Leserbrief zu "Anti-Terror-Einsatz: Eine Stadt im Krieg" in der FAZ vom 18.11.2015

von Siegfried  Ullmann

Wir zeigen unser Mitgefühl für die Toten und Verletzten der in keiner Weise zu rechtfertigenden Pariser Terroranschläge, allen voran unsere Politiker mit ihren schönen Reden. Aber Opfer ist nicht gleich Opfer. Im Irak gibt es fast wöchentlich solche Anschläge. Das wird hier höchstens zur Kenntnis genommen. Auch den 224 russischen Opfern und deren Familien des vom IS über dem Sinai zum Absturz gebrachten Passagierflugzeugs wurde keine besondere Aufmerksamkeit, geschweige denn persönliches Mitgefühl geschenkt. Genauso war es nach dem Angriff der amerikanischen Luftwaffe auf ein Krankenhaus der „Ärzte ohne Grenzen“ am 3. 10. 2015  im afghanischen Kundus, bei dem 24 Ärzte, Pfleger und Patienten getötet wurden.


Und als das israelische Militär im vergangenen Jahr über 2400 Palästinenser einschließlich rd. 500 Kindern mit Maschinenpistolen, Granaten, Bomben und Raketen sowie weißem Phosphor umbrachte, gab es hier keine Anzeichen von nennenswertem Mitgefühl mit den Opfern und natürlich im Fernsehen keine Sondersendungen und in der Presse keine ausführliche Berichterstattungen. Demnach gibt es wohl zweierlei Menschen, von denen die einen unser Mitgefühl verdienen und die anderen nicht, so wie es von den Medien und der Politik vorgegeben wird.

Der IS hat in Paris angewendet, was George W. Bush als Losung für den Angriff auf den Irak des Saddam Hussein verkündete: „Shock and Awe“, also Schock und Schrecken. Im Irak wurden dabei die Grundlagen für die Entstehung des IS gelegt. Der Nahost-Experte Michael Lüders hat in seinem Buch „Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet“ beschrieben, was zur jetzigen Situation im Nahen Osten und damit auch zu den Flüchtlingsströmen geführt hat. Mit Kriegsgeschrei und einer weiteren militärischen Eskalation werden die grundlegenden Probleme nicht beseitigt.