Keine Aussicht auf eine Friedensregelung im Nahen Osten
von Siegfried Ullmann
Liebe Friedensfreunde, Nahostinteressierte und Israel-Unterstützer,
die Rede des amerikanischen Präsidenten Obama, in der er einen Rückzug Israels auf die Grenzen des Jahres 1967 und die Gründung eines zusammenhängenden Palästinenserstaates forderte, gaben Anlass zu Hoffnung. Diese Hoffnung wurde aber schnell wieder durch die Rede des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu vor dem amerikanischen Kongress zerstört. Netanjahu sagte unmissverständlich, das Israel nicht bereit sei, den Friedensvorschlag des amerikanischen Präsidenten umzusetzen.
Der Ablauf der Veranstaltung war von der amerikanisch-jüdischen Lobby-Organisation AIPAC bestens organisiert. Wenn ein Vertreter der Israel-Lobby aufstand, um Netanjahu zu applaudieren, mussten alle anderen Abgeordneten das Gleiche tun, um nicht als antiisraelische und damit antisemitisch gebranntmarkt zu werden, was den politischen Tod bedeutet hätte. Selbst Obamas Demokraten wurden zum Applaus gezwungen, wenn es gegen ihren Präsidenten ging. Dies wurde von Dr. Franklin Lamb unter - http://www.intifada-palestine.com/2011/05/franklin-lamb-is-the-arab-spring-spreading-to-us-congressional-staffs - eingehend beschrieben. Noch drastischer beschreibt der Israeli Gideon Spiro unter „Das israelische Empire und der amerikanische Zwerg“ (s.Anlage 1).
Dies zeigte mal wieder, dass es zwar keine Weltherrschaft des Judentums gibt, wie von Antisemiten behauptet wird, aber dass die amerikanische jüdische Lobby die amerikanische Außenpolitik und damit die Weltmacht USA beherrscht. Dies hatten schon die jüdisch-amerikanischen Professoren Walt und Mearsheimer in ihrem Buch "Die Israel-Lobby - Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird" veranschaulicht. Es ist wirklich unglaublich, dass ein Land mit rund 6,5 Millionen jüdischen Einwohnern die Außenpolitik eines Staates mit rund 310 Millionen Einwohnern beherrschen und damit dem angeblich mächtigsten Mann der Welt seine Grenzen aufzeigen kann. Der amerikanische Präsident hat nicht einmal die Möglichkeit, durch den Entzug oder die Verringerung einer finanziellen Unterstützung Druck auf Israel auszuüben, was eigentlich die normale Konsequenz für das israelische Verhalten wäre, weil sich dem wieder der Kongress mehrheitlich widersetzen würde.
Eine Friedensregelung mit der Gründung eines souveränen Palästinenserstaates ist also nicht in Sicht. Selbst wenn im September 2011 die Mehrheit der in der UN-Vollversammlung vertretenen Staaten einen palästinensischen Staat anerkennen würde, würde dies ohne eine Unterstützung der USA keine unmittelbaren Konsequenzen haben. Die deutsche Bundesregierung als Vasall der USA und Israels wird ebenfalls dagegen stimmen. Dabei wollen die Palästinenser nur genau das, was die in Palästina ansässigen Juden im Jahre 1948 taten: auf der Grundlage der UN-Resolution 181 einseitig ihren eigenen Staat begründen. Der israelische Journalist und Friedensaktivist Uri Avnery hat das in seinem Artikel "Heilige Mantra" (siehe Anlage 2) sehr gut beschrieben. Des weiteren verweise ich auf den ausgezeichneten Beitrag "Land für Frieden" des früheren israelischen Botschafters in Südafrika, Alon Liel, den ich als Anlage beifüge.
Israel geht weiterhin ungehindert mit aller Brutalität gegen die Palästinenser vor, um seine kolonialistischen Ziele durchzusetzen. Ein Beispiel ist das Vorgehen gegen palästinensische Kinder, wie die Verhaftung eines achtjährigen Jungen, die allem internationalen Standard widerspricht. (siehe Anlage 3)
Am 8. Juni wurde der Bundeskanzlerin von Obama die amerikanische Freiheitsmedaille übergeben. Dabei sagte Frau Merkel wieder einmal: "Freiheit muss immer wieder neu erkämpft werden. ... Keine Kette der Diktatur, keine Fessel der Unterdrückung vermag der Kraft der Freiheit auf Dauer zu widerstehen." Aber an die Palästinenser, die schon seit über 43 Jahren in Unfreiheit leben, hat sie dabei sicherlich nicht gedacht. Da übt sie bedingungslose Solidarität und Unterstützung mit den Unterdrückern, also mit der rassistisch-faschistischen Regierung Netanjahu-Lieberman, wie diese von Evelyn-Hecht Galinski bezeichnet wurde. So wird sie auch gemeinsam mit den USA gegen die Anerkennung eines Palästinenserstaates durch die UN-Vollversammlung stimmen. Es geht ihr allem Anschein nach vollkommen irgendwo vorbei, wenn z.B. ein beduinisches Dorf immer wieder mit Bulldozern zerstört wird, Palästinenser ohne Anklage und Gerichtsverfahren jahrelang inhaftiert oder ohne Gerichtsverfahren hingerichtet, sowie wenn Kinder nachts verhaftet und in Ketten in Militärgerichten vorgeführt werden. Wenn es sich um Chinesen handeln würden, wäre es natürlich etwas ganz anderes.
