicksal der palästinensischen Seite empfahl. Während er bei seiner Kairo-Rede 2009 noch den Siedlungsbau kritisierte, der eine Zweistaatenlösung verhindert, äußerte er sich bei seinem Israelbesuch zumindest in den offiziellen Gesprächen und Verlautbarungen nicht zum Thema Siedlungen.

Diese von palästinensischer Seite als Parteinahme für Israel empfundene Haltung des US-Präsidenten, der kein ehrlicher Makler zwischen den Nahostkonfliktparteien war und vermutlich auch in Zukunft nicht sein kann, ruft geradezu nach einem stärkeren Engagement der Europäischen Union.

Am 11. März 2013 forderten in einem Brief an die EU-Außenministerin Catherine Ashton 23 Abgeordnete des Europäischen Parlaments, das EU-Israel-Assoziierungsabkommen zumindest teilweise auszusetzen, sofern sich die israelische Regierung nicht an dessen Artikel 2, die Respektierung demokratischer Grundprinzipien und der Menschenrechte, hält.

Dieser Brief, der auch an die Europäische Kommission für Internationalen Handel ging, bräuchte noch mehr Unterschriften und Nachdruck durch weitere Aktionen, um von EU-Seite die neuen Chancen von außen zu nutzen, die durch die Untätigkeit des US-Präsidenten im Hinblick auf die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen entstanden sind (2)

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1)http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2013/03/fayyad-stay-leave.html?utm_source=&utm_medium=email&utm_campaign=6706

2) http://www.marietjeschaake.eu/2013/03/press-release-mep-schaake-eu-should-use-association-agreement-to-end-israeli-settlement-activity/

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes