Palästina-Israel - Info & Gedanken Nr. 37

von Siegfried Ullmann

Liebe Friedensfreunde, Nahostinteressierte und Israel-Unterstützer,

es gibt einen Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages. Er besteht aus Mitgliedern der im Bundestag vertretenen Parteien. Vorsitzender ist Tom Königs von Bündnis 90/Die Grünen. In seinem Grußwort (siehe Internet) schreibt er, dass sich der Ausschuss bemühe, "die Ahndung weltweit begangener Delikte wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen voranzubringen." ... "Wir stehen im ständigen Dialog mit  Botschaften, Parlamentariern und Menschenrechtsaktivisten zahlreicher Länder. ... Menschenrechtsarbeit ohne die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen ist nicht möglich.


Häufig verfügen Aktivisten vor Ort über Informationen, die für unsere Arbeit unerlässlich sind. ... Zögern Sie bitte nicht, sich an uns zu wenden und uns dabei zu helfen." - Dieser Bitte sollten wir entsprechen und den Ausschuss auf die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, die von Israel begangen und z.B. von der UN und Amnesty International dokumentiert wurden, hinzuweisen. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) Ich habe schon meinen Rundbrief 50 an den Ausschuss geschickt. Aber die Menschenrechtsverstöße durch Israel gelten bei der Mehrzahl der Politiker als "Verlierer-Thema", bei dem man persönlich nichts gewinnen, sondern nur etwas verlieren könne.

 

 

Der Luxemburger Außenminister Asselborn sagte am 14. 9. 2011 im Deutschlandradio zum Antrag der Palästinenser auf Anerkennung ihres Staates durch die UN: "Das Problem ist, dass Israel nicht einsieht, daß nur die Zwei-Staaten-Lösung auch langfristig, mittelfristig die Sicherheit Israels garantiert. ... Jeder, der in dieser Region ist, der weiß, dass die Palästinenser, die arabischen Mitmenschen in dieser Region, nicht leben, wie sie leben müssten. Sie leben unter der Würde, die ihnen eigentlich zukommen müsste von der internationalen Politik, und diesen Schritt (die Anerkennung des palästinensischen Staates durch die UN), glaube ich, müssen wir Europäer, die überall auf der Welt die Menschenrechte verteidigen und das nationale Recht verteidigen, auch machen."


Und zur Rolle der deutschen Regierung sagte Asselborn: "Aber ich erlaube mir trotzdem zu sagen, dass diese Verantwortung, glaube ich, dem israelischen Volk, dem israelischen Staat eigentlich zugeschrieben werden muss und nicht einer Regierung, dieser Regierung Israels, die, glaube ich, aber den Fehler macht, sich zu isolieren, und sogar das Risiko eingeht, mittelfristig die Sicherheit und das Wohl auch des Staates Israel in Frage zu stellen durch diese sture Position, die sie haben. Deutschland könnte meines Erachtens eine überragende, herausragende Rolle spielen und auch, ich sage es, Israel helfen, aus dieser Isolation herauszukommen, dass man klar sagt, es kann nicht international hingenommen werden, dass eigentlich diese Siedlungspolitik, was wir ja alle wissen, Verhandlungen unmöglich macht."

 

Beim Treffen der EU-Außenminister in Zoopot sagte Asselborn, dass "das palästinensische Volk ein Recht auf einen eigenen Staat in friedlicher Nachbarschaft zu Israel habe."

Bei einer anderen Gelegenheit kritisierte er die Bundeskanzlerin Merkel: "Wenn die deutsche Bundeskanzlerin öffentlich ausschließt, dass sie in der UNO-Versammlung im September für einen Palästinenser-Staat stimmt, dann nimmt das jeglichen Druck von der israelischen Regierung." "Israel hat aus dem Gazastreifen ein Gefängnis gemacht. Dort leben 1,7 Millionen Menschen auf einem Siebtel des Territoriums von Luxemburg. Die Grenzen zu schließen, nur bestimmte Güter ins Land zu lassen und kaum welche nach draußen, ist auch eine Form von Gewalt. Im Westjordanland bauen die Israelis weiter Siedlungen auf enteignetem Land. Das ist eine Provokation."