Weil Israel wegen seiner Vorgehensweise gegen die Palästinenser und seiner Weigerung, die besetzten Gebiete zugunsten eines Palästinenserstaates aufzugeben, immer stärker unter internationalen Druck gerät, führt es mit Unterstützung der Israel-Lobby einen immer aggressiver werdenden Medienkrieg. Hierzu gehören auch massive Geschichtsfälschungen, wie die Leugnung der Vertreibung der arabisch-palästinensischen Bevölkerung vor allem im Jahre 1948, also der palästinensischen Nakba. Israelintern wird gegen alle vorgegangen, die an diese Nakba erinnern, Menschenrechtsverletzungen dokumentieren oder UN-Kommissionen Auskünfte über Kriegsverbrechen der israelischen Armee gegeben haben, wie zum Beispiel die israelische Menschenrechts-Organisation B'tselem.
Zur Strategie der israelischen Regierung zur Verhinderung einer Friedensregelung gehört die Forderung, die Palästinenser müssten zuerst Israel als jüdischen Staat anerkennen, was natürlich für diese unannehmbar ist, weil damit vor allem die rund 1,5 Millionen palästinensischen Israelis ausgegrenzt würden. Der israelische Publizist Uri Avnery hat sich in seinem Kommentar vom 18. Juni 2011 eingehend mit dieser Problematik befasst. So schreibt er: "Die Forderung, dass die Palästinenser Israel als "den jüdischen Staat" anerkennen oder den "Nationalstaat des jüdischen Volkes", ist absurd." Ein Freund habe als Ausweg vorgeschlagen, den Namen des Staates zum Beispiel in "Die jüdische Republik Israel" zu ändern, so dass jedes Friedensabkommen zwischen Israel und dem arabischen Staat Palästina automatisch die verlangte Anerkennung einschließt. Dies würde Israel auch auf die gleiche Linie mit dem Staat bringen, der ihm am meisten ähnelt: "Die islamische Republik Pakistan", die nach der Teilung Indiens in etwa derselben Zeit entstand (nach einem grausamen, gegenseitigen Massaker, nach einem Flüchtlingsproblem und mit einem ständigen Grenzkrieg in Kaschmir. Und der Atombombe natürlich.)" - Den vollständigen Text finden Sie in der Anlage 4 mit dem Titel „Leugnen, Leugnen“.
Am 24. Oktober soll die Bundeskanzlerin vom Jüdischen Museum in Berlin mit dem „Preis für Verständigung und Toleranz“ für ihr angeblich weltweites Engagement für Menschenrechte und Menschenwürde ausgezeichnet werden. Toleranz hat sie vor allem für die israelischen Kriege gegen die Zivilbevölkerung des Libanons und des Gazastreifens gezeigt. Aber für die Menschenrechte und die Menschenwürde der Palästinenser hat sie sich bestimmt nicht eingesetzt, sondern für die weitere Aufrechterhaltung der israelischen Besatzung. Aus der Sicht der Israel-Lobby ist die Preisverleihung somit gerechtfertigt.
Der internationale Strafgerichtshof hat jetzt einen Haftbefehl gegen Gaddafi und zwei Mitverantwortliche wegen der Angriffe auf die Zivilbevölkerung ausgestellt. Aber die im Goldstone-Bericht und von Amnesty international dokumentierten israelischen Kriegsverbrechen bleiben vollkommen ausgeklammert. Da zeigt sich wieder, dass es nicht um Recht und Gerechtigkeit, sondern um politische Zweckmäßigkeit, bzw. um sogenannte Realpolitik geht.
Am 23. 06. 2011 war in der Presse zu lesen, unser Innenminister Hans-Peter Friederich habe zu einer "Kultur des Hinsehens" aufgefordert, um islamistischer Propaganda und ihren Folgen zu begegnen. Dabei hat Friedrich natürlich geflissentlich übersehen, dass es in erster Linie reale Tatsachen sind, die zur Radikalisierung moslemischer Jugendlicher in Deutschland beitragen. Sie empfinden vor allem den Krieg in Afghanistan sowie die Unterjochung und Beraubung der Palästinenser als Demütigung der islamischen Welt. So liefern Israel und die USA sowie deren Unterstützer die Begründungen für terroristische Aktivitäten. Aber da ist seitens unserer Regierung Wegschauen angesagt. Dabei wäre die Beendigung der Kriegsbeteiligung in Afghanistan und der Einsatz für einen souveränen Palästinenserstaat eine Grundvoraussetzung für die innere Sicherheit Deutschlands und damit im eindeutigen deutschen Interesse.
Aber hinsichtlich der völker- und menschenrechtswidrigen Politik der israelischen Regierung wird von uns eine Kultur des Wegsehens und Schweigens verlangt. Wer trotzdem genauer hinsieht, nicht schweigt und sich für Recht und Gerechtigkeit einsetzt, wird mit der absurden Bezeichnung "Antisemit" verleumdet. Davon sollten wir uns aber nicht beeindrucken lassen.
Anlage 1:
Das israelische Empire und der amerikanische Zwerg
Gideon Spiro, 27.5.11 http://www.kibush.co.il/show_file.asp?num=46961
Im Vorfeld des Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten in den USA, hat die Presse den Eindruck erweckt, dass Nethanyahus Besuch durch den Konflikt und die schlechter werdenden Beziehungen zu den USA gekennzeichnet wird. Das war die Stimmung nach Obamas Rede über den Nahen Osten . Und warum hatte man dies erwartet? Weil der Präsident es gewagt hatte, dass zwei Wörter über seine Lippen kamen: „1967er-Grenze“. Sie sollten die Basis für ein Friedensabkommen mit dem palästinensischen Volk sein.
