Die Sanktionen prallen zurück und treffen die Europäer
von Brian Cloughley (USA)
Am 10. August kommentierte die Financial Times in einer Reaktion auf das Chaos in der Ukraine: „Die Politik des Westens ist zu einer reflexartigen Eskalation von Sanktionen geworden,“ und dieses Mal hat es die Financial Times in Bezug auf Außenpolitik einmal richtig erwischt. Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Jünger in Europa und Australien haben gegen Russland Sanktionen wegen dessen angeblicher Einmischung in der Ukraine verhängt, welche rein gar nichts mit den Vereinigten Staaten von Amerika oder sonst jemand zu tun hat. Und Russland gibt verständlicherweise die Antwort.
Obwohl keinerlei Beweis von den Abhörspionen und anderen Spürhunden des Westens dafür vorgelegt wurde, besteht doch kein Zweifel, dass Russland in der Ukraine aktiv war, um deren Politik zu erkunden und sogar zu versuchen, diese zu beeinflussen – nicht anders als die Vereinigten Staaten von Amerika, die die interne Politik in nahezu jedem Land dieses verschandelten Erdballs ausspionieren und zu beeinflussen versuchen, und die vor kurzem ihre spezielle Aufmerksamkeit auf die Ukraine gerichtet haben.
Der Unterschied zwischen den Aktivitäten der Vereinigten Staaten von Amerika und Russlands ist, dass die Ukraine direkt neben Russland liegt, und dass viele der Bewohner ihres östlichen Teils russischer Abstammung sind und russisch sprechen und russisch trinken und fühlen, dass ihre kulturellen Wurzeln russisch sind, und die zu Russland gehören wollen, so wie ihr ganzes Land bis vor 23 Jahren zu Russland gehört hat.
Andererseits denkt Washington, dass es das gottgegebene Recht hat, jedermanns private Besprechungen abzuhören und jedem Land auf der Welt zu sagen, wie es seine Angelegenheiten betreiben soll, und falls nötig, das mittels militärischer Intervention zu erzwingen. Die Tatsache, dass eine solche militärische Einmischung sich in Vietnam, Kuba, Irak, Jemen, Afghanistan und Libyen als äußerst katastrophal erwiesen hat, tut nichts zur Sache. Die nächste Front ist die Ukraine.
Und das arme heruntergekommene führerlose alte Britannien, gesellschaftlich durcheinander und in moralischem Zusammenbruch begriffen, versucht das, was es als Weltchaos sieht, zu bekämpfen, indem es dem Beispiel seines unberechenbaren Vordenkers folgt und Sanktionen gegen Russland verhängt, ein Land, dessen Freundschaft zu suchen es gut beraten wäre.
Es besteht keine Grenze zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika oder dem Vereinigten Königreich und der Ukraine. Es gibt kein Militärbündnis, das sie aneinander bindet. Die Ukraine ist kein Mitglied der NATO. Sie gehört nicht zur Europäischen Union. Sie hat keine kulturelle Beziehung zu dieser Union, und ihr Handel mit der gesamten EU ist gering. Andererseits ist sie zu einem großen Teil von Russland abhängig. Und das ist auch die EU, die ihrerseits keinerlei Absicht hat, die Ukraine als Mitglied aufzunehmen.
Die russisch-ukrainischen Beziehungen sind eine bilaterale Angelegenheit zwischen Russland und der Ukraine. Aber allzeit bereit, provokant in anderen Nasen herumzustochern, führten die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich den Angriff der Hassbrigade an und beschlossen, dass die Verhängung von Sanktionen ein attraktives Mittel ist, um zu versuchen, die Leben einer großen Anzahl von vollkommen unschuldigen Menschen zu versauen, obwohl sich in der Geschichte erwiesen hat, dass Sanktionen völlig ungeeignet sind, Regierungen dazu zu bewegen, sich den Befehlen der Verhänger der Sanktionen zu unterwerfen.
