Zusammenstellungen zum Israel-Iran-Konflikt

von Siegfried Ullmann

Liebe Friedensfreunde, Nahost-Interessierte und Israel-Unterstützer,

 

in meinem vorherigen Artikel hatte ich die verfälschten Aussagen des iranischen Ministerpräsidenten Ahmadinedschad, die immer wieder zur Rechtfertigung eines israelischen Angriffs auf den Iran verwendet werden, angesprochen. Daraufhin erhielt ich den beigefügten Artikel "Ahmadinedschad und die Sache mit der Landkarte", in dem der richtige Wortlaut des Zitats und der Zusammenhang seiner Entstehung dargestellt wird. Entsprechend der amtlichen Übersetzung des Deutschen Bundestages hat Ahmadinedschad gesagt, „das Regime, das Jerusalem besetzt hält, müsse aus den Analen der Geschichte getilgt werden“ – so wie die Regimes des Schah, der Sowjetunion und Saddams (s. auch Bericht von Jürgen Todenhöfer -  „Auf der Suche nach der Bombe“.


Aber nun soll auch der dritte Golfkrieg mit Lügen vorbereitet und gerechtfertigt werden. Unsere Politiker und Journalisten (letztere die Paul Craig Roberts "Pressehuren" nannte), müssten doch den richtigen Wortlaut kennen. Allem Anschein nach wird hier vorsätzlich gelogen. Angeblich ist gemäß deutschem Pressekodex "die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit" oberstes Gebot der Presse, aber die Realität sieht überwiegend anders aus.

 

Günter Grass wurde vorgeworfen, er habe übertrieben, als er von der Vernichtung des Irans durch Atomwaffen schrieb. Wie in dem o.a. Artikel beschrieben wird, hat der israelische Historiker Benny Morris am 12. Mai 2008 erklärt, dass die letzte Chance gegen den Iran der Einsatz israelischer Atomwaffen sei. Und die jetzige US-Außenministerin Hillary Clinton hatte am 22. April 2008 verkündet, die USA würden den Iran "total ausradieren", wenn die Iraner "so töricht sein sollten, Israel anzugreifen.“

 

Sie finden zwei außerordentlich wichtige und interessante Informationen zum Iran und zu Israel in dem Rundbrief des Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes, mit einem Auszug aus dem Buch des Nahost-Experten Dr. Michael Lüders „Iran: Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt“ und

dem Essay der Elisabeth Kiderlen: „Nie wieder wehrlos. Israel und Iran haben überraschend viel gemeinsam.“

 

Bemerkenswert ist auch der beigefügte Brief an den israelischen Botschafter (Anlage 1), in dem dieser zu einer Stellungnahme zu den beschriebenen Tatsachen gebeten wird. Der umfangreiche Brief blieb aber bislang unbeantwortet.

 

Gemäß UN-Resolution 267 wurde Israel aufgefordert, sich aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückzuziehen - seit 1967! Israel ignoriert das einfach. Wenn es sich um einen anderen Staat handeln würde, hätte man längst Sanktionen verhängt oder sogar die kriegerische Befreiung des völkerrechtswidrig besetzten Gebietes beschlossen und durchgesetzt, wie nach der Besetzung und Annektierung Kuwaits durch den Irak unter Saddam Hussein. Es kommt also nicht darauf an, was getan wird, sondern wer es tut.

 

Der Israeli Uri Avnery schreibt in seinem Kommentar vom 26.4.2012 "Bekenntnis eines Optimisten" zur Lage in Israel: "Das Apartheid-Regime, das längst in den besetzten palästinensischen Gebieten errichtet wurde, breitet sich in Israel aus. In ein paar Jahren werden wir eine vollkommene Apartheid im ganzen Land vom Mittelmeer bis zum Jordan haben mit einer jüdischen Minderheit, die über eine arabisch-palästinensische Mehrheit herrscht. ... Die demokratischen Grundlagen der "einzigen Demokratie im Nahen Osten" wanken. Der Oberste Gerichtshof steht unter Dauerbelagerung einer Bande von Halb-Faschisten, die sich in unserer Regierung einnisten, die Knesset ist zu einer traurigen Karikatur eines Parlamentes geworden, die freien TV- und gedruckten Medien werden langsam aber sicher gleich geschaltet." -  Aber wenn hier Sigmar Gabriel, von der Apartheid in den Palästinensergebieten spricht oder Günter Grass von Gleichschaltung der Medien schreibt, dann fällt - angeführt von Broder und Giordano - die Meute der "mietbaren Zwerge" und drittklassigen Politiker über sie her und erschlägt sie - und die Meinungsfreiheit - mit der Antisemitismuskeule.

 

In Israel hat der frühere Chef des Geheimdienstes (Mossad) Meir Dagan vor einem Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen gewarnt: "Dies ist die dümmste Idee, die ich je in meinem Leben gehört habe." Und der kürzlich in den Ruhestand getretene Leiter des anderen Geheimdienstes Shin Bet, Yuval Diskin, erklärte, daß Israel von zwei inkompetenten Politikern, Netanjahu und Barak, mit messianischen Illusionen und wenig Verständnis für Realität geführt wird. Ihr Plan, den Iran anzugreifen, führe zu einer weltweiten Katastrophe. Es würde nicht nur misslingen, die Produktion einer iranischen Atombombe zu verhindern, sondern sogar das Gegenteil bewirken. Außerdem würde Netanjahu Friedensverhandlungen mit den Palästinensern verhindern und damit eine historische Gelegenheit verpassen und eine Katastrophe über Israel bringen. Die derzeitigen Chefs von Mossad und Shin Bet sowie der militärische Stabschef und seine Vorgänger der letzten Zeit erklärten darauf hin, dass sie die Ansichten der beiden über den Iran teilen.