Was tatsächlich geschah, war, dass Netanyahu Präsident Obama so behandelte, als wäre er ein Hussein aus den besetzten Gebieten, dem die Bürgerrechte entzogen worden waren, dessen Meinung nicht gilt und dem beigebracht werden muss, wo es lang geht. Dem entsprechend wurden wir Zeugen der surrealistischen Vorstellung, in der Netanyahu Obama einen kurzen Kurs über die Geschichte des jüdischen Volkes vor der ganzen Welt gab, und wie der Schüler Obama schweigend zuhörte und gelegentlich mit dem Kopf nickte.
Der kurze Kurs war voller Löcher wie ein Schweizer Käse, aber der Schüler Obama reagierte nicht – ob aus Verlegenheit oder aus Ehrfurcht vor der Gegenwart des israelischen Herrschers (bleibt offen). Netanyahu lehrte Obama, dass die Grenzen von 1967 nicht zu verteidigen sind, also kann es keinen Rückzug zu ihnen geben. Obama, der vielleicht nicht seine Hausaufgaben gemacht hatte, stellte Netanyahu nicht die Frage, die gefragt werden sollte: wenn diese Grenzen so schrecklich sind, wie konnte es dann geschehen, dass genau von diesen Grenzen aus Israel einen so großen Sieg errungen hat und Land von drei benachbarten Ländern erobern konnte, während Israel die schlimmste Niederlage im Yom Kippur-Krieg erlitt, als es die Kontrolle über Gebieten hatte, die mehrfach größer als es selbst war?
Nach der Lektion des brüllenden Löwen Netanyahu tat Obama seine Hausaufgaben. Wer will schon Netanyahus Schelte noch einmal ausgesetzt sein? Und tatsächlich bei seinem Erscheinen in der AIPAC-Konferenz brachte er eine jüdische Korrektur, vielleicht als eine Geste gegenüber dem Ritual der Wiedergutmachung für die Nacht von Shavuot, wenn das Buch Ruth ( Ruth 1.16) gelesen wird. Er massierte das jüdische und israelische Ego bis zu einem peinlichen Grad. Er stellte stolz fest, dass kein Präsident so viel getan hätte, um Israel zu bewaffnen. Die USA werden immer Israels Sicherheit bewahren. Keine Rückkehr zu den 67er-Grenzen, dem Besatzer muss es erlaubt sein, sich an der Beute zu freuen, die er gestohlen hat. Kein Wort über die Besatzung, über die Tatsache, dass die Palästinenser auch ein Recht auf Menschenrechte haben. Keine Verhandlungen mit einer Regierung, die von Hamas unterstützt wird. Zu all dem warme Worte über zwei Demokratien, die die (gleichen) Werte teilen. Dein Gott ist mein Gott. Warum Tausende von Juden vor den Kopf stoßen, die einen wesentlichen Teil der Kongressmitglieder beider Parteien finanzieren?
Der Höhepunkt des Besuches war Netanyahus Rede vor den gemeinsamen Häusern des Kongresses. Ich hatte seit langer Zeit keine solch bizarre Show gesehen. Netanyahu äußerte zahllose Lügen – wenn auch in tadellosem Englisch. Wie z.B. dass das halbe Prozent von Arabern im Nahen Osten , das sich demokratischer Rechte erfreut, die Araber in Israel sind. Kein Wort über die Palästinenser in den besetzten Gebieten, die einer unterdrückerischen Militärregierung unterworfen sind, nicht ein Wort über die Privilegien, derer sich die Siedler in den besetzten Gebieten erfreuen, die dabei sind, die Militärregierung in eine Apartheid zu verwandeln. Noch haben die Palästinenser, die Bürger Israels sind, die gleichen Rechte wie Juden. Sie werden bei allem diskriminiert: Wohnung, Gesundheit, Rechte und Bildung. Nichts davon hinderte die versammelten Mitglieder des Kongresse daran, Dutzende von Malen „standing ovations“ zu geben – wie ein Haufen gehirngewaschener Idioten.
Während Netanyahu unter dem Deckmantel demokratischer Rhetorik rdete, demolierte Israels Polizei das Beduinendorf Al-Araqib im Negev zum wer-weiß-wievielten-Male. Palästinensische Kinder wurden weiter unter demütigenden Bedingungen im Ofer-Haftzentrum in den besetzten Gebieten in Haft genommen – eine Verletzung des Völkerrechts; die Siedler raubten weiter Land des palästinensischen Volkes, und die Soldaten der Besatzung missbrauchten und schossen auf ein besetztes Volk, das keine Rechte hat.
Der wiederholte Applaus der Kongressmitglieder erinnerte mich an Kongresse der sowjetischen Partei, deren Mitglieder bei jeder Lüge und Dummheit, die von den Lippen des Generalsekretärs kamen, applaudierten. Sind dies die (verantwortlichen) Führer der freien Welt? Die Ignoranz, die ein Teil des rechten politischen Konservatismus geworden ist, ist schockierend und alarmierend.
Zweifellos kehrte Netanyahu als siegreicher Held nach Israel zurück. Amerika steht nun hinter ihm. Allgemeine Meinungsumfragen in Israel haben gezeigt, dass seine Popularität dramatisch angewachsen ist. Aber auf die Dauer, wenn die Politik der Neins weitergeht, sollten wir besser die Luftschutzkeller fertig machen.