Die bösartigen Sanktionen des Westens gegen Russland wurden nicht verhängt, weil Russland in irgendeiner Weise das Wohlbefinden, die wirtschaftlichen Umstände, die territoriale Integrität oder Gesellschaftsstruktur der Vereinigten Staaten von Amerika oder eines anderen Landes beeinflusst hat, das sich den Sanktionen der Vereinigten Staaten von Amerika anschloss. Da war keine Frage, Sanktionen zu verhängen, weil Russlands Handlungen irgendwo auf der Welt auch nur einen einzigen Bürger eines Landes des Westens beeinträchtigt hätten. Aber sie wurden immerhin verhängt, nur um zu versuchen, die Dinge für Moskau schwieriger zu machen und zu versuchen, die Spannung zwischen Russland und dem Westen anzuheizen.
Die Sanktionen waren für Russland ein Reizmittel, aber Sanktionen sind üblicherweise mehr als das, und haben sich in der Vergangenheit als nutzlos erwiesen wenn es darum ging, Regierungen zu überzeugen, gegen das, was sie als nationale Interessen ansehen, zu handeln – aber sie waren effektiv bei der Zerstörung der Leben einfacher Menschen, die niemandem ein Leid zugefügt haben.
Zum Beispiel verhängten die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich Sanktionen gegen den Irak bereits ein Jahrzehnt, vor sie ihren verrückten Überfall durchführten, der in die laufende Katastrophe in der Region führte. Ihre rachsüchtigen Beschränkungen fügten einfachen Bürgern entsetzliches Elend zu. Aber es gab immerhin einige Menschen mit Prinzipien, die gegen die furchtbare humanitäre Krise protestierten, in die die Vereinigten Staaten von Amerika und ihr fehlgeleiteter Alliierter den Irak gestürzt hatten.
Dennis Halliday, der Leiter des humanitären Programms der Vereinten Nationen im Irak, trat aus Protest gegen diesen verbrecherischen Karneval zurück, sein Nachfolger Hans von Sponeck machte dasselbe. Sie machten klar, das „der Tod von 5-6.000 Kindern monatlich in erster Linie auf verseuchtes Wasser, fehlende Medikamente und Unterernährung zurückzuführen ist. Die verzögerte Freigabe von Gerät und Material ist schuld an dieser Tragödie, nicht Bagdad.“
Halliday und von Sponeck waren Ehrenmänner, aber natürlich wurden sie von denen verteufelt, die ganz genau wussten, welche Auswirkungen die Sanktionen hatten – weil die Sanktionen genau dafür geplant worden waren. Der britischen und amerikanischen Regierung wurde deutlich gesagt, dass ihr Verbot der Lieferung von lebensrettendem Material Kinder tötete. Alles, was sie daraufhin unternahmen, war eine noch energischere Durchsetzung der Sanktionen.
Wir wissen, dass Kinder für Kriegsplaner und deren Unterstützer keine Rolle spielen. Als Madeleine Albright, die damalige Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika bei der UNO, im Fernsehen gefragt wurde, ob sie den Tod einer halben Million irakischer Kinder als ein vertretbares Ergebnis der Sanktionen der Vereinigten Staaten von Amerika betrachtete, antwortete sie mit der erbarmungslosen, durch und durch herzlosen Äußerung, dass „das eine sehr schwere Wahl ist, aber wir denken, dass der Preis es wert ist.“
Falls Leute in offiziellen Positionen in Amerika oder Britannien nicht ihrer Meinung waren, dass der Tod einer halben Million Kinder gerechtfertigt und akzeptabel war, dann ließen sie kaum etwas davon hören. Und eine derartige Politik wird weiterhin betrieben.
Aber da gibt es ein ernormes Problem für die Länder der Europäischen Union, die sich den Vereinigten Staaten von Amerika anschließen bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland: zurückprallende Vergeltung von Seiten Moskaus.
Diese betrifft bereits europäische Wirtschaften, besonders die Einkommen von kleinen Produzenten von Nahrungsmitteln, den einfachen Leuten, die immer in der einen oder anderen Form unter den Auswirkungen von herrschaftlichen Sanktionen leiden, von denen keine auch nur einen Augenblick die hohen Tiere in den Vereinigten Staaten von Amerika und den anderen Ländern belästigt, die beschlossen haben, den Weg der Sanktionen einzuschlagen. Diese werden es perfekt gemütlich haben, und keiner wird im geringsten unter Russlands Gegenschlag leiden. Für ihre Bürger aber wird das eine ganz andere Sache sein, weil viele von ihnen schwere finanzielle Verluste und beträchtliche Belastungen mitmachen werden.