 

Deutschland ist wohl das einzige Land in der Welt, welches sich nicht nur zu den Verbrechen einer vorherigen Regierung bekannt, sondern auch so weitgehend wie möglich enteignetes Vermögen zurückgegeben oder entschädigt hat. Und dies nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern auch für deren Erben. Israel will sich aber nicht die deutsche Rechtsauffassung zum Vorbild nehmen, sondern z.B. die der Tschechen und Russen bei der Vertreibung der Deutschen oder die der Amerikaner bei der Vertreibung und Ausrottung der indianischen Bevölkerung. Dies wurde von radikal-zionistischen Politikern und Rabbinern, wie z.B. Meir Kahane, auch öffentlich geäußert. (siehe frühere Zitate)

 

Amnesty International hat eine ausführliche und mit eindrucksvollen Bildern versehene Dokumentation über die Wassersituation in den Besetzten Gebieten und im Gazastreifen herausgegeben. Sie hat den Titel „WASSERNÖTE“ und kann unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! angefordert werden. Die Dokumentation veranschaulicht, wie den Palästinensern das lebensnotwendige Wasser entzogen wird, um sie auf diese Weise zur Abwanderung zu zwingen. Es sind zum Teil Beispiele von unvorstellbarer Grausamkeit, die da geschildert werden. Der Bericht enthält auch eine Darstellung der palästinensischen Stadt Kalkilya (Qualqilya) die mit ihren 43 000 Einwohnern fast vollständig mit einer 8 m hohen Mauer oder mit einer Zaunanlage umgeben wurde, die jüdische Überlebende an das Warschauer Ghetto erinnerte. Die Bewohner verloren 80 % ihrer Agrarflächen und 11 Brunnen. Nach starken Regenfällen kam es dann auch noch zu Überflutungen von Stadtteilen, weil die Mauer den Wasserabfluss behinderte.

 

Hier wieder ein Beispiel des alltäglichen Terrors: Am 19. August spielten zwei Jungen, Ibrahim (12 Jahre alt) und sein Cousin Mohammed (2 Tage vor seinem 15. Geburtstag) im Gazastreifen auf der Straße. Plötzlich wurde von einer Person in einem weit entfernt liegenden israelischen Kontrollraum von einer unbemannten Drohne eine Rakete auf die beiden Jungen abgeschossen - mit furchtbaren Folgen: Für Ibrahim: Multiple Verletzungen einschließlich der Lunge und der Leber, Amputation beider Hände, weil die Überführung in ein qualifiziertes israelisches Krankenhaus erst nach 10 Tagen genehmigt wurde. Am 20. September ist er schließlich gestorben.

Für Mohammed: tiefe Verletzungen und Verbrennungen der Beine und des Rückens. Offensichtlich handelte es sich um einen gezielten Angriff auf die beiden Jungen, da es an diesem Tag keine anderen Angriffe gab. Aber in unseren Medien wurde nichts davon berichtet, weil es eben keine israelischen Kinder waren, die von einer Rakete aus dem Gazastreifen getroffen wurden. Näheres finden Sie  unter http://www.youtube.com/watch?v=WxMdU90AEAI.

Eine dort tätige Aktivistin versucht, das Los des überlebenden Jungen zu erleichtern, z.B. durch den Kauf eines speziellen Rollstuhls für Mohammed. Wenn Sie sie dabei unterstützen wollen, können Sie dies durch eine Überweisung an Anica Heinlein, Konto Nr. 4596433, BLZ 20041155, comdirect, Betreff Gaza. Schon 5 Euro sind eine Hilfe.


Anzumerken ist noch, dass derartige Drohnen in Zusammenarbeit mit der deutschen Rüstungsfirma Rheinmetall entwickelt und gebaut werden.

 

Eine Einnahmequelle der israelischen Besatzungsmacht sind die den Palästinensern auferlegten Geldstrafen, zum Beispiel für die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen. Meistens sind die armen Familien nicht in der Lage, diese Summen aufzubringen. Dann müssen die Verurteilten weiter im Gefängnis bleiben, wenn nicht von ausländischen Personen oder Organisationen die entsprechenden Beträge aufgebracht werden. Ein gewaltloser Demonstrant aus dem palästinensischen Dorf Bi'lin, dem durch den Mauerbau 30 % seines Landes beschlagnahmt wird, ist schon seit fast zwei Jahren im Gefängnis. Er kann am 2. Oktober nur dann entlassen werden, wenn die für dortige Verhältnisse immense Geldstrafe von 12 000 Schekel (3250 US $) termingerecht eingezahlt wird. Auf diese Weise müssen die Palästinenser oder ausländische Unterstützer auch noch für die israelische Besatzung bezahlen.

