Erklärung der - Internationale der Kriegsdienstgegner (1921/1925)
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit.
Wir sind daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen
und für die Beseitigung aller seiner Ursachen zu kämpfen.
Erläuterung
Folgende Erläuterung wurde von der ersten Internationalen Konferenz in Bilthoven, Holland, 1921, angenommen und in der Hoddesdon-Konferenz 1925 abgeändert bestätigt:
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit!
Denn er ist ein Verbrechen gegen das Leben und missbraucht den Menschen als Mittel für politische und wirtschaftliche Zwecke.
Wir sind daher entschlossen, getrieben von starker Liebe zur Menschheit, keine Art von Krieg, weder Angriffskrieg noch Verteidigungskrieg zu unterstützen. Dies ist wichtig, weil fast jeder Krieg von den Regierungen als Verteidigungskrieg hingestellt und im Bewusstsein der Völker als Verteidigungskrieg geführt wird.
Wir unterscheiden drei Arten von Krieg:
- a) Krieg zur Verteidigung des Staates, zu dem wir durch Geburt oder Wahl gehören. Den Waffendienst für diesen Zweck zu verweigern, ist schwierig, weil der Staat alle seine Machtmittel gebrauchen wird, uns zu zwingen. Ferner, weil man die angeborene Liebe zu unserer Heimat so lange zu der nationalistischen Täuschung missbraucht hat, als sei Staat und Heimat dasselbe.
- b) Krieg zur Verteidigung der bestehenden Gesellschaftsordnung mit ihren Sicherungen und Vorrechten für den Besitzenden. Dass wir keine Waffen für diese Zwecke ergreifen werden, versteht sich von selbst.
- c) Krieg zur Befreiung des bedrückten Proletariats. Die Weigerung, für diesen Zweck die Waffen zu ergreifen, ist sehr schwer.
1. Weil der bolschewistische Staat und noch mehr das empörte Proletariat in Zeiten der Revolution in jedem einen Verräter sehen wird, der sich weigert, es mit Waffengewalt zu unterstützen.
2. Weil unsere angeborene Liebe für die Leidenden uns in Versuchung führen könnte, Gewalt zu gebrauchen, um ihnen zu helfen oder sie zu unterstützen.
Wir sind indessen überzeugt, dass Gewalt niemals die Ordnung aufrecht erhalten, nicht wirklich unsere Heimat schützen, das Proletariat nicht wahrhaft befreien kann. Die Erfahrung hat gezeigt, dass durch jeden Krieg eine erschreckende Verwilderung und Verrohung, die Vernichtung aller Freiheit eintritt und dass das Proletariat nur scheinbar dadurch gewinnt, in Wahrheit aber seine Leiden vermehrt. Es ist daher unmöglich, irgend einen Krieg zu unterstützen, weder durch direkten Dienst im Heere, in der Flotte, in der Luft, noch durch bewusste Herstellung von Munition und Kriegsmaterial, noch durch Zeichnung von Kriegsanleihen, noch durch Hergabe unserer Arbeit, um andere für den Kriegsdienst freizumachen.
Wir sind uns klar, dass wir als konsequente Pazifisten nicht das Recht haben, eine bloss negative Stellung einzunehmen, sondern bemüht sein müssen, die tieferen Ursachen des Krieges zu erkennen, und für die Beseitigung aller seiner Ursachen zu kämpfen.
Als Ursachen des Krieges sehen wir nicht nur Selbstsucht und Habsucht an, die sich in jedem Menschenherzen finden, sondern auch alle Faktoren, welche die Menschen als Massen zu gegenseitigem Hass und Massenmord führen.
Wir sehen in folgenden Antrieben die für unsere Zeit wichtigsten:
- Die Unterschiede der Rassen, die zu Neid und Hass künstlich gesteigert werden.
- Die Unterschiede der Glaubenbekenntnisse, die durch Unduldsamkeit zu gegenseitiger Missachtung künstlich aufgestachelt werden.
- Die Gegensätze der Klassen, der Besitzenden und Nichtbesitzenden, die fast unvermeidlich hintreiben zu Völker-und Bürgerkrieg, solange das gegenwärtige Produktionssystem besteht, das auf Profitwirtschaft anstatt auf Bedarfswirtschaft beruht.
- Die Gegensätze der Nationen, in denen wir zum großen Teil eine Folge des jetzigen Produktionssystems sehen, das zum Weltkrieg und zu wirtschaftlichem Chaos geführt hat. Wir sind überzeugt, dass diese Gegensätze durch eine den Bedürfnissen der einzelnen Nationen angepasste Regelung der Weltwirtschaft ausgeglichen werden können.
- Endlich sehen wir auch eine wesentliche Ursache des Krieges in der falschen Auffassung über das Wesen des Staates. Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.
Die Anerkennung der Heiligkeit des menschlichen Lebens, der menschlichen Persönlichkeit muss das Grundgesetz der menschlichen Gesellschaft werden. Andrerseits darf auch der einzelne Staat nicht mehr als souveränes Einzelwesen betrachtet werden; denn jede Nation ist ein Teil der großen Familie der Menschheit.
Wir müssen daher mit aller Kraft für die Beseitigung von Klassen und trennenden Gesetzen wirken und für die Schaffung einer weltumfassenden Brüderlichkeit begründet auf gegenseitige Hilfe.
Gewalt und Gewaltlosigkeit. Handbuch des aktiven Pazifismus. Im Auftrage der - Internationale der Kriegsdienstgegner - hrsg. von Franz Kobler. Zürich und Leipzig: Rotapfel-Verlag 1928, S. 361 f.