Ein historischer Vertrag oder doch nur ein weiterer Papiertiger?

von Dieter Riebe

Am 2.04.2013 hat die UNO endlich einen Waffenhandelskontrollvertrag („Arms Trade Treaty“, ATT) verabschiedet. Es handelt sich allerdings nur um Mindeststandards im Waffenhandel. Eine längst überfällige Regelung, da der Waffenhandel bisher ohne gültige internationale Regelungen stattgefunden hat. Dies erstaunt umso mehr, wenn man von der destruktiven Wirkung von Waffen ausgeht und berücksichtigt, dass im internationalen Handel eigentlich fast alle Bereiche geregelt sind, selbst in kleinste Details gehend. Von den 193 Mitgliedern der UNO haben 154 Länder, also eine deutliche Mehrheit, das Waffenhandelsabkommen beschlossen. Nur 3 Länder stimmten dagegen, 23 Länder enthielten sich und 13 Länder waren bei der Abstimmung nicht anwesend.


Wenn mindestens 50 Länder den Vertrag ratifiziert haben, soll es zukünftig verboten sein, dass Waffenlieferungen, die zum Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen eingesetzt werden könnten, möglich sind. Es geht also darum, dass Waffen zukünftig nicht in „falsche Hände“ kommen sollen. Damit wird der schon heute blühende illegale Waffenhandel natürlich nicht verhindert, denn dieser war ja schon vorher offiziell verboten. Auch in diesem Vertrag werden Waffenlieferungen an Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen leider nicht verboten, obwohl gerade diese Personen etc. vor allem am illegalen Waffenhandel beteiligt sind.


Unter vielen anderen sieht Amnesty International das neue Waffenhandelsabkommen der UNO als: „Ein historischer Moment für die Menschenrechte“ an, trotz der Möglichkeit an nichtstaatliche Akteure Waffen liefern zu können und so, als ob ein Gesetz alleine schon die Garantie für die Umsetzung bzw. Einhaltung der formulierten gesetzlichen Regelungen wäre. Die Wirklichkeit von Recht und Gesetz und deren praktischen Einhaltung bzw. Durchsetzung sind jedoch zwei verschiedene Seiten. Wie sagt doch der Volksmund treffend: „Papier ist geduldig“.

So werden national und international bestehende Gesetze nicht selten einfach missachtet oder von den jeweiligen Regierungen neu interpretiert. Gesetzliche Regelungen haben aber nur dann eine bindende Wirkung, wenn sie von allen anerkannt sind und ihre Auslegung auch strikt nach dem Sinn des Wortlautes eingehalten werden. Dass geltende Gesetzte immer wieder gebrochen werden, zeigt u.a. gerade Deutschland, indem die Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer Armee im weltweitem Einsatz umgeformt wurde, obwohl das Grundgesetz Artikel 26, Absatz 1 eindeutig fordert: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges, sind verfassungswidrig, Sie sind unter Strafe zu stellen.“

So hatte Deutschland z.B. im sogenannten Kosovo-Krieg, im Jahre 1999 an einem Angriffskrieg im Rahmen der Nato („Operation Allied Force“) teilgenommen, obwohl es erstens, kein Bündnisfall war und zweitens, es hierzu kein UNO-Mandat gegeben hatte. Deutschland hat also ganz klar gegen Gesetze, insbesondere gegen die UNO-Charta verstoßen, dessen Regelungen Deutschland uneingeschränkt anerkannt hatte. Die Charta der Vereinten Nationen ist eindeutig formuliert, so steht u.a. im Artikel 2 Abs. 4: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politischen Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung von Gewalt.“ Wie weit entfernt die Staatengemeinschaft sich von diesen Prämissen, in ihrer Politik haben leiten lassen, konnten wir an den vielen Kriegen der letzten Jahre erkennen. Die Regelungen der UNO-Charta hatte keinerlei praktisch Wirkung, weil sich die militärisch starken Länder einfach nicht daran halten.

Der Internationale Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang folgende Erklärung abgegeben:
„Einen Angriffskrieg zu entfesseln ist nicht nur ein internationales Verbrechen, es ist das schwerste internationale Verbrechen, dass sich von anderen Kriegsverbrechen dadurch unterscheidet, dass es das gesamte Übel des ganzen umfasst.“

Obwohl Deutschland offiziell eine der strengsten Ausfuhrkontrollen beim Waffenhandel hat, hat sie mittlerweile den 3. Platz im Waffenhandel erreicht. Dies geht natürlich nur mit Billigung der Politik, die die vorhandenen Regelungen uminterpretiert und den eigenen internationalen Waffenhandel heute als gewünschten Außenhandelsbeitrag betrachtet. Deutschland liefert mittlerweile Waffen an Staaten, die die Menschenrechte nicht beachten. Wie weit sind wir gesunken?

Doch müssen wir erkennen, dass diese schleichende Änderung der Außenpolitik von Deutschland nur dadurch möglich geworden ist, weil der größte Teil der Bevölkerung diese Remilitarisierung mit stoischer Ruhe einfach hinnimmt. Zwar befürworten sie mehrheitlich die Militarisierung der Außenpolitik nicht, doch fühlen sie sich nicht unmittelbar selbst betroffen, das Thema ist ihnen nicht so wichtig und „Wer freiwillig Soldat wird, ist doch selbst Schuld.“ Viele leben nach dem Motto: „Lass die da oben machen, wir können eh nichts daran ändern“, als ob sie einer unausweichlichen höhere Gewalt ausgesetzt sind, der man nichts entgegen zu setzen hätte. Ein demokratischen Staat lebt von dem Engagement seiner Bürger und wenn sich nicht genügend Bürger engagieren wollen, brauchen sie sich auch nicht zu wundern, dass die Politiker gegen die Interessen ihrer Bürger handeln und insbesondere die sogenannte Staatsräson als wichtigste Prämisse ansehen.

Doch verstößt Deutschland nicht nur in Bezug auf Krieg und Waffenhandel gegen die gültigen Gesetze, sondern auch innerhalb der EU haben sie grundsätzliche gesetzliche Regelungen nicht mehr eingehalten. So wurden neben staatlichen Banken, enorme Summen von Steuergeldern, zur sogenannten Bankenrettung von privatrechtlichen Banken eingesetzt, obwohl die Anleihen-Anleger und Aktienbesitzer das Insolvenzrisiko in einer Marktwirtschaft hätten selbst tragen müssen. Die daraus resultierende Eurokrise, bei der die Staaten ihre bereits bestehende hohe Schuldenlast wesentlich erhöhen mussten, führte bis zur drohenden Bankrotterklärung einiger schwachen Länder, denen darauf von der Staatengemeinschaft mit weiteren Krediten und Bürgschaften geholfen werden mussten. Mittlerweile sind die mündigen Bürger vollkommen verunsichert. Gerade in Hinblick ihrer Einlagen und Ersparnisse sind sie vollkommen verunsichert. Dies umso mehr, als mit der Zypern-Krise den Bürgern vorgeführt wurde, dass selbst kleinste Vermögen nicht mehr vor dem staatlichen Zugriff geschützt sind. Die Politiker haben dem Volk gezeigt, dass sie Gesetze beschließen können, die die bestehenden Regeln widersprechen. Die Bürger haben das Vertrauen, dass gesetzliche Regelungen eingehalten und bestand haben werden, verloren.

Es scheint so, dass wir mittlerweile so weit sind, dass die Auslegung und Einhaltung von Gesetzen in den demokratischen Rechtsstaaten der Beliebigkeit von Politikern abhängt. Es gibt keine Rechtssicherheit mehr und das in allen politischen Bereichen. Wohin wird uns das noch führen?

Aufgrund der Erfahrungen mit gesetzlichen Regelungen und deren tatsächlichen Handhabung bzw. Umsetzung, gehe ich davon aus, dass es sich bei dem Waffenhandelskontrollvertrag der UNO nur um einen weiteren Papiertiger handeln wird. In der nächsten Zeit wird sich höchst wahrscheinlich nichts in Bezug des internationalen Waffenhandels ändern, dafür sind die möglichen Gewinne für die Handelden einfach zu hoch und Geld regiert bisher nun mal die Welt.

Vom Standpunkt der Friedensbewegung aus gesehen, befindet sich jede Kriegswaffe in falschen Händen, da sie nur zu Zerstörungen und Tötungen eingesetzt werden können. Unsere Position ist, dass Konflikte von den Politikern friedlich im gegenseitigen Dialog beigelegt werden müssen und es darf nicht sein, dass mit Waffengewalt die Position des Stärkeren erzwungen werden kann. Man kann es drehen und wenden wie man will: Krieg und Waffenhandel sind ein Verbrechen an die Menschheit. Ächten wir den Krieg und den Waffenhandel als Mittel der Politik.