 

Natürlich gab es dann einen Gegenangriff der Politiker und der Medienschreiberlinge nach dem bekannten Muster, wie es auch bei uns zum Beispiel gegenüber Günter Grass angewendet wurde: "So gut wie keiner versuchte, die Behauptungen der Offiziere zu widerlegen, weder in Bezug auf den vorgeschlagenen Angriff auf den Iran noch in Bezug auf das Palästinenserproblem. Sie konzentrierten sich auf die Sprecher, nicht auf das, was gesagt wurde." , schreibt Uri Avnery in seinem Kommentar vom 5. Mai 2012.

 

Es ist richtig, dass unser Bundespräsident Gauck seine Reise in die Ukraine abgesagt hat. Aber in Israel befinden sich noch viel mehr Menschen, die für ihre Freiheitsrechte eintreten, in den Gefängnissen, davon 320 ohne Anklagen, Gerichtsverhandlungen und Verurteilungen (sogenannte Verwaltungshaft) oder von Militärgerichten ohne rechtsstaatliche Verfahren verurteilt, wie der Palästinenserführer Dr. Marvan Barghouti. Wenn, wie der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sagte, Gaucks Entscheidung Maßstäbe setze, dann sollte Gauck auch seine geplante Israel-Reise absagen und der Baden-Württembergische Ministerpräsident Kretschmann seine Reisepläne nicht nur aufschieben, sondern streichen. Oder gelten da wieder einmal andere Maßstäbe?

 

In israelischen Gefängnissen befinden sich rund 1000 Palästinenser (von rund 4000) im Hungerstreik, eine Reihe von ihnen bereits im Krankenhaus ans Bett gefesselt, palästinensische Olivenbauern bei Salfit sollen 1200 ihrer eigenen Olivenbäume abholzen, in Beit Jala bei Bethlehem wurde ein Restaurant abgerissen, gewaltfreie Demonstrationen gegen die illegale Mauer werden mit militärischer Gewalt unterdrückt, im Gazastreifen leidet die Bevölkerung unter Bombardements sowie unter Strom- und Wassermangel, aber unsere Regierung kümmert sich nur um eine Person in der Ukraine und einen Mann in China. Die grausamen Menschenrechtsverletzungen in Palästina werden hingegen nicht wahrgenommen, schreibt eine engagierte Menschenrechtsaktivistin.

 

Beigefügt, (Anlage 2) ist der erschütternde Bericht des Israelis Amos Gvirts: "Wie haben jüdische Siedler in den südlichen Hebroner Bergen Passah gefeiert?" Wenn maskierte Siedler nicht nur palästinensische Männer, Frauen und Kinder sondern auch internationale Helfer überfallen und durch Steinwürfe verletzen, schreiten weder die israelische Polizei noch das israelische Militär ein. Aber wenn palästinensische Kinder auch nur einen Stein gegen einen israelischen Panzer werfen oder dessen nur verdächtigt werden, werden sie ins Gefängnis geworfen, in Ketten einem Militärrichter vorgeführt und zu einer Haftstrafe verurteilt. Und da redet unser Außenminister Westerwelle von der Wertegemeinschaft mit Israel, einem angeblichen Rechtsstaat. Tatsächlich benutzt die israelische Regierung die verbrecherischen Siedler zur brutalen Vertreibung der Palästinenser. Ist es da nicht verwunderlich, dass der jüdische Intellektuelle Erich Fried hier Parallelen zur SA und SS sah?

 

Der Film "Gelobtes Land" des englischen Regisseurs Peter Kosminsky, der aus einer jüdischen Familie stammt, hat natürlich nicht die Zustimmung der Israel-Lobby gefunden. Es ist kein Dokumentarfilm, aber er zeigt die historischen und derzeitigen Geschehnisse auf sehr realistische Weise, wie die Steinwürfe junger Siedler auf palästinensische Schulkinder in Hebron unter den Augen israelischer Soldaten.

 

Einer der seltenen lesenswerten Kommentare stand in der ZEIT vom 12. April 2012: "Ein Traum wird vertagt - Israel gefährdet seine Demokratie durch  die Politik der Besatzung  und Besiedlung", ein Essay von David Remnick, Chefredakteur des Magazins "The New Yorker". Er verweist darin auch auf Peter Beinat's Buch "Die Krise des Zionismus".  Beinat sei "nur der jüngste in der Reihe von Kritikern, die darauf hinweisen, daß sich in der jüdischen Bevölkerung im Westjordanland eine zutiefst demokratiefeindliche, sogar rassistische politische Kultur ausgebreitet hat, die das israelische Kernland gefährdet. Die explosionsartige Ausweitung der jüdischen Siedlungen, von Arbeitspartei- wie Likud-Regierungen vorangetrieben und subventioniert, hat eine große und mittlerweile eingesessene Ethnokratie geschaffen, die sich selbst als dauerhafter Vorposten versteht. ... Zu ihnen gehören Leute wie Avigdor Lieberman, Israels rabiat ausländerfeindlicher Außenminister." Die rechtsextremen, rassistischen und fundamentalistisch-religiösen Parteien, die die israelische Regierung bilden, wären in Deutschland verboten.