Zurückhaltung
Am Nakbatag, den 15. Mai marschierten Tausende von unbewaffneten Palästinensern aus Syrien, dem Libanon und den besetzten Gebieten in Richtung Israel mit dem Ziel, die Orte zu besuchen, von denen sie vertrieben wurden. Es war ihr eigener „Marsch der Lebenden“. Den palästinensischen Demonstranten stand die israelische Armee gegenüber. Und nach Haaretz war die Folge davon 14 Getötete und Hunderte von Verletzten. Die israelischen Mainstream-Medien – die Druck- und elektronischen Medien, beschrieben das Verhalten der israelischen Armee als „zurückhaltend“. Wenn die syrische Armee 14 Zivilisten tötet und Dutzende an einem Tag verletzt, bringen die israelischen Medien Schlagzeilen wie „Gemetzel in Syrien“. In Israel wird die selbe Zahl Getöteter und eine viel größere Zahl Verletzter als „zurückhaltendes Verhalten der Armee“ bezeichnet. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie unsere Sprache gewaschen wird.
Warum wird es Bewohnern des Deheische-Flüchtlingslagers bei Bethlehem nicht erlaubt, in Richtung Moshav Zecharia, nicht weit von Beit Shemesh, zu marschieren, von wo sie vertrieben wurden? Juden ist ihr Besitz, der ihnen von üblen Regimes gestohlen wurde, wiedererstattet worden. Sie können in ihr Ursprungsland in Polen, Deutschland, Rumänien, Marokko und Tunesien zurückkehren und dort leben. Aber den Palästinensern wird nicht einmal erlaubt, ihre Dörfer und Städte zu besuchen, in denen sie bis vor 63 Jahren gelebt haben, noch bekommen sie eine Entschädigung für ihren Besitz. Das ist eine Demokratie nach israelischem Vorbild.
Dies zur Information für die Applaudierenden des amerikanischen Kongress.
(dt. Ellen Rohlfs)
Anlage 2:
Heilige Mantras
Uri Avnery, 25.Juni 2011
DIE PALÄSTINENSER planen etwas Widerwärtiges: sie beabsichtigen sich an die UN-Vollversammlung zu wenden wegen eines eigenen Staates.
Warum ekelhaft? Jeder israelische Sprecher (ganz zu schweigen von Sprecherinnen) wird euch prompt antworten: weil es ein „einseitiger“ Schritt ist. Wie können sie es wagen , einseitig einen Staat auszurufen? Wie können sie es wagen, ohne die Zustimmung der anderen Partei des Konfliktes – also uns?
Einer, der es mit Details genau nimmt, könnte an diesem Punkt fragen: „Aber war der Staat Israel nicht auch einseitig proklamiert worden?“ Es mag daran erinnert werden, dass unser Staat von David Ben-Gurion und seinen Kollegen am 14. Mai 1948 erklärt wurde – ohne jemanden zu fragen.
Aber wer wagt es, zu vergleichen ?
Außerdem wenden sich diese niederträchtigen Palästinenser direkt an die UN-Vollversammlung und versuchen den UN-Sicherheitsrat zu umgehen, wo die US mit ihrem Veto sie blockieren könnten. Was für ein schmutziger Trick!
Aber Moment mal! War der Staat Israel nicht auf Grund einer von der UN-Vollversammlung angenommenen Resolution proklamiert worden? Um genau zu sein: die Resolution 181 vom 29. November 1947 über die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat.
Tatsächlich ist diese Resolution noch immer in Kraft/. Sie diente als Kernstück von Israels Unabhängigkeitserklärung und dient jetzt als Grundlage für die palästinensische Forderung, dass der Staat Palästina als vollberechtigtes Mitglied der Vereinten Nationen akzeptiert werde.
Aber noch einmal, wie kann man nur vergleichen?
KURZ GESAGT – die Palästinenser müssen für ihre unverschämte Bemühung, zu „einseitigen“ Aktionen zu greifen, verurteilt werden. Binyamin Netanyahu sagt es. Barack Obama sagt dasselbe. Auch Hillary Clinton und Angela Merkel. Es ist zu einem Mantra geworden.
Ein weiteres Mantra. Man hätte denken können, dass die israelisch-palästinensische Arena so voller Mantras ist, dass es keinen Platz mehr gibt. Aber es gibt noch Platz.
Shlomi Avineri, ein sehr geachteter zionistischer Professor, hat eines der ältesten Mantras ans Licht geholt. In einem Artikel „Narrative und Wahrheit“ behauptet er kürzlich, dass es zwei Narrative über den Konflikt gibt, aber nur eine Wahrheit. Die Wahrheit besteht aus unanfechtbaren Tatsachen.
Zum Beispiel gibt es mehrere Narrative über die UN-Teilungsresolution, aber nur eine Wahrheit. Und zufällig stimmt die Wahrheit mit der israelischen Narrative überein, die zu einem heiligen Mantra wurde.
Es ist folgendermaßen: 1947 akzeptierte die zionistische Führung den UN-Teilungsplan, und die palästinensischen Araber wiesen ihn zurück. Stattdessen griffen sie die jüdische Gemeinschaft im Lande an und wurden später von den regulären Armeen der benachbarten arabischen Staaten unterstützt. Sie wollten uns ins Meer werfen. Sie verloren den Krieg und zahlten den Preis.
Tatsachen? Unanfechtbar? Na, ja …
ES IST tatsächlich ein Faktum, dass die zionistische Führung – formell - den Teilungsplan akzeptierte. Viele zionistische Führer waren dagegen, aber wurden von David Ben-Gurion überzeugt, mit der offiziellen Akzeptanz einverstanden zu sein. Doch bei mehreren geheimen Treffen machte Ben-Gurion ihnen klar, die Teilungsgrenzen seien unannehmbar und müssten bei der nächstbesten Gelegenheit verbessert werden. Die Protokolle dieser Treffen können von allen eingesehen werden.
