Palästina-Israel - Info & Gedanken Nr. 28

von Siegfried Ullmann

Am 27.12.2010 erscheint der UN-Bericht über die Gaza-Friedensflottille in deutscher Übersetzung im Melzer Verlag mit Vorworten von Henning Mankell u.a. sowie einem völkerrechtlichen Gutachten von Prof. Norman Paech. Er umfaßt 176 Seiten und kostet 12,99 Euro. Sie können/sollten ihn bei Ihrem Buchhändler bestellen.

 

Die Ausgabe 3/2010 "Im Lande der Bibel" enthält u.a.  erschütternde Berichte über die Auswirkungen der israelischen Besatzung auf die Landschaft Palästinas, den Kampf der christlich-palästinensischen Familie Naser um ihren Weinberg und die Vertreibung der arabischen Bevölkerung aus Ostjerusalem mit einer Beschreibung der brutalen und heimtückischen Vorgehensweisen. (Siehe unter www.jerusalemverein.de, Publikationen/Texte)

 

Die deutsche Presse unterschlägt viele Informationen, die der rechtsradikalen und religiös-fundamentalistischen israelischen Regierung missfallen. Dies gilt zum Beispiel für den Aufruf der 26 ehemaligen europäischen Spitzenpolitiker, gegen Israel auf verschiedenen Ebenen vorzugehen, wenn es sich weiterhin allen Friedenslösungen widersetzt. Der Artikel zu diesem Aufruf, den ich Ihnen mit meinem vorherigen Rundbrief zugeschickt hatte, stammte aus der Schweiz. Haben Sie Vergleichbares in einer größeren deutschen Zeitung gesehen? In den von mir überprüften deutschen Zeitungen fand ich auch nichts über die Weigerung der israelischen Regierung, ihren Staatsbürger Mordechai Vanunu, der die israelische Atomwaffenproduktion enthüllt hatte, zum Empfang der Carl von Ossietzky-Medaille ausreisen zu lassen. Statt dessen wurde ausgiebig über die Ausreiseverweigerung für den chinesischen Dissidenten Liu Xiabos berichtet.

 

Clemens Ronnefeld vom Internationalen Versöhnungsbund informierte, dass die österreichische Zeitung "Der Standard" von der Anerkennung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 durch Brasilien, Argentinien, Costa Rica und verschiedene islamische Staaten berichtet hat. Uruguay will sich noch anschließen. Aber auch hier „Funkstille“ bei der deutschen Presse. Näheres finden sie unter www.versöhnungsbund.de

 

Der deutsche Widerstandskämpfer Bert Engelmann zitiert in seinem Buch "Im Gleichschritt Marsch - Wie wir die Nazizeit erlebten" einen evangelischen Pfarrer, "einen sehr konservativen, vorsichtigen und bedächtigen Mann. Aber in Gewissensfragen war er kompromisslos. "Jeder, auch der Einfältigste, kann Recht von Unrecht unterscheiden." sagte er. "Wenn wir aber sehen, dass schreiendes Unrecht geschieht, ... , dann müssen wir uns dem widersetzen ...," " - Das sollte auch heute noch gelten.

 

In Engelmanns Buch heißt es an anderer Stelle nach Hitlers Einverleibung der Tschechoslowakei im März 1939: "Aber Hitlers Rechnung ging ja wieder auf, und die anderen Großmächte begnügten sich mit Protesten." - Genauso könnte man heute nach Israels zahlreichen Verletzungen des Völkerrechts und der Missachtung von UN-Beschlüssen schreiben: "Aber Israels Rechnung ging ja wieder auf, denn die Weltgemeinschaft begnügt sich mit Protesten."

 

An anderer Stelle heißt es: "Viel zu spät haben sie (die Engländer und Franzosen) begriffen, dass sie durch ihr Einlenken und Nachgeben diesen Erpresser nur noch gieriger gemacht hatten." - Da drängen sich doch weitere Parallelen zu Israel auf, das die Besiedlung  des palästinensischen Landes ungestraft fortsetzt.