 

In den Supermärkten, z.B. bei ALDI und EDEKA werden wieder Möhren, Frühkartoffeln, Früchte  und andere Erzeugnisse aus Israel angeboten. Dabei ist nicht erkennbar, ob die Erzeugnisse aus den besetzten palästinensischen Gebieten stammen, was gegen EU-Recht verstößt. Aber auch innerhalb Israels werden die Agrarprodukte mit gestohlenem Wasser aus dem Westjordanland erzeugt. Deshalb sollten Produkte mit der Herkunft "Israel" boykottiert werden. Wie im Deutschlandradio zu hören war, verweigert die britische Handelskette COOP den Import von Obst und Gemüse aus Israel, so lange Israel die Handelsabkommen mit der EU unterläuft und Produkte aus Siedlungen nach Europa ausführe.

 

Es heißt also nicht "Kauft nicht bei Juden", sondern kauft nicht von Land- und Wasserräubern, weil Ihr sonst zu mitschuldigen Hehlern werdet! Auch jüdische Friedensaktivisten fordern einen generellen Boykott israelischer Waren, damit Druck auf Israel ausgeübt wird, so lange es seine völkerrechts- und menschenrechtswidrige Politik fortsetzt.

 


Anlage 1:

S. E. Yaacov Hadas-Handelsman                                       Eppstein, den 30. März 2012

Botschafter des Staates Israel
Auguste-Viktoria-Str. 74
14193 Berlin


Sehr geehrte Damen und Herren,

wie in meinen vorangegangenen drei Schreiben an die Botschaft möchte ich auch in diesem Brief verschiedene Meldungen zum israelisch-palästinensischen Konflikt zum Anlass nehmen, die Botschaft um Bestätigung oder Richtigstellung der jeweiligen Inhalte zu bitten. Auch in diesem Fall werde ich wegen des allgemein großen Interesses an dieser Thematik mein Schreiben einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Der aktuelle Brief bezieht sich im Wesentlichen auf die Zeit von Mitte Januar bis Mitte März 2012.

1. Die Herausgeber des britischen „Economist“ nahmen am 6. März Israels unverhüllte Drohung mit einem Angriffskrieg gegen den Iran zum Anlass für eine außerordentlich kritische Abrechnung mit der Politik der Netanyahu - Regierung. Israels imperiale Ambitionen in der Westbank und seine Besatzungspolitik in Palästina hätten Israel politisch unbeweglich gemacht und in einem Konflikt festgenagelt, der den Staat langsam tötet („killing it“). Seit über einem Jahrzehnt sei Israels Politik ein Mix aus Panik, Hoffnungslosigkeit, Hysterie und Resignation. Israel stecke nunmehr in einer Falle, in die es der amtierende Premierminister Netanyahu mit seiner bewussten Zerstörung des Friedensprozesses geführt habe. Und ein Krieg gegen Iran? Aus Netanyahus Sicht muss Israel Herr seiner eigenen Geschicke und seines eigenen Schicksals bleiben. Die Herausgeber des „Economist“ halten dieses Ziel für unrealistisch, einen großen Irrtum und die Furcht vor einem sonst drohenden neuen Holocaust für maßlos überzogen. Die „Attraktivität“ des neuen Gegners Iran für Israel ergibt sich daraus, dass er vermeintlich genau in das Schema des „eliminatorischen“, also Israel tödlich bedrohenden Antisemiten passt. Die israelisch-amerikanische Beziehung in Sachen Iran ähnelt dem „Economist“ zufolge“ einer gescheiterten Ehe, die gleichwohl aufrecht erhalten wird. Auch Stephane Hessel, Widerstandskämpfer, Holocaustüberlebender, Mitglied des Russelltribunals zu Palästina und Autor der Schrift „Empört Euch“, redet in einem ausführlichen Interview mit „Haaretz“ Klartext: Israels gewalttätige Politik gegenüber den Palästinensern und seine Konzessionen an jüdisch-religiöse Extremisten bringen den Staat in Gefahr. „Ich glaube, dass Premierminister Netanyahu und sein Außenminister Lieberman die schlechtesten Führer sind, die Israel jemals hatte, sehr nahe an der Definition faschistischer Führer“.

2. Das „Komitee zur Beseitigung rassischer Diskriminierung“ der Vereinten Nationen hat bei seinen Sitzungen im März Israel aufgefordert, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um seine Politik der Apartheid und der Benachteiligung der Palästinenser in den besetzten Gebieten zu beenden. Grundlage des UN-Berichts ist das „Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ vom 7. März 1966. Die wichtigsten Besorgnisse und Empfehlungen des UN-Komitees sind (deren Grundlage ist der jährliche Bericht der Regierung Israels über die Einhaltung der Regelungen der „Anti-Rassismus-Konvention“, alle Mitgliedsstaaten legen solche Jahresberichte vor):

- Das Komitee widerspricht Israels Position, dass die Konvention nicht auf die Gebiete unter israelischer Besatzung zutreffe (Ost-Jerusalem, Gaza, Westbank, Golanhöhen; hierzu enthält Israels Bericht keine Angaben).
- Die gesetzlich verankerte Trennung in  jüdische und nichtjüdische Gemeinden muss aufgehoben werden, ebenso das Gesetz über die Staatsangehörigkeit und den Zutritt zu Israel.
- Der Staat Israel sollte energische Maßnahmen ergreifen, um der Welle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit von Politikern und religiösen Führern zu begegnen, der nicht-jüdische Minderheiten in Israel und den besetzten Gebieten ausgesetzt sind.

