Hirohima Gedenktag in Bonn 2016 -
Rede von Martin Singe vom Bündnis "Bonn goes Büchel" und Pax Christi

Wir gedenken heute der Opfer des Atombombenabwurfes auf Hiroshima vor 71 Jahren und der Opfer des Abwurfes der Bombe auf Nagasaki, drei Tage nach Hiroshima.

Die Menschheit jedoch hat scheinbar nichts gelernt. Weltweit lagern lt. SIPRI Anfang 2016 rund 15.400 Atomsprengköpfe bei den Atomwaffenmächten, etwas je 7.000 davon in Russland und in den USA. Während wir hier zusammenstehen, lagern 100 km von hier entfernt auf dem Fliegerhorst in Büchel in der Eifel etwa 20 Atombomben mit einer Sprengkraft von jeweils 13 Hiroshima-Bomben. Dazu stehen in Büchel Tornados als Trägerflugzeuge bereit, mit denen deutsche Soldaten permanent den Abwurf der Atombomben üben. Im Kriegsfall fliegen Bundeswehrsoldaten die atomar tödliche Last in die Ziele. Das Konzept nennt sich „nukleare Teilhabe“, ist aber in Wirklichkeit ein Bruch des Atomwaffensperrvertrages. Nach diesem Vertrag darf die Bundesrepublik nicht über Atomwaffen verfügen. Formal wird das dadurch umgangen, dass die USA die Aufsicht über die Bomben haben. Im Ernstfall wird der Atomwaffensperrvertrag dann einseitig außer Kraft gesetzt.

Obwohl der Bundestag bereits 2010 einen Beschluss zum Abzug der Bomben gefasst hatte, steht nun fest, dass diese Bomben stattdessen modernisiert werden. Ebenfalls sollen die Trägerflugzeuge den neuen Bomben angepasst werden. Wobei Modernisierung der Atombomben oder wie die Amerikaner gerne sagen „Lebensdauerverlängerung“ Begriffe sind, die eher verschleiern als aufklären. In Wirklichkeit bedeuten die neuen Bomben B 61-12, die auch in Büchel stationiert werden sollen, einen Qualitätssprung besonderer Art. Gerade letzte Woche wurde bekannt, dass die neuen Bomben in den USA in die Produktion gehen. Sie werden auch in den anderen europäischen NATO-Staaten, die heute Atomwaffen haben, stationiert, insgesamt in Europa etwa 200 Atombomben. Bei der B 61-12 kann man nicht mehr unterscheiden, ob es sich um eine taktische oder strategische Bombe handelt. Sie ist beider maßen verwendbar, kann also auch von strategischen Bombern ins Ziel gebracht werden. Damit werden alle atomaren Abrüstungsverträge und deren Schemata unterlaufen, da bislang stets in diesen verschiedenen Kategorien verhandelt wurde und auch die Abkommen entsprechend abgeschlossen wurden. Die „All-in-one“-Bombe (O. Nassauer) torpediert die bisherigen Abkommen und erschwert alle künftigen nuklearen Abrüstungsverhandlungen.

Hinzu kommt, dass die neuen Bomben zielgenauer sind, computergesteuert selbstständig in der Endphase ins Ziel finden und in der Sprengkraft unterschiedlich einstellbar sind. Die Erdeindringfähigkeit wird größer, und damit ist es auch eine bunkerbrechende Atomwaffe.
All das senkt die Schwelle zum Einsatz der Bomben, da man sich der Illusion hingibt, mit nur wenigen Kollateralschäden militärische Ziele vernichten zu können. Hinzu kommt der Aufbau der neuen Raketenabwehr der NATO in Polen und Rumänien. Russland muss dies
als Bedrohung seiner eigenen Atomwaffenarsenale empfinden.

Weltweit stehen wir vor einer katastrophalen neuen nuklearen Aufrüstungsrunde. Nahezu alle Atomwaffenstaaten modernisieren ihre Arsenale, wobei die Einsatzfähigkeit und Zielgenauigkeit der Bomben im Mittelpunkt stehen. Das Desaster des Scheiterns der Verhandlungen um den Atomwaffensperrvertrag wird dazu führen, dass immer mehr Staaten Atombomben besitzen wollen. Solange sich die Atomwaffen besitzenden Staaten weigern, auf wirkliche und vollständige Abrüstung der Atomwaffen hin zu verhandeln, so lange werden sich die Atomwaffenstaaten vermehren.