Die andere Seite des Mantras – „Die palästinensischen Araber wiesen sie zurück“ - ist komplizierter. Es gab ja keine demokratisch gewählte palästinensische arabische Führung. Bei dem arabischen Aufstand von 1936-39 wurde die arabische Führung – so wie sie war – zerstört, teils von den Briten, aber vor allem von dem führenden palästinensischen Anführer, dem Großmufti Hajj Amin Al-Husseini. Er hatte die meisten seiner Konkurrenten umbringen lassen.
Während des 2. Weltkrieges floh Hajj Amin nach Nazi-Deutschland, und der Rest der Führungsleute wurde von den Briten deportiert. Nach dem Krieg blieb der diskreditierte Großmufti im Ausland. Ein entfernter Verwandter stand dem sog. „Arabischen Hohen Komitee“ vor, das nicht gewählt war und kaum Wurzeln in der Bevölkerung hatte. Es existierte einfach keine wirksame palästinensische Führung.
Keiner fragte die arabischen Palästinenser, ob sie irgendetwas akzeptieren oder zurückweisen würden. Wenn sie gefragt worden wären, würden sie wahrscheinlich die Teilung zurückgewiesen haben, da - ihrer Ansicht nach – sie einen großen Teil ihrer historischen Heimat an Ausländer abgeben müssten. Um so mehr, da den Juden, die zu dieser Zeit nur ein Drittel der Bevölkerung ausmachten, 55% des Landes zugeteilt wurden – und die Araber sogar dort 40% der Bevölkerung ausmachten.
Die Regierungen der arabischen Staaten wiesen die Teilung zurück, aber sie vertraten die palästinensischen Araber nicht, die damals noch unter britischer Herrschaft standen (Genau wie wir).
Tatsächlich gab es während des Krieges 1948 keine wirksame vereinigte palästinensisch-arabische Führung noch gab es etwas, was entfernt einer vereinigten palästinensischen Kampfkraft ähnelte.
Man kann diese Tatsachen interpretieren wie man will – aber sicher geben sie kein klares Bild zu „die Zionisten akzeptierten, die Palästinenser wiesen ihn zurück.“
Doch ist dieses Mantra endlos in Zeitungsartikeln, TV-Talk-Shows und politischen Reden als selbstverständliche Wahrheit wiederholt worden. Prof. Avineri ist nur einer von einer Legion israelischer Propagandisten, die es wiederholen.
EIN ANDERES Mantra , das als unanfechtbare Wahrheit hingestellt wird, sind die 750 000 ursprünglichen palästinensischen Flüchtlinge, die 1948 ihre Häuser freiwillig verließen, nachdem sie von der arabischen Führung aufgefordert wurden, dies zu tun , um den Weg für die vorrückenden arabischen Armeen frei zu machen.
Jeder Nachdenkliche, der dies hört, muss zu der Schlussfolgerung kommen, dass dies totaler Unsinn ist. Keine vorrückende Armee würde wünschen, dass eine freundlich gesinnte Bevölkerung weggeht. Im Gegenteil. Natürlich wurde keinerlei Beweis für diese Behauptung je entdeckt. (da mag es einige Zweifel über lokale Ereignisse während der Eroberung der arabischen Stadtteile von Haifa gegeben haben, aber sie verändern das Gesamtbild nicht).
Dieses Mantra basiert auf der Idee , dass in Kriegszeiten alle Menschen auf der Verliererseite ihr Land, ihr Haus und ihren Besitz einbüßen. Dies mag in biblischen Zeiten so gewesen sein, aber im 20. Jahrhundert reflektiert es nicht das Völkerrecht oder die allgemeine Moral.
Es mag viele verschiedene Meinungen darüber geben, wie man dieser Tragödie ein Ende setzt. Die palästinensische Flüchtlingsbevölkerung ist inzwischen auf über fünf Millionen angewachsen. Die Landschaft hat sich vollkommen verändert. Sehr wenig Leute, einschließlich Palästinenser, glauben an eine Rückkehr der Flüchtlinge en masse. Aber das ändert nicht die Tatsache, dass das Mantra hohl klingt. Es ist nicht einmal mehr gute Propaganda.
EIN NEUES Mantra wird jetzt verbreitet. Binjamin Netanyahu hat es in einfache Worte gefasst: „Der Konflikt ist unlösbar“. Viele geachtete Personen, einschließlich prominenter Universitätsprofessoren, wiederholen es jetzt täglich.
Ich erinnere mich an einen verstorbenen Freund, Samuel Merlin, ein Mitglied der ersten Knesset. Er nahm 1970 an einer öffentlichen Debatte mit Professor Yehoshafat Harkabi teil, einem früheren Chef des militärischen Nachrichtendienstes. Während der Ära der Euphorie zwischen den 1967er und 1973er Kriegen war Harkabi ein fanatischer Araberhasser (nach 1973 bereute er und wurde ein entschlossener Friedensaktivist).
Als Merlin dran kam, um auf Harkabis Argumente zu antworten, sagte er : „Ich achte Professor Harkabi sehr, aber um solche Ansichten zu haben, muss man kein Professor sein,
es könnte irgend jemand auf der Straße sein.“
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
Anlage 3:
Ost-Jerusalem: Israel verhaftet 8-jährigen palästinensischen Jungen
Joseph Dana, 29.5.11
Die israelische Polizei beschleunigt Verhaftungen und Angriffe gegen palästinensische Kinder. Es auf Kinder abgesehen zu haben, ist nichts Neues in Westbankdörfern wie Nabi Saleh und Bilin. An diesem Nachmittag überfiel die Polizei das Haus des 8jährigen Ali Siyam im Ost-Jerusalemer Stadtteil Silwan.