In Bezug auf die israelisch besetzten Gebiete, einschl. Ost-Jerusalem, ist das Komitee „extrem besorgt“, und zwar vor allem über das Fortbestehen von zwei getrennten Rechtssystemen für jüdische Siedler und Palästinenser in den von Israel völkerrechtswidrig besetzten Gebieten und die Bevorzugung jüdischer Siedler (Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, Straßenbenutzung, Wasserversorgung, usw). Das Komitee fordert, dass der Staat Israel „rassische Trennung und Apartheid“ zu Lasten der Palästinenser unterbindet. Die massive Benachteiligung von Palästinensern und Beduinen beim Erteilen von Baugenehmigungen und häufige Zerstörungen von Häusern nicht-jüdischer Bewohner mit dem Ziel, den palästinensischen Bevölkerungsanteil Israels zu begrenzen (v. a. in Jerusalem), widerspricht der Konvention. Dies gilt auch für die noch immer andauernde Behinderung von Wiederaufbaumaßnahmen in Gaza. Zudem wird der Staat Israel aufgefordert, seine Politik der „Verwaltungshaft“ zu beenden und die stark angestiegene rassistische Gewalt und den Terrorismus von Siedlergruppen in den besetzten Gebieten, z.B. die Gewaltakte im Rahmen der sog. „Preisschild-Strategie“, konsequent zu verfolgen.

3. Erneut haben die “EU-Missionschefs” in Jerusalem und Ramallah einen  alarmierenden Jahresbericht für 2011 über die fortgesetzte  israelische Besatzungspolitik vorgelegt. Sie stellen fest, dass ohne das von Israel 1967 völkerrechtswidrig annektierte Jerusalem als Hauptstadt sowohl des israelischen als auch des palästinensischen Staates eine dauerhafte Friedensregelung zwischen Israel und den Palästinensern unmöglich sei. Außerdem werde die von der Europäischen Union geforderte Zwei-Staaten-Lösung immer unwahrscheinlicher. Die Diplomaten stellen fest, dass sich Israels illegale Siedlungstätigkeit in Ost-Jerusalem deutlich beschleunigt habe und zudem der Bau neuer Siedlungen darauf abziele, Ost-Jerusalem noch mehr von der palästinensischen Westbank abzuschneiden und die Westbank selbst in zwei Teile aufzutrennen. Weitere Kritikpunkte der Diplomaten: Höchst konfliktbeladene archäologische Grabungen Israels im Dienste der verschärften Judaisierung Ost-Jerusalems, massive Benachteiligungen der palästinensischen gegenüber der jüdischen Bevölkerung bei der Genehmigung von Wohnbauten mit dem Ziel der Vertreibung der arabischstämmigen Israelis aus Ost-Jerusalem, eine israelische Wohnrechtspolitik im Dienste der Sicherung einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit, gravierende Schlechterstellung der palästinensischen Israelis beim Zugang zu Schulbildung und Gesundheitseinrichtungen, Vernachlässigung der Infrastruktur in Ost-Jerusalem (nur 10% der öffentlichen Ausgaben in Jerusalem entfallen auf diese Stadtteile, in denen aber 37% der Bevölkerung leben). Wie schon in ihrem Vorjahresbericht schlagen die EU-Diplomaten etliche Maßnahmen vor, mit denen sowohl die Europäische Union als auch ihre Mitgliedsstaaten auf die verhängnisvolle und den EU-Interessen zuwider laufende israelische Politik in Jerusalem reagieren sollen.

4. Unter der Überschrift “Lobbyorganisation israelischer Politik” veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 22. Februar 2012 auszugsweise den Leserbrief eines ehemaligen Mitglieds des Zentralrats der Juden in Deutschland, in dem von der „Diktatur des Staates Israel“ über die Palästinenser die Rede ist, die ebendieser Staat ihres Landes beraubt hat, ihr Land illegal besiedelt und sie seit Jahrzehnten unter harter Besatzung hält. Hintergrund des Leserbriefs war ein Artikel der FAZ vom 24. Januar über den „Bericht des vom Bundestag eingesetzten Expertenkreises Antisemitismus“. Dieser Bericht kam zum Ergebnis, dass 20% der Deutschen „latent antisemitisch“ seien. Obwohl demnach 80% nicht latent antisemitisch eingestellt sind, titelte die Zeitung erstaunlicherweise: „Antisemitismus weit verbreitet“. Vor allem aber ruft der Verfasser des Leserbriefs, der ein politisch aktives Mitglied der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ist, in Erinnerung, dass ein großer Teil der vermeintlich antisemitischen Einstellungen der Deutschen in Wirklichkeit eine –nur allzu berechtigte- kritische Haltung zum Staat Israel wegen seiner Besatzungs- und Unterdrückungspolitik ist. Dass der Zentralrat der Juden in Deutschland sich undifferenziert auch als Lobbyorganisation für die israelische Besatzungs- und Unterdrückungspolitik einsetzt, schadet den Interessen des Judentums in Deutschland immens. Auch in den USA wächst die öffentliche Kritik an Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik. Die New York Times veröffentlichte am 18. März an prominenter Stelle einen längeren Artikel des jüdischen Prof. Peter Beinart, der in der Sorge endet, dass Israel bei Fortsetzung und Ausweitung der Besatzung keine Zukunft haben könne: „Wenn Israel die Besatzung fortsetzt und der Zionismus somit kein demokratisches Projekt mehr sein kann, werden Israels Feinde am Ende den Zionismus stürzen“. Und, so Beinart, dieser Tag sei näher, als viele amerikanische Juden denken. Sein Aufruf an die amerikanischen Juden: „Beendet die Besatzung und boykottiert die Siedlungen“. Unter der Überschrift „Eine verpasste Chance“ schrieb der ehemalige Leiter des Deutschen Kulturzentrums Tel Aviv und Gründungsdirektor der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ am 28. März in der FAZ, dass die Siedlungspolitik der amtierenden israelischen Regierung zeige, dass diese an einer friedlichen Lösung des Konflikts nicht interessiert sei. Die Regierung sollte dringend einen fundamentalen Wechsel ihrer Politik vollziehen. Der Verfasser hält es für möglich, dass Israel das „historische Momentum“ für einen Frieden in Nahost und mit den Palästinensern verpasst hat.

