Der Fortschritt der Abrüstung ist nur eine Schnecke

von Helmuth Prieß (Oberstleutnant a.D.)

- Redebeitrag auf der Friedensveranstaltung im Hiroshimapark in Köln am 8.8.2010 -

Zum 1. Mal las ich den Satz „Der Fortschritt ist nur eine Schnecke“ vor 40 Jahren auf einem von Günter Grass gestalteten Künstlerteller der Fa. Rosental. Der Satz ist vortrefflich und zugleich enttäuschend. Er gilt in vielen Bereichen: Im Klimaschutz, in der Gesundheitspolitik und –praxis und besonders in den Bereichen Humanität und sozialer Gerechtigkeit. Der Satz gilt auch für die Friedenspolitik.

Als vor 65 Jahren die Vereinigten Staaten die ersten Atombomben auf Hiroshima und drei Tage später auf Nagasaki warfen, hätte schon die Feststellung der unmittelbaren Folgen – totale Zerstörung zweier Großstädte und 100.000de Tote und Krüppel die Verantwortlichen aufrütteln müssen,  Forschung und Produktion von atomaren Massenvernichtungsmitteln zu beenden und das auch weltweit zu beschließen.

Das Gegenteil ist geschehen: Die Familie der Atomwaffenbesitzer wurde immer größer, auch die der sogenannten Schwellenländer. Da die Großmächte und ein paar Gernegroße sich die Taschen mit atomaren Mitteln vollgestopft haben, ist es natürlich schwer, Länder wie Iran oder Nordkorea davon zu überzeugen, ihre Finger vom atomar-militärischen Dreck fern- zuhalten.

Deshalb ist es höchste Zeit, dass sich alle Atomwaffenbesitzer an einen Tisch setzen, um den  schrittweisen und zügigen  Abbau von Atomsprengkörpern verbindlich zu beschließen – mit dem Ziel, Atomwaffen gänzlich abzuschaffen und  durch eine politische Sicherheitsstruktur zu ersetzen.

Es hat auch Fortschritte gegeben:  Rüstungsbegrenzungsabkommen, den Beschluss, Mittelstreckenraketen, wie auch Kurzstreckenraketen in Europa abzubauen. Gut ist auch, dass Köln eine der ersten Städte weltweit war, die sich zu „Gemeinden für den Frieden“ zusammengeschlossen haben. Auch hat der Rat per Beschluss, Köln zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Und ein Zeichen auf dem Weg zu einer friedlicheren Welt ist doch auch dieser Gedenkstein mit der Aufschrift „Atomwaffen abschaffen“  -  und ist , das  hier und in vielen hundert weiteren Städten Friedensveranstaltungen stattfinden!!
Super ist auch, dass es in unserem Land einen Zusammenschluss von z.Zt. 150 kritischen Offizieren und Unteroffizieren (Darmstädter Signal) gibt, die seit 27 Jahren die atomare Abrüstung, die Verringerung aller Truppen und die militärische Abrüstung in den Köpfen fordern!

Leider sind wir selbst von mittelfristigen Zielen, wie dem eines atomwaffenfreien Europa, noch weit entfernt.

Auf dem Weg zu einer friedlicheren Welt muss auch Deutschland, muss auch die jetzige Bundesregierung, ihren Teil leisten.

Ich befürchte aber, dass sich diese Bundesregierung nicht einmal im Schneckentempo bewegt:

Was haben wir von einem Außenminister zu erwarten, der vor Übernahme dieses Amtes nicht ein einziges Mal öffentlich den Abzug der ca 20 Atomsprengköpfe aus Büchel forderte, und uns vor ein paar Monaten damit überraschte, die letzten A-Waffen auf deutschem Boden sollten abgezogen werden.  Das hätte er mal lautstark in Brüssel oder in Washington fordern sollen!  Herr Minister, wir brauchen keine pseudo-liberal-friedliche Spruchblasen!

Wir wollten Taten sehen!   Deutschland ist ein freies, unabhängiges Land – wir brauchen die USA nicht höflich zu bitten, sondern wir fordern, dass sie die Atomwaffen in Büchel abziehen – spätestens bis Heiligabend!

Und was geht in dem Kopf des schneidig-eleganten „von und zu“ vor, der erst in Anbetracht öffentlicher Geldnot über die Beendigung der Wehrpflicht nachdenkt und über den Abbau der Bundeswehr auf 150 000.  Der Arbeitskreis DARMSTÄDTER SIGNAL hat schon vor mehr als 10 Jahren gefordert, die Bundeswehr auf 120 000 Soldaten zu verringern!  Hätte der Herr Verteidigungsminister genügend Haushaltsmittel zur Verfügung, dann bliebe alles beim alten!
Und was geht in einem Entwicklungshilfeminister vor, der seinen Schädel im Ausland mit einer Gebirgsjägermütze entstellt und empfiehlt, die zivilen Hilfsorganisationen sollen z.B, in Afghanistan enger an das Militär angebunden werden.
Und die Frau Bundeskanzler?  -  die ja angeblich die Richtlinien der Politik bestimmt (?) –  was können wir von ihr friedenspolitisch erwarten?   NICHTS!    War Sie es doch, die vor Beginn der völkerrechtswidrigen Überfalls der USA und einiger Mitläufer auf Irak, nach Washington flog, um dem US-Präsidenten öffentlich ihre persönliche Zustimmung zum Irakkrieg mitzuteilen.

Sie und die bereits genannten Herren Minister hinterlassen, falls sie sich überhaupt bewegen, eine lange Schleimspur.  Nein!  Mit diesen Schnecken ist kein Staat zu machen!

Deshalb müssen wir ihnen „Beine machen“!  „Beine machen“, indem wir sie so schnell wie möglich in die Opposition schicken!

Aber auch dann werden uns die gebratenen Friedenstauben nicht in den Mund fliegen.  Nichts geht friedenspolitisch so schnell, wir jeder einzelne von uns sich das wünscht.  Eine friedlichere Welt zu gestalten, das ist ein langer Weg  –  und der braucht einen langen Atem! Viele von Euch haben diesen langen Atem schon gezeigt – macht weiter! Und denen, die neu zu uns stoßen, sage ich:  Macht mit!