Die Polizei hat in Silwan ein Haus überfallen, um gegen israelisches Militär und Polizei Steine werfende Jugendliche zu zügeln. Während der Operation heute, um Ali Siyam zu verhaften, griffen israelische Polizeioffiziere Siyams Tante und Vater an, die einzigen im Hause anwesenden Erwachsenen. Siyams Tante wurde mit einer gummi-ummantelten Stahlkugel ins Bein geschossen, als sie versuchte, das Kind zu schützen. Einheimische sagen, dass sein Vater geschlagen und mit Pfefferspray besprüht wurde, als die Polizei den Jungen mitnahm. Beide wurden ins Hadassa-Krankenhaus zur Behandlung mitgenommen.
Siyam wurde nach Jerusalem zur Polizeistation im Russian Compound wegen angeblichem Steine werfen zum Verhör mitgenommen. Seine Anwältin die israelische Anwältin Lea Tsemel war dort, als er auf der Polizeistation ankam. Doch die israelische Polizei erlaubte Tsemel nicht, mit dem Kind zu sprechen, verweigerte ihr auch, beim Verhör anwesend zu sein. Tsemel versuchte trotzdem, in den Verhörraum zu kommen. Nach Zeugenaussagen wurde sie selbst auch verhaftet. Das Kind wurde um 20 Uhr nach stundenlangem Verhör aus der Haft entlassen.
Siyams Verhaftung kam wenige Tage, nachdem israelische Soldaten einem 9jährigen palästinensischen Kind im Westbankdorf Nabi Saleh den Arm gebrochen hatten. Soldaten feuerten – in Verletzung israelischer Armeeverhaltensregeln - aus zehn Meter Entfernung einen Tränengaskanister direkt auf das Kind . Ein anderes 14 jähriges Kind wurde auch von einem Tränengaskanister verletzt, bevor eine Demonstration zu Ende war.
(dt. Ellen Rohlfs)
Anlage 4:
Leugnen, Leugnen
Uri Avnery, 18.Juni 2011
DIESER UNSINN mit der Anerkennung Israels als “jüdischer Staat”, das reicht mir jetzt.
Er gründet sich auf eine Reihe hohler Phrasen und ungenauer Definitionen, ohne irgendeinen realen Inhalt. Er dient vielen verschiedenen Zwecken; fast alle sind böse.
Binyamin Netanyahu benützt ihn als Trick, um die Errichtung des palästinensischen Staates zu blockieren. In dieser Woche erklärte er, dass es für diesen Konflikt keine Lösung gäbe. Warum? Weil die Palästinenser nicht damit einverstanden sind, uns als „jüdischen Staat“ anzuerkennen.
Vier rechte Mitglieder der Knesset haben gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Regierung ermächtigt, das Registrieren neuer NGOs zu verweigern und existierende aufzulösen, wenn sie den „jüdischen Charakter des Staates leugnen“.
Diese neue Gesetzesvorlage ist nur eine aus einer Reihe, die dafür bestimmt ist, die zivilen Rechte der arabischen Bürger als auch die von linken Bürgern zu beschneiden.
Wenn der verstorbene Dr. Samuel Johnson im heutigen Israel gelebt hätte, würde er seinen berühmten Ausspruch über Patriotismus von vor 250 Jahren („Der Patriotismus ist die letzte Zuflucht eines Schurken) neu formulieren: „Die Anerkennung des jüdischen Charakters des Staates ist die letzte Zuflucht eines Schurken.“
NACH ISRAELISCHER Redeweise würde das Leugnen des „jüdischen Charakters“ des Staates dem schlimmsten aller politischen Verbrechen gleichkommen: zu behaupten, Israel sei ein „Staat aller seiner Bürger.“
Für einen Ausländer mag dies ein bisschen verrückt klingen. In einer Demokratie gehört der Staat ganz klar allen seinen Bürgern. Erwähne dies in den USA, dann stellst du etwas Selbstverständliches fest. Erwähnst du dies in Israel, dann wirst du fast wie ein Verräter behandelt. (So viel zu unseren sehr gepriesenen „gemeinsamen Werten“.)
Tatsächlich ist Israel ein Staat aller seiner Bürger. Alle seine erwachsenen Bürger – und nur sie – haben das Recht, die Knesset zu wählen. Die Knesset ernennt die Regierung und erlässt die Gesetze. Sie hat viele Gesetze erlassen, die erklären, Israel sei ein „jüdischer und demokratischer Staat“. In zehn oder hundert Jahren kann die Knesset beschließen, Israel sei ein katholischer, buddhistischer oder islamischer Staat. In einer Demokratie sind es die Bürger, die die Herrschaft inne haben, nicht eine verbale Formel ??
WAS FÜR eine Formel – mag man sich fragen.
Die Gerichte lieben Wörter wie „jüdischer und demokratischer Staat“. Aber das ist längst nicht die einzige Definition.
Die am meisten gebrauchte ist einfach „jüdischer Staat“. Aber das genügt Netanyahu und seinen Kollegen nicht, die über „den Nationalstaat des jüdischen Volkes“ reden, der einen hübschen Klang aus dem 19. Jahrhundert hat. Der „Staat des jüdischen Volkes“ ist auch ziemlich populär.
Eines, das alle diese Markennamen gemeinsam haben, ist, dass sie alle völlig ungenau sind. Was bedeutet „jüdisch“? Eine Nationalität, eine Religion, ein Volksstamm? Wer ist das „jüdische Volk“? oder sogar noch ungenauer die „jüdische Nation“? Schließt dies die Kongressleute ein, die die Gesetze der USA erlassen ? Oder die Kohorten amerikanischer Juden, die die Politik der USA im Nahen Ostens bestimmen? Welches Land vertritt der jüdische Botschafter von Großbritannien in Tel Aviv?
Die Gerichtshöfe haben sich mit der Frage herumgeschlagen: wo ist die Grenze zwischen „jüdisch“ und „demokratisch“? Was bedeutet „demokratisch“ in diesem Kontext? Kann ein „jüdischer“ Staat wirklich „demokratisch“ sein oder kann ein „demokratischer“ Staat eigentlich wirklich „jüdisch“ sein? All die von gelehrten Juristen und berühmten Professoren gegebenen Antworten sind gekünstelt oder, wie wir auf Hebräisch sagen: „sie stehen auf Hühnerbeinen“.
GEHEN WIR zurück zum Anfang: das Buch, das auf Deutsch von Theodor Herzl, dem Gründungsvater des Zionismus, geschrieben und 1896 veröffentlichte wurde, nannte er „Der Judenstaat“.
Leider ist das ein typisch deutsches Wort, das man nicht übersetzen kann. Gewöhnlich wird es ins Englische als „The Jewish State“ oder „The State of the Jews“ übertragen. Beide sind falsch. Am nächsten würde „The Jewstate“ kommen.
Wenn dies etwas antisemitisch klingt, dann ist das nicht zufällig. Es könnte viele schockieren, aber dies Wort wurde nicht von Herzl erfunden. Es wurde das erste Mal von einem preußischen Adligen mit dem beeindruckenden Namen Friedrich August Ludwig von der Marwitz verwendet, der 23 Jahre bevor Herzl geboren wurde, gestorben ist. Er war ein engagierter Antisemit, lange bevor ein anderer Deutscher den Terminus „Antisemitismus“ als Ausdruck des gesunden deutschen Geistes erfunden hat.
Marwitz, ein ultra-konservativer General, war gegen die liberalen Reformen, die in jener Zeit vorgeschlagen wurden. 1811 warnte er, Preußen werde durch diese Reformen in einen Judenstaat verwandelt. Er wollte damit nicht sagen, dass die Juden eine Mehrheit in Preußen werden würden – Gott bewahre – aber dass Geldverleiher und andere zwielichtige jüdische Händler den Charakter des Landes korrumpieren und die guten alten preußischen Tugenden zum Verschwinden bringen würden.
Herzl selbst träumte nicht von einem Staat, der allen Juden der Welt gehören würde. Ganz im Gegenteil – seine Vision war, alle wirklichen Juden würden in den Judenstaat gehen (ob in Argentinien oder Palästina hatte er noch nicht entschieden). Sie – und nur sie – würden fortan „Juden“ sein. All die anderen würden sich in ihren Gastländern assimilieren und aufhören, Juden zu sein.
Tatsächlich weit, weit entfernt von der Vorstellung eines „Nationalstaates des jüdischen Volkes“ wie es sich viele der heutigen Zionisten vorstellen, einschließlich derer, die gar nicht davon träumen, nach Israel einzuwandern.
ALS ICH noch ein Junge war, nahm ich an Dutzenden von Demonstrationen gegen die britische Regierung Palästinas teil. Bei allen schrieen wir uni solo „Freie Einwanderung! Hebräischer Staat!“ Ich kann mich nicht an eine einzige Demonstration mit dem Slogan „Jüdischer Staat“ erinnern.
Das war ganz natürlich. Ohne dass es jemand angeordnet hatte, machten wir eine klare Unterscheidung zwischen der hebräisch sprechenden Gemeinschaft in Palästina und den Juden in der Diaspora. Einige von uns machten dies zu einer Ideologie, doch für die meisten war es ein natürlicher Ausdruck der Realität: hebräische Landwirtschaft und jüdische Tradition, hebräischer Untergrund und jüdische Religion, hebräischer Kibbuz und jüdisches Shtedl. Hebräischer Yishuv ( die neue Gemeinschaft im Lande) und jüdische Diaspora. Ein „Diasporajude“ genannt zu werden, war die letzte Beleidigung.
Für uns war dies ganz und gar nicht antizionistisch. Im Gegenteil: der Zionismus wollte eine alt-neue Nation in Erez Israel schaffen (wie Palästina auf Hebräisch genannt wird), und diese Nation wurde natürlich sehr von den Juden woanders unterschieden. Es war nur der Holocaust mit seiner riesig emotionalen Auswirkung, der die verbalen Regeln änderte.
Wie schlich sich nun die Formel „Jewish State“ ein? In der Mitte des 1.Weltkriegs 1917 veröffentlichte die britische Regierung die sogenannte Balfour-Erklärung, die proklamierte, dass „die Regierung seiner Majestät mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina betrachtet…“
Jedes Wort wurde nach Monaten von Verhandlungen mit den Zionisten sorgfältig gewählt. Eines der britischen Hauptziele war, die amerikanischen und russischen Juden für die Sache der Alliierten zu gewinnen. Das revolutionäre Russland war dabei, aus dem Krieg auszuscheiden, und der Eintritt des isolationistischen Amerika war wesentlich.
(Übrigens wiesen die Briten die Worte zurück: „Palästina in eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu verwandeln“ und bestanden auf „in Palästina“ – und ließen so die Teilung des Landes vorausahnen.)
DIE UN entschied 1947 die Teilung Palästinas zwischen seiner arabischen und jüdischen Bevölkerung. Dies sagt nichts über das Wesen der beiden zukünftigen Staaten – es benützte nur die augenblicklichen Definitionen zweier gegensätzlicher Parteien. Über 40% der Bevölkerung in dem Gebiet, das für den „jüdischen“ Staat bestimmt war, war arabisch.
Die Befürworter des „jüdischen Staates“ machten viel aus dem Satz in der „Erklärung der Errichtung des Staates Israel“ (gewöhnlich die „Unabhängigkeitserklärung“ genannt), die tatsächlich die Worte „jüdischer Staat“ einschließt. Nach der Zitierung der UN-Resolution, die sich für einen jüdischen und einen arabischen Staat aussprach, geht die Erklärung weiter:
„Dementsprechend erklären wir… auf Grund der Resolution der UN-Vollversammlung die Errichtung eines jüdischen Staates in Erez Israel, dass er als Staat Israel bekannt wird.“
Dieser Satz sagt nichts über den Charakter des neuen Staates, und der Kontext ist rein formell.
Einer der Paragraphen der Erklärung (in seiner ursprünglichen hebräischen Version) spricht über das „hebräische Volk“: „Wir reichen unsere Hände allen benachbarten Staaten und ihren Völkern und bieten Frieden und gute Nachbarschaft an und ersuchen sie dringend, Bande der Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem hebräischen Volk in seinem Land zu knüpfen.“ Dieser Satz ist offensichtlich in der offiziellen englischen Übersetzung gefälscht worden, die die letzten Worte veränderte: „das souveräne jüdische Volk, das in seinem eigenen Land siedelt.“
Tatsächlich wäre es ganz unmöglich, über irgendeine ideologische Formel ein Abkommen zu erreichen, nachdem die Erklärung von allen Fraktionen unterschrieben wurde, von der anti-zionistischen ultra-orthodoxen bis zur Moskau orientierten kommunistischen Partei.
JEDE REDE über den jüdischen Staat führt unvermeidlich zu der Frage: was sind die Juden – eine Nation oder eine Religion?
Die offizielle israelische Doktrin sagt, dass „jüdisch“ beides ist: eine nationale und eine religiöse Definition. Das jüdische Kollektiv, anders als andere, ist beides, national und religiös. Bei uns ist Nation und Religion dasselbe.
Die einzige Eintrittstür in dieses Kollektiv ist religiös. Es gibt keine nationale Tür.
Hunderttausende von nichtjüdischen russischen Immigranten sind nach dem Rückkehrgesetz mit ihren jüdischen Verwandten nach Israel gekommen. Dieses Gesetz ist ziemlich weit gefasst. Um die Juden anzuziehen, ist es erlaubt, sogar entfernt nichtjüdische Verwandten mit zu bringen, einschließlich des Ehepartners eines Enkels eines Juden. Viele dieser Nichtjuden wollen Juden werden, um als volle Israelis angesehen zu werden, haben aber vergeblich versucht, als solche akzeptiert zu werden. Nach israelischem Gesetz ist derjenige ein Jude, der „von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder konvertierte und der keine andere Religion hat.“ Dies ist eine rein religiöse Definition. Das jüdische religiöse Gesetz sagt, dass für diesen Zweck nur die Mutter und nicht der Vater zählt.
Es ist extrem schwierig, in Israel zu konvertieren. Die Rabbiner verlangen, dass der Konvertit alle 613 Gebote der jüdischen Religion hält – was nur sehr wenige Israelis tun. Aber man kann durch keine andere Tür ein offizielles Mitglied der jüdischen „Nation“ werden. Man wird ein Teil der amerikanischen Nation, wenn man die US-Staatsangehörigkeit akzeptiert. So etwas existiert bei uns nicht.
Wir haben darum in Israel einen ständigen Kampf. Einige von uns wünschen , dass Israel ein israelischer Staat ist, der dem israelischen Volk gehört und tatsächlich ein „Staat aller seiner Bürger“ ist. Einige wollen uns das religiöse Gesetz überstülpen, das angeblich von Gott für alle Zeiten auf dem Sinai vor 3200 Jahren festgelegt wurde und alle gegensätzlichen Gesetze der demokratisch gewählten Knesset aufheben. Viele wollen überhaupt keine Veränderung.
Aber – in Gottes Namen (pardon) – was hat das mit den Palästinensern zu tun? oder den Isländern?
DIE FORDERUNG, dass die Palästinenser Israel als „den jüdischen Staat“ anerkennen oder den „Nationalstaat des jüdischen Volkes“, ist absurd.
Die Briten würden sagen, It’s none of their bloody business (nicht ihre verdammte Sache). Es würde auf eine Einmischung in interne Angelegenheiten eines anderen Landes hinauslaufen.
Aber einer meiner Freunde hat einen einfachen Weg vorgeschlagen, wie man da heraus kommt: Die Knesset kann einfach beschließen, den Namen des Staates zu ändern, wie zum Beispiel „ die jüdische Republik Israel“, sodass jedes Friedensabkommen zwischen Israel und dem arabischen Staat Palästina automatisch die verlangte Anerkennung einschließt.
Dies würde Israel auch auf die gleiche Linie mit dem Staat bringen, der ihm am meisten ähnelt: „Die islamische Republik Pakistan“, die nach der Teilung Indiens in etwa derselben Zeit entstand (nach einem grausamen, gegenseitigen Massaker, nach einem großen Flüchtlingsproblem und mit einem ständigen Grenzkrieg in Kaschmir. Und der Atombombe natürlich.
Viele Israelis wären von dem Vergleich geschockt. Was, wir? Einem theokratischen Staat ähnlich? Nähern wir uns immer mehr dem pakistanischen Modell und entfernen uns vom amerikanischen?
Zum Teufel - lasst uns dies einfach leugnen!
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)