5. Die Regierung Israels beabsichtigt, neu errichtete Sonnenkollektoren und Windenergieanlagen im palästinensischen Dorf Tha’ala im besetzten Westjordanland abzureißen, mit denen 1.500 Palästinenser erstmals mit Strom versorgt werden. Das Brisante: die Anlagen wurden aus Mitteln des deutschen Bundeshaushalts finanziert. Der drohende diplomatische Eklat und die zu erwartende gewaltige öffentliche Empörung dürften die israelischen Besatzungsbehörden bislang davon abgehalten haben, das „deutsche Projekt“ zu zerstören. Die für Israel negative Wirkung der Filmaufnahmen von der Zerstörung eines deutschen Öko-Projekts für verarmte Palästinenser dürfte noch größer sein als die jüngsten empörten Äußerungen des SPD-Chefs Gabriel über Israels „Apartheid-Regime“ in Hebron es waren. Und auch der deutsche Entwicklungsminister Niebel hatte sich „bestürzt und betroffen“ gezeigt, als der Staat Israel Mitte Februar ein palästinensisches Jugend- und Kulturzentrum in Ost-Jerusalem abgerissen hatte, das Niebel erst zwei Wochen zuvor besucht hatte: auch für dieses Projekt hatte die Bundesregierung Steuermittel bereitgestellt. Übrigens: In einer überfallartigen „Aktion“ hatte die israelische Armee das Wohnzelt und die Tierställe einer Beduinenfamilie in Tha’ala abgerissen und platt gewalzt. Etliche Schafe wurden unter den Trümmern begraben. Die Untat ist in einem Videofilm dokumentiert worden. Israels „Rabbis für Menschenrechte“ hatten sich vor Ort vergeblich schützend vor die Beduinenfamilie und ihren Besitz gestellt.

6. „Israel ähnelt in vielem schon jetzt mehr Iran als Europa“, schrieb der „Spiegel“ Anfang Januar 2012 in einem bemerkenswerten Beitrag unter der Überschrift „Im Namen der Tugend“. Die Verfasserin zitiert die US-Außenministerin Clinton, die sich angesichts der Verhältnisse in Jerusalem ebenfalls „an Iran erinnert fühlte“. Wegen des seit Jahren rasch zunehmenden Einflusses der Religiösen und der radikalen Rabbis sei Israel heute „ein Land zwischen Demokratie und Glaube, Hightech und Sittsamkeitsterror“. Und für die Spiegel-Redakteurin spricht alles dafür, dass Israel sich eher in eine „Theokratie für Juden“ als in einen „demokratischen Nationalstaat“ wandele. Bereits heute stellen die Orthodoxen 40 Prozent der Abgeordneten der Regierungskoalition und 40 Prozent der neuen Armeeoffiziere und Soldaten in Kampfeinheiten. Die religiöse Aufhetzung der israelischen Soldaten durch die Militärrabbis und ihren damaligen Leiter Avichai Ronski im Krieg gegen Gaza ist bei vielen dieser Soldaten ohne Zweifel aus fruchtbaren Boden gefallen: Ihre Verherrlichung von Grausamkeiten gegenüber dem „Feind“ und ihre Schmähungen der Palästinenser haben zur unvorstellbar hohen Zahl getöteter und schwer verwundeter Zivilisten in diesem Krieg beigetragen. In einem Leitartikel der FAZ vom 7. Januar 2012 hieß es: „Ultraorthodoxe Juden erheben immer stärker und aggressiver Forderungen, wie man sie bisher allenfalls aus Teheran, Afghanistan und anderen Zentren des Islamismus, eines fundamentalistischen Islam, kannte“.

7. Gideon Levy, bekannter Mitarbeiter der „Haaretz“, schrieb am 19. Februar 2012, dass er sich nur selten dafür geschämt habe, ein Jude zu sein. Zuletzt schämte er sich am 16. Februar, als in Jerusalem ein Schulbus mit einem Lkw zusammenstieß und 9 palästinensische Kinder und ein Erwachsener in dem brennenden Wrack starben. Der Grund für Levys Scham: als sich herumsprach, dass die Todesopfer keine Juden, sondern Araber waren, erschienen im Internet hasserfüllte, rassistische und zutiefst abstoßende Kommentare von israelischen Juden, die offen die Opfer verhöhnten. Levy rief in Erinnerung, dass in Israels Gesellschaft anti-arabischer Hass und Rassismus monströse Ausmaße angenommen hätten. Hierzu hätten auch etliche, die arabischen Israelis diskriminierenden Gesetze beigetragen, die in jüngerer Zeit in der Knesset diskutiert und meist auch verabschiedet worden seien. Levy bezweifelt, dass sich die Palästinenser ihrerseits über getötete israelische Kinder gefreut hätten. Wenn Palästinenser hassen, so Levy, dann wegen Israels Besatzung, die ihnen die größten Leiden auferlegen.

8. Anfang März 2012 haben schwer bewaffnete  Soldaten der berüchtigten „Golani Brigade“ der israelischen Besatzungsarmee in Hebron wiederholt den Beobachtern des „Christian Peacemaker Team“ (CPT) mit Verhaftung und sogar dem Tod durch Erschießen gedroht, wenn sie ihre Beobachtung und Dokumentation des Verhaltens der Soldaten gegenüber den in Hebron lebenden Palästinensern nicht einstellen (genau dies aber ist die Aufgabe der CPT-Mitarbeiter).  Nach internationalem und israelischem Recht dürfen die CPT-Teams ihre Tätigkeit durchführen, solange sie das Militär nicht bei seiner Arbeit behindern. Das war in allen der vielen geschilderten Zwischenfälle eindeutig nicht der Fall.