 

Im Jahre 1933 wurde von allen deutschen Redakteuren per Gesetz ein "Bekenntnis zum nationalsozialistischen Staat" gefordert, so wie nach einem kürzlich in Israel erlassenen Gesetz von allen Zuwanderern  ein Eid auf den jüdischen Staat gefordert wird, was man sogar auf alle arabischen Staatsbürger ausdehnen möchte. - Engelmann beschreibt auch aus eigenem Erleben die Vorgänge in der "Reichskristallnacht" am 9. November 1938 und die Menschen, die halfen, Juden und andere Verfolgte zu retten. Die anderen Bücher des Bert Engelmann sind ebenfalls eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

 

Die TAZ berichtete am 14. Dezember 2010, dass 50 von der Stadtverwaltung Jerusalem angestellte Rabbiner die jüdischen Hausbesitzer aufgefordert haben, keinen Wohnraum an Palästinenser zu vermieten. Bei Zuwiderhandlungen würde ihnen soziale Ächtung und Boykott drohen. - Allerdings käme für fast die Hälfte aller Israelis ohnehin eine Vermietung an Araber nicht in Frage. Der Hetzappell habe jedoch bei Holocaust-Überlebenden düstere Assoziationen wach werden lassen. Ein linker Politiker fragte "wie wir wohl reagieren würden, wenn wir von einem ähnlichen, gegen Juden gerichteten Appell im Ausland erfahren würden."  -  Es gibt in Israel aber keine gesetzliche Handhabe gegen derartige Beispiele von Rassismus und Volksverhetzung. In Deutschland würden sie hingegen die Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen.

 

Abram Melzer hat in seinem Editorial in der Dezember/Januar-Ausgabe seiner Zeitschrift DER SEMIT sehr treffend die Ereignisse der letzten Wochen beschrieben. Es ist immer wieder ein Genuss, seine oft sarkastischen Kommentare zu lesen. Erschütternd ist aber, was der Vater des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einem Interview von sich gegeben hat und teilweise in DER SEMIT wiedergegeben wurde. Schon um dieser Aussagen willen lohnt es sich, die neue Ausgabe von DER SEMIT am Bahnhof zu kaufen oder fortlaufend zu abbonieren. U.a. sagte der Vater Prof. Netanjahu: "Die Zwei-Staatenlösung gibt es auch nicht. Es gibt hier keine zwei Völker. ... " Auf die Frage: "Was wäre die Lösung?" antwortete er: "Keine Lösung, nur Gewalt ... eine starke militärische Herrschaft. Jeder Aufstand bringt den Arabern enormes Leiden. Wir sollten nicht auf eine große Meuterei warten, um damit anzufangen, sondern ziemlich bald mit großen militärischen Kräften anfangen, um sie daran zu hindern, weiterzumachen."


An anderer Stelle sagte er hinsichtlich des Umgangs mit den Palästinensern: "Dass sie nicht in der Lage sind, weiter mit uns Krieg zu führen. Das schließt auch ein Zurückhalten  von Lebensmitteln  in arabische Städte ein, verhindert  Schulbildung, keine Stromlieferungen und anderes. Sie sollen nicht mehr in der Lage sein, weiter zu existieren. Sie sollen von hier weglaufen. Aber alles hängt vom Krieg ab, und ob wir die Schlachten gewinnen." - Leider ist dies  keine Einzelmeinung, sondern entspricht der Politik der israelischen Regierung. Das erklärt zum Beispiel die israelische Blockade des Gazastreifens und das letzte Gaza-Massaker. Aber die Bundesregierung behauptet, dass Deutschland und Israel die gleichen Werte verbinden würden.

 

Abschließend noch das Gedicht "Worauf es ankommt" des jüdischen Dichters und Schriftstellers Erich Fried aus dem Gedichtband „Höre Israel“:

 

"Es kommt im Augenblick

nicht darauf an

wann es war

dass die Unterdrückerregierung

in Israel

sich verwandelt hat

in eine Verbrecherregierung


Aber es kommt darauf an

zu erkennen

dass sie jetzt eine

Verbrecherregierung ist


Es kommt auch nicht mehr

darauf an

darüber zu streiten

nach welchem Vorbild

sie ihre Verbrechen begeht

Diese Verbrechen selbst

treiben sichtbar die Spur ihres Vorbilds


Aber es kommt darauf an

nicht nur klagend oder erstaunt

den Kopf zu schütteln

über diese Verbrechen

sondern endlich

etwas dagegen zu tun


Es kommt nicht darauf an

was man ist

Moslem, Christ, Jude, Freigeist:

Ein Mensch

der ein Mensch ist

kann nicht schweigen

zu dem was geschieht"

 

 

In diesem Sinne

mit allen guten Wünschen für das kommende Jahr,

Ihnen sowie allen Völkern dieser Welt

Herzlichst Siegfried Ullmann