Der Atomwaffensperrvertrag fordert, auf vollständige Abrüstung hinzu verhandeln, was die Atomwaffenstaaten verweigern.
Neue Hoffnung macht die sogenannte Humanitäre Initiative / Pledge-Initiative, die am alten Atomwaffensperrvertrag vorbei eine neue Abschaffungsinitiative in die Wege geleitet hat und an der sich schon über 100 Staaten beteiligen. Die Initiative hierzu ging Ende 2014 von
Österreich bei der Konferenz über die humanitären Folgen eines Atomkrieges aus. Die Bundesrepublik hat sich der Initiative bislang nicht angeschlossen, da dies nicht mit der Nuklearstrategie der NATO kompatibel wäre.

Auch in der letzten UNO-Vollversammlung hat es verschiedene Initiativen gegeben, die auf die Abschaffung der Atomwaffen weltweit hinzielen. Allerdings hat die Bundesregierung sich bei diesen Initiativen entweder enthalten oder direkt dagegen gestimmt. Die Bundesregierung will hartnäckig an der nuklearen Teilhabe der NATO festhalten. Dies ist eingebettet in eine Strategie fortgesetzter Kriegführung für deutsche Interessen, wie es im neuen Weißbuch zum Ausdruck kommt.

Lasst uns gemeinsam widerstehen!

Deshalb müssen wir stärker werden in unserem Widerstand gegen die Atomwaffen. Es geht dabei um Aufklärung gegenüber der Bevölkerung, um Druck auf die Abgeordneten und um direkten Protest und Widerstand.

Wir von der Gruppe Büchel goes Bonn waren dieses Jahr im Mai erneut in Büchel und haben die Tore der Atombasis blockiert. Über 20 Wochen hinweg haben sich verschiedene Gruppen an dieser Dauerpräsenz beteiligt und den Betrieb der Atomwaffenbasis immerhin durcheinandergebracht und Öffentlichkeit für das Thema geschaffen. Schon letztes Jahr hatten wir uns an der Dauerblockade beteiligt, davor viele von uns an verschiedenen Demonstrationen in Büchel. Seit Jahren arbeitet die Kampagne „Atomwaffen abschaffen“ gegen die Nuklearpolitik der Bundesregierung und speziell gegen die Bomben in Büchel.

Unsere dringendsten kurzfristigen Forderungen an die Bundesregierung lauten:

  • Abzug der Atombomben in Büchel,
  • keine Neustationierung
  • Ausstieg der Bundesrepublik aus der Nuklearen Teilhabe der NATO
  • Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt auch über die neue Pledge-Initiative
  • Unterstützung aller UNO-Initiativen für die Ächtung der Atomwaffen

Setzen wir uns für diese Forderungen ein, wo immer es geht! In drei Tagen, am Nagasaki-Gedenktag, wird die diesjährige Dauerkampagne in Büchel vorerst beendet, mit einer größer angelegten Aktion. Es ist möglich, sich zu beteiligen! Es wird immer wieder direkte Aktionen an der Atomwaffenbasis geben. Beteiligt Euch, wann es Euch möglich ist. Und beteiligt Euch bei der Verbreitung von Informationen in Eurer Umgebung.

Verstärkt den Druck auf die Abgeordneten!

Und solidarisiert Euch mit denen, die wegen Zivilen Ungehorsams gegen die Atomwaffen strafrechtlich verfolgt werden. Immer wieder kommt es zu Prozessen wegen Blockaden, Eindringaktionen, angeblichen Versammlungsrechtsverstößen bis hin zum Vorwurf des Aufrufes zum Geheimnisverrat durch ein Flugblatt.

Informiert Euch über die Kampagne „Büchel ist überall - atomwaffenfrei jetzt!“ Ihr findet alles dazu im Internet. Unterzeichnet die Selbstverpflichtung zum Widerstand oder die Solidaritätserklärung zum Widerstand! Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Atombombenaufrüstung!

Martin Singe arbeitet beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, ist Mitglied bei pax christi bonn und bei bonn goes büchel.