 

Der Israeli Uri Avnery berichtete, wie die israelische Armee bei den Intifadas gegen friedliche, gewaltlose Demonstrationen vorgegangen ist: Es wurden Scharfschützen eingesetzt, neben denen ein Offizier stand, der dann befahl, auf solche Palästinenser zu schießen, die wie Anführer aussahen: "Den da!" und "Den dort!" (siehe auch Avnerys Kommentar vom 3. September "Kriegshunde" in der Anlage.) Es ist damit zu rechnen, dass die israelische Armee mit Unterstützung der militanten Siedler in gleicher Weise gegen gewaltfrei demonstrierende Palästinenser vorgehen wird, falls es zu einer Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die UN kommt. Die Regime in Syrien und im Jemen setzen ebenfalls Scharfschützen gegen friedliche Demonstranten ein.

 

Den christlichen Palästinensern geht es auch nicht besser, als den moslemischen. Ein Fakultätsmitglied und eine Studentin der Bethlehemer Universität wurden kürzlich von militanten Siedlern durch einen vorgetäuschten Verkehrsstau und durch eine Straßensperre zum Anhalten gezwungen, mit Steinen angegriffen und erheblich verletzt. Als die Studentin sich zu israelischen Soldaten flüchtete, wurde ihr Schutz und Hilfe verweigert. Näheres können Sie dem beigefügten Bericht (in englischer Sprache) entnehmen. Die Bethlehemer Universität ist auch schon mehrfach von der israelischen Armee angegriffen worden.

 

Die israelischen Regierungen waren immer bereit, alles zu unterschreiben, aber mit der Absicht, sich nicht daran zu halten. So wurde z.B. Israel in die Vereinten Nationen aufgenommen, unter der Voraussetzung, den vertriebenen Palästinensern die Rückkehr zu erlauben. Aber nicht ein einziger Palästinenser durfte von seinem Rückkehrrecht Gebrauch machen. Und Israel wurde in die OECD aufgenommen, mit der eigentlich selbstverständlichen Verpflichtung die Menschenrechte zu achten. Aber diese Verpflichtung wird von Israel vollkommen ignoriert. Nach Ansicht israelischer Rabbiner gelten solche Konventionen und Rechtsgrundsätze nur für Gojim, also nur für Nichtjuden. (siehe Zitate)

 

Man muss sich einmal vorstellen, die Vereinten Nationen hätten im Jahre 1948 in Anbetracht der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten den in aller Welt lebenden Juden nicht ein Teilgebiet eines arabischen Landes, sondern z.B. Schleswig Holstein für die Gründung eines jüdischen Staates übertragen und von da aus wäre es zu weiteren kriegerischen Eroberungen gekommen. Oder die Kurden würden Niedersachsen beanspruchen, weil sie ein Volk ohne Staat seien. Hätte man dafür so viel Verständnis wie für die Gründung Israels auf arabischem Boden und seinen weiteren Anspruch auf das restliche Palästina? Müsste nicht die Bundesregierung und wir alle zumindest den Anspruch der Palästinenser auf einen eigenen Staat, der ihnen schon 1948 durch die UN-Resolution 181 zugesichert wurde, unterstützen? Wie die frühere Diplomatin Luz Maria De Stéfano Zuloaga de Lenkait in ihrem beigefügten Leserbrief darlegte, hat sich nur die frühere Regierung unter Helmut Schmidt und Walter Scheel für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser eingesetzt.

 

Würde man einen Hauseigentümer, der bewaffneten gewalttätigen Einbrechern gegenübersteht, die schon einen Teil seines Eigentums abtransportiert haben, auffordern, über den Verbleib des restlichen Eigentums zu verhandeln, während die Diebe das Haus weiter ausräumen?? Aber von den Palästinensern verlangen die USA und die Bundesregierung weitere sinnlose Verhandlungen, während Israel ihr Land verstärkt beschlagnahmt und besiedelt, sowie erklärt, dass es nichts zu verhandeln gibt.