9. Der palästinensische Schäfer Mohammed Ahmed Alian Awad ist 23 Jahre alt und lebt im Nordwesten des Jordantals (Zone C) in einem kleinen Dorf, das von fünf illegalen israelischen Siedlungen umgeben ist. Um seine Schafe zu ernähren, muss der junge Mann mit seinen Tieren eine Straße überqueren, um zu einer Wasserquelle inmitten von Weiden zu gelangen. Am 4. März 2012 verhängten die Besatzungssoldaten eine Strafe von 1.000 NIS (etwa 200 Euro), weil der Mann mit den Schafen die Straße überquert habe. Die UN-Organisation OCHA hat in ihrem Wochenbericht vom 14. bis zum 20. März festgestellt, dass israelische Siedler seit Jahresbeginn nicht weniger als 1.400 Oliven- und andere Bäume palästinensischer Bauern zerstört haben. Von einer Bestrafung der Täter durch israelische Behörden ist wegen der verbreiteten „Straflosigkeit“ (im UN-Jargon „impunity“) leider nicht auszugehen.

10. Ein Beispiel für höchstgerichtlich sanktionierte Räuberei stellt das Urteil zur  Ausbeutung palästinensischer Steinbrüche in der Zone C der Westbank durch israelische Unternehmen dar. Am 26. Dezember 2011 urteilte der Oberste Gerichtshof unter der Leitung seiner Vorsitzenden Dorit Beinisch, dass die Ausbeutung der Vorkommen dieser Steinbrüche durch acht staatliche und private israelische Firmen rechtens sei. Das Urteil, das sich auf eine Klage der israelischen Menschenrechtsorganisation Yesh Din bezieht, steht in krassem Widerspruch zum Internationalen Recht, wonach es dem Besatzer verboten ist, die natürlichen Ressourcen des besetzten Gebiets für sich selbst zu nutzen. In Fachkreisen hat das Urteil Unverständnis ausgelöst, denn die zugrundeliegende Argumentation ist falsch: 94 % der Produktion werden nach Israel exportiert und deckt dort ein Viertel des Bedarfs. Die Abgaben der Steinbruch-Besitzer fließen an die israelische Besatzungsbehörde und die Tatsache, dass die völkerrechtswidrige Ausbeutung palästinensischer Vorkommen schon seit Jahrzehnten andauert, kann kein Argument für die Fortsetzung dieser Praxis sein.  Allen Ernstes hat das Gericht argumentiert, dass die Bestimmungen der Genfer Konvention nicht anwendbar seien, denn bei Israels Besatzung handele es sich nicht um eine „zeitweise“ Besatzung, auf die sich die Konvention beziehe, sondern um eine seit Jahrzehnten fortdauernde. Unter dem Nachfolger der inzwischen pensionierten Frau Beinisch dürften Urteile, die in klarem Widerspruch zum Internationalen Recht stehen, noch häufiger werden. Yesh Din wird Revision des Urteils beantragen. Bekanntlich ist auch das deutsche Unternehmen HeidelbergCement durch seine Beteiligung an der Firma Hanson Israel in die gravierende Verletzung des Völkerrechts verwickelt.

11. Auch ein weiteres Urteil des Obersten Gerichtshofs von Anfang 2012 fand großes,  ebenfalls überwiegend negatives Echo in den internationalen Medien: Mehrere israelische Menschenrechtsorganisationen hatten geklagt, weil sie die Verfassungsmäßigkeit des israelischen Staatsangehörigkeitsgesetzes („Citizen and Entry into  Israel“-Gesetz) bezweifeln. Dieses Gesetz aus dem Jahre 2003  beschränkt in erheblichem Umfang das Recht palästinensischer Israelis, für ihre Ehepartner die Genehmigung zum Aufenthalt in Israel zu erhalten, soweit sie aus den besetzten Gebieten oder Ost-Jerusalem stammen. Eine knappe Minderheit der Richter hielt das Gesetz für verfassungswidrig und diskriminierend, weil es für jüdische Bürger nicht gelte. Die dürfen sogar mit ihren  Partnern in Israel leben, wenn sie aus den besetzten Gebieten stammen, sofern sie ebenfalls jüdischen Glaubens sind. Mit knapper Mehrheit beschlossen die Richter die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, das gleichwohl international heftig kritisiert wird. Richter Grunis, inzwischen Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs, argumentierte: „Menschenrechte dürfen kein Rezept für nationalen Selbstmord sein“.

12. Nach der Ermordung von drei jüdischen Schülern und einem Lehrer in Toulouse am 19. März kritisierte die israelische Regierung die EU-Außenbeauftragte Ashton, weil sie angeblich diese Massaker-Morde mit von Israel getöteten Kindern in Gaza verglichen habe. Inzwischen ist geklärt, dass Frau Ashton nicht von einer solchen Gleichsetzung gesprochen hat. Sie wäre auch unzulässig gewesen. Im Bericht der UN-Untersuchungskommission von 2009  (sog. Goldstone-Report) ist nachzulesen, dass –je nach Quelle- bei den drei Wochen andauernden israelischen Angriffen zwischen 300 und 350 palästinensische Kinder und Jugendliche getötet wurden.

13. Ende März 2012 hat die Organisation „Defence for  the Children-Palästina“ den Bericht „Bound, Blindfolded and Convicted“ vorgelegt. Der Bericht schildert auf 150 Seiten die Ergebnisse der Befragung von 311 palästinensischen Kindern über die meist schockierenden Umstände ihrer Gefangennahme und Verhaftung sowie ihrer Behandlung vor der israelischen Militärgerichtsbarkeit. Der Bericht weist Israel zahlreiche Verstöße gegen die Grundregeln menschlichen Anstands, der Menschlichkeit und der 4. Genfer Konvention nach. Die meisten Festnahmen der Kinder erfolgen in der Zeit zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens. Schwere Traumata sind oft die Folge. Die Kinder werden auf oft schmerzhafte Weise gefesselt und mit verbundenen Augen an unbekannte Orte verbracht. Während bei der Verhaftung israelischer Kinder, die in illegalen Siedlungen in der Westbank leben, die Eltern des Kindes und ein Rechtsbeistand anwesend sein dürfen, versagt Israel dieses Recht den palästinensischen Kindern. Auch werden sie nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen. In deutlich mehr als der Hälfte der untersuchten Fälle sind die Kinder bei der Festnahme und den Vernehmungen verbaler und oft genug auch physischer Gewalt ausgesetzt. Die Vernehmungen werden nicht dokumentiert. Erst nachdem die Kinder, meist wegen der Bedrohungen und des psychologischen Drucks aufgrund von tagelangen Vernehmungen ohne Beisein ihrer Eltern die ihre vorgeworfene Tat zugegeben haben, kommt es zum Prozess. Die Kinder werden dem Militärgericht in Ketten vorgeführt und nach der Verurteilung in Gefängnisse in Israel verbracht, was nach Artikel 76 der Genfer Konvention verboten ist. Für die Verfasser des Berichts handelt sich in der Gesamtwürdigung ihrer Ergebnisse um systematische Misshandlungen, die oft grausame, inhumane und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung umfassen, wie sie in der UN-Konvention gegen Folter definiert sind. In einigen der untersuchten Fälle erfüllt die Misshandlung der Kinder den Tatbestand der Folter, die verboten ist. Auf der Titelseite des DCI-Palestine-Berichts prangt die Aussage von Mark Regev, des Sprechers von Ministerpräsident Netanyahu: „Der wahre Test für eine Demokratie besteht darin, wie sie ihre Festgenommenen, ihre Gefangenen behandelt, erst Recht, wenn es sich um Kinder handelt“.

14. Im März 2012 hat die britische  Aufsichtsbehörde für Werbung Anzeigen für Israelreisen untersagt, in denen dem Leser suggeriert wird, dass die besetzten Gebiete Teil Israels seien. Das gleiche gilt für den Gazastreifen und die syrischen Golanhöhen. Außerdem hat die Aufsichtsbehörde beanstandet, dass auf den israelischen Landkarten nicht der international anerkannte Begriff „West Bank“ verwendet werde, sondern „Judäa und Samaria“. Auch die Werbung deutscher Veranstalter für Reisen nach Israel ist in diesem Punkt, bis auf wenige Ausnahmen, grob fehlerhaft.

15. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat am 22. März die Einrichtung einer Untersuchungskommission beschlossen. Es geht um die Menschenrechte der Palästinenser, die bekanntlich durch die von Israel in der West Bank und in Ost-Jerusalem errichteten israelisch-jüdischen Siedlungen gravierend beeinträchtigt werden. Von den 47 stimmberechtigten Staaten votierte lediglich einer, nämlich die USA, gegen den Antrag (obwohl die US-Regierung den Siedlungsbau in der West Bank für falsch hält, wie deren UN-Botschafterin bei der Abstimmung erklärte). 36 Staaten stimmten zu, 10 enthielten sich. Inzwischen hat die israelische Regierung jede Zusammenarbeit mit der Untersuchungskommission kategorisch abgelehnt. Außerdem hat das israelische Außenministerium die Botschafter von Österreich und Belgien getadelt, weil sie namens ihrer Regierungen der Untersuchung zugestimmt haben. Auch wenn zu erwarten ist, dass Israels Premierminister erneut, wie schon bei der Aufnahme Palästinas in die UNESCO, sog. Vergeltungsmaßnahmen gegen die Abbas-Regierung ergreifen wird, so wird international und öffentlichkeitswirksam der Blick der Welt auf die völkerrechtswidrige Besatzung gerichtet. Und die Welt wird sich erneut über Netanyahus Ansicht wundern, dass die Westbank kein „besetztes“, sondern nur ein „umstrittenes“ Gebiet sei. Kürzlich kritisierte ein Haaretz-Leitartikel den israelischen Abbruch der Beziehungen zum Menschenrechtsrat und bemerkte, dass der zweite Staat, der neben Israel jüngst diesen Schritt vollzogen habe, Syrien sei.

16. Hooligan-Rassisten des israelischen Fußballvereins „Beitar Jerusalem“ brüllten: „Tod den Arabern“, mitten in Jerusalem, und bespuckten und beschimpften israelisch-arabische Kunden in der größten Einkaufsmall der Stadt, verprügelten das arabische Personal, das die Angegriffenen zu schützen versuchte. Dies geschah Mitte März. Die Polizei, die erst nach 40 Minuten am Tatort erschien, griff nicht ein und nahm keine Täter fest. Begründung: Es habe keine Beschwerden gegeben. Erst nach Tagen berichtete Haaretz darüber, nachdem ein Augenzeuge einem Reporter das Geschehen geschildert hatte. Übrigens ist der Überfall im Internet auch als Videofilm einsehbar. Und die Sicherheitskameras der Shopping Mall haben alles im Detail dokumentiert. Gideon Levy fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn Hunderte Araber den Überfall begangen hätten und sich in gleicher pöbelnder, prügelnder Weise auf jüdische Besucher der Mall und das Personal gestürzt hätten. Dutzende der Täter wären sofort verhaftet und angeklagt worden. Für Levy ist es das Schlimmste, dass über das „Hass-Verbrechen“ kaum in der Öffentlichkeit berichtet wurde und dass Hunderte Augenzeugen weggeschaut und geschwiegen haben. Levy scheut sich nicht, von solchen Ereignissen als „Mini-Pogromen“ zu sprechen. Und er fürchtet, dass der in Israel oft gehörte und gelesene Spruch „Tod den Arabern“ nicht nur hässliche rassistische Rhetorik bleiben werde, sondern dass es schon bald Opfer solcher hasserfüllten Aggressivität unter den israelischen Arabern geben könnte. Dieses Mal gab es „nur“ viele Verletzte. Übrigens hat sich der jüdische Besitzer der Einkaufsmall bei seinen arabischen Mitarbeitern für das Geschehen entschuldigt und ihnen für ihr mutiges Eingreifen gedankt.

Ich wäre der Botschaft für eine Stellungnahme zu den aufgeführten Sachverhalten und ggfs. Richtigstellungen sehr dankbar. Ich möchte mir abschließend den Hinweis erlauben, dass ich mit meinen Schreiben Missstände ansprechen möchte, die geeignet sind, das Ansehen des Staates Israel nachhaltig zu schädigen und auch die Gefahr in sich bergen, das Ansehen des Judentums zu beeinträchtigen. Dem entgegen zu wirken, ist eines der zentralen Anliegen meiner vorangegangenen Briefe und auch des aktuellen.

Dieter Neuhaus

 

Anlage 2:

Sage nicht, man wusste nichts davon

Amos Gvirts:  Wie haben jüdische Siedler in den südlichen Hebroner Bergen Passah gefeiert?


10. April 2012: der 70jährige Abu Sh. geht mit seinem Sohn und der Schafherde hinaus auf die Weiden von Umm al Amad, einem Dorf in der Nähe der Siedlung Atniel. 8 Siedler kommen herunter und jagten sie weg.


11. April 2012: Am Morgen nimmt S. ihre Herde, damit diese auf dem Navajah-Land ( bei Susya) grasen kann. Etwa um 8:30 – 9 als sie und die Herde im Olivenhain der Familie waren, sieht S. sieben maskierte Siedler sich ihr nähern und Steine in ihre Richtung werfen. S. begann zu rennen, um die Herde in Sicherheit in das Wadi zu treiben. Die Siedler holten sie ein. Drei von ihnen trugen Stöcke und Röhren, mit denen sie sie schlugen. S. versuchte dem zu entkommen, was ihr nicht ganz gelang. Sie wurde verletzt: um das linke Auge, rechter Ellbogen, rechte Rippen und am Rücken und Hals. Einer ihrer Zähne wurde heraus- gebrochen. Da S. während des Angriffes kein Handy bei sich hatte, die Bewohner des Lagers aber den Tumult um sie hörten, rannten sie zu ihr, während die Angreifer wegrannten. Der Angriff fand nur 300m unterhalb eines Militärpostens statt. Es war unmöglich, dass die Soldaten den Vorfall nicht gehört haben. Die palästinensischen Bewohner konnten einen Soldaten hören, der dort einen Posten hatte, wie er den Siedlern zurief: „Zurückzugehen!!“ Er tat aber nichts, um den Angriff zu verhindern. Als Besatzungskräfte ankamen, hörte man einen der Soldaten sagen: “Es ist nicht nötig, die Polizei zu rufen, ihr Mann wird sie wärmen /heat. (?)

Angestellte der Zivilverwaltung baten die aufgeregten Bewohner, sie sollten zu ihren Hütten gehen, sie wollten hier keine Reibereien. Und setzten noch dazu, die Polizei werde zu ihnen in die Hütten kommen und dann Zeugenaussagen aufnehmen. Bis jetzt kam keine Polizei.

Am Freitag den 13. April 2012 ( 2. Feiertag) gingen drei Internationale Volontäre auf dem Weg von Tuba zum Dorf Tuwane. Etwa um 8 Uhr näherten sich ihnen zwei maskierte Siedler aus Havat Maon. Sie warfen Steine auf die Volontäre, einer mit einer Steinschleuder. Wie durch ein Wunder kamen sie unverletzt davon. Sie riefen die Polizei, berichteten von dem Angriff und baten um Hilfe. Die Antwort war: wir werden nicht kommen. Wenn ihr wollt, könnt ihr zur Polizeistation kommen und eine Klage einreichen. Drei Stunden später kamen sieben Siedler das Hurubatal herunter, das östlich der Havat Maon-Siedlung liegt. Die Volontäre begleiteten palästinensische Hirten. Einer der Siedler kam maskiert herunter in den Olivenhain und begann die Bäume zu beschädigen. Dieser Wandalismus wurde dokumentiert. Wir riefen die Polizei und einen Offizier der Zivilverwaltung, der auch kam und einen Zeugenbericht aufnahm.

Auf dem Weg zur Polizeistation nahe Gal Hill, nicht weit von Kiryat Arba sahen wir massive Militärkräfte und einen Ambulanzwagen und eine verletzte Person. Später erfuhren wir, dass jüdische Siedler über 200 Olivenbäume zerstört hatten. Dies wurde dokumentiert und Siedler griffen Palästinenser an, die zu der Stelle kamen. Die Polizei entschied sich, drei Palästinenser zu verhaften. Erstaunlich ….

Fröhliche Pessach !!!

(dt. Ellen Rohlfs)