Russland hat beschlossen, gegen Sanktionen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union mit dem Verbot einiger Importe aus Amerika und der EU zurückzuschlagen. Und warum sollte es auch nicht nach einer derartigen groben Provokation? Aber es gibt eine eindeutige Kehrseite für unschuldige Menschen. Zum Beispiel ist Russland der größte Markt für französische Äpfel und Birnen, von denen heuer Exporte im Ausmaß von 1,5 Millionen Tonnen erwartet worden waren. Dank der russischen Antwort auf das von den Vereinigten Staaten von Amerika/dem Vereinigten Königreich betriebenen Embargo sind es hunderte von kleinen Bauern, die einem erbärmlichen Weihnachten entgegengehen. Die schottischen und norwegischen Fischereiindustrien leiden fürchterlich, weil ihre Exporte nach Russland enorm waren. Jetzt – nichts.
Und da ist jetzt ein merkwürdiges Fehlen von Berichten über das alles in den Medien des Westens. Es handelt sich um eine bedeutende Geschichte, aber nach den ersten paar Tagen des medialen Interesses wurde sie auf einmal auf die hinteren Seiten der Zeitungen verbannt und verschwand aus Radio und Fernsehen.
Sie haben kein Interesse an polnischen, spanischen, holländischen und griechischen Obstbauern, die pleite gehen. Polen beispielsweise exportiert Jahr für Jahr Nahrungsmittel im Wert von über einer Milliarde Dollar nach Russland und leidet entsprechend, und ein griechischer Sprecher sagte, dass „Russland über 60% unserer Pfirsichexporte abnahm und fast 90% unserer Erdbeeren,“ während über 3.500 Tonnen Pfirsiche in Lagerhallen und Lastzügen verrotteten. Zehn Prozent der jährlichen Agrarexporte der EU gingen nach Russland. Jetzt – dank Moskaus Reaktion auf die unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika verhängten Sanktionen, werden es keine mehr sein.
Man könnte sagen, dass das Russlands Schuld ist. Aber warum sollte Russland kleinlaut dasitzen und die Strafe der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union über sich ergehen lassen, die aus reiner Gehässigkeit verhängt worden ist?
Der Agrarkommissar der Europäischen Union, der Rumäne Dacian Ciolos – Jahresgehalt 250.000 Euro, steuerfrei und ohne Spesen – verkündete, dass Europas Bauern „sich schnell auf neue Märkte und Gelegenheiten umorientieren werden.“ Nur, wie dieses Wunder geschehen soll, wird nicht erklärt.
Herr Ciolos, wie Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron und all die anderen reichen, intriganten Dummköpfe, die diesen bösartigen Wirtschaftskrieg begannen und ihn weiterhin betreiben, wird selbst nicht im leisesten durch eine dieser Unsinnigkeiten betroffen sein. Es sind nur die kleinen Leute, die leiden.
Eine besonders abgehobene britische Politikerin, die Staatsministerin für die Umwelt sagte, dass Russlands Vorgangsweise „völlig ungerechtfertigt ist und ich teile die Bedenken der schottischen Fischfangindustrie hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf ihr Geschäft.“ Sie verkündete, vermutlich ernst gemeint, dass das Vereinigte Königreich sich „an die Europäische Kommission wenden wird, damit diese prüft, ob ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation eingeleitet werden soll, um zu gewährleisten, dass die Regeln des internationalen Handels eingehalten werden,“ was völlig die Tatsache ignoriert, dass es die Europäische Kommission war, die Washington dabei folgte sicherzustellen, dass durch ihre Sanktionen gegen Russland die Grundsätze des internationalen Handels erschüttert wurden.
Die Sanktionen der Vereinigten Staaten von Amerika/der Europäischen