Nazismus, Nationalismus und Militarismus
von Christa Pfeiffer
Als ich vor einigen Jahren Mitglied der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft wurde hat mir der Vorsitzende Tilman Westphalen aus dem Nachlass von Remarque Bücher geschenkt, die er zusammen mit Thomas F. Schneider 1998 herausgegeben hat.
In dem Band 4 „Kurzprosa und Gedichte“ fand ich den Bericht: „Praktische Erziehungsarbeit in Deutschland nach dem Kriege“. Darin heißt es: „Wichtiger noch als den Nazismus zu zerstören, ist die Vernichtung des Militarismus, um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Der Nazismus wird nach seiner Niederlage Deutschland nie wieder regieren. Eine untergegangene geschlagene Diktatur kommt nie ein zweites Mal. Aber der Nazismus wäre in Deutschland nie erfolgreich gewesen ohne die typischen nationalen und militaristischen Zirkel. Sie unterstützten ihn. Sie werden nun versuchen, alle Schuld den Nazis zu geben, sich zu verstecken und einige Zeit in den Untergrund zu gehen, um sich neu zu formieren und wieder aufzutauchen. ...Der Nazismus wird mit ziemlicher Sicherheit nach dem Krieg beendet sein; Nationalismus und Militarismus nicht. Es ist wichtig zu untersuchen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg wieder auftauchten.“
Remarque hatte den Bericht im Oktober 1944 geschrieben, also vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges als noch keine Gegner auf deutschen Boden waren. Als dann aber am Ende des Krieges Deutschland fast komplett zerstört war, hat es noch eine Zeit lang gedauert, bis die Nazis sich aus der Bundesrepublik verzogen hatten. Es gab auch ab 1955 wieder Militär, aber es konnte nie wieder die Bedeutung haben wie vor oder nach dem Ersten Weltkrieg.
Auch als ich den Bericht von ihm gelesen habe, dachte ich, dass er noch immer nicht Recht hatte. Was den Nationalismus in Deutschland anging, konnte ich ihm schon eher zustimmen. Was ist es anderes als Nationalismus, wenn es so viele Deutsche gibt, die gegen Ausländer hier in Deutschland sind, auch wenn sie weit von sich weisen, dass das schon Nationalismus ist. Nicht alle von ihnen versteigen sich zu dem Ruf „Deutschland den Deutschen“ Aber wir sind schon wieder auf dem Weg zu einem Nationalgefühl. Wenn wir nicht schon wieder mitten drin sind. Was nun den Militarismus angeht, so gebe ich zu, dass ich dafür besonders empfindlich bin. Ich bin froh, dass die große Mehrheit der Deutschen zum Glück auch nicht wieder militaristisch sind. Dafür war dessen Niedergang bei Ende des Krieges zu deutlich.
Aber so nach und nach gibt es Kräfte in Deutschland, besonders, seit wir uns wieder an Kriegen im Ausland beteiligen, auch wenn sie verharmlosend als Auslandseinsätze bezeichnet werden, die wollen, dass wir mehr Achtung und Gefühl für „unsere Soldaten“ aufbringen. Da tritt Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich eines Besuches bei der Bundeswehr in Hamburg für die Bundeswehr-Auslandseinsätze ein. Er erklärte, eine Demokratie erfordere „manchmal auch das Äußerste was ein Mensch geben kann, das eigene Leben.“ Er kritisierte, das „Nicht-Wissen-Wollen“ und eine „Ohne-uns-Haltung“. Dann formulierte er, dabei betont, vom zuvor verteiltem Redemanuskript abweichend, wie folgt: „Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen."
Schwer zu ertragen ja unerträglich sind diese Präsidentenworte, die, wenn nicht an unseligen NS-Zeiten, so doch an den preußischen Soldatenwahn und an den Militarismus des Römischen Reiches erinnern, wonach es „ehrenvoll“ sei, „fürs Vaterland zu sterben“. Gauck, der ein „Bundespräsident für alle Bürgerinnen und Bürger“ sein will, stellt sich damit gegen seine eigene Bevölkerung: Mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerung lehnen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr ab. Sie tun dies nicht, weil sie „glücksüchtig“ sind – das individuelle Glück oder Unglück des einzelnen Menschen wird derzeit noch wenig vom Kriegsgeschehen in Afghanistan oder von der Kriegsgefahr im Nahen Osten berührt. Sie tun dies auch vor allem vor dem Hintergrund der Verantwortung deutscher Regierungen für zwei Angriffskriege, für den Ersten und zweiten Weltkrieg. Sollte Remarque doch noch Recht bekommen, zumindest zu dem was ein Bundespräsident sagt?
Bin ich „glücksüchtig“ wenn ich nicht will, das es wieder tote Soldaten gibt – das sind „Gefallene". Ich konnte dieses verharmlosende Wort noch nie ertragen. Wer fällt, kann auch wieder aufstehen. Nein ich bin nicht „glückssüchtig“. Ich will nicht, dass Soldaten für nichts und wieder nichts sterben, den die Ziele die offiziell ausgegeben werden, werden ja konkret gar nicht erreicht, sie stellen sich bei näherer Betrachtung doch nur als Propaganda heraus. Soldaten sind nicht nur potentielle Mörder, sie sind auch potentielle Tote.
Ich kann nun einmal nicht verstehen, warum junge Menschen Soldat werden. Für mich unterscheiden sich die Soldaten der Bundeswehr nicht von Söldnern, die für die Interessen einer Minderheit (den Bundespräsidenten und alle die seiner Ansicht sind) kämpfen und damit ihr Geld verdienen.
Seit dem nun die Wehrpflicht ausgesetzt ist, hat die Bundeswehr Kooperationsverträge mit verschiedenen Bildungsministerien abgeschlossen, damit sie vereinfacht in Schulen werben kann. Da heißt es z.B. auf den Umschlägen der Hefte, die in den Schulen verteilt werden: „Bundeswehr – Wir. Dienen. Deutschland – Schau rein! ...Wir freuen uns auf Dich, ...Deine Jugendseite im Internet. Treff. - Ohne Ende Infos über die Bundeswehr – alles was dich interessiert! ...Bei unseren tollen Events kannst du nicht nur nette Leute kennenlernen, sondern dir auch ein eigenes Bild von der Bundeswehr machen. Mach mit – worauf wartest du noch!“ Und so weiter, und so weiter. Da steht nirgends etwas von Sterben und Töten. Da wird für den tollen Beruf als Soldat geworben, wo man viel verdienen kann. Wie kann die Ausbildung zum Töten von Menschen ein Beruf sein, wie jeder andere.
Wir, die wir nicht wollen, dass es wieder Tote bei Kriegseinsätzen für Deutschland gibt, sollten das immer wieder klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Es gibt sogar einen sogenannten „Ehrenhain“ in Afghanistan. Wird dieser wieder abgebaut, wenn die deutschen Soldaten sich einmal aus Afghanistan zurückziehen? Oder sollen sie die Afghanen für alle Zeiten daran erinnern, dass sie einmal dort waren?
Wie kommt es eigentlich, dass die Islamisten in letzter Zeit überall auftauchen und die Scharia einführen wollen? Davon war doch früher nicht die Rede. Kann das etwas mit unseren „Auslandseinsätzen“ gegen die moslemischen Ländern in aller Welt zu tun haben?
Fragen über Fragen und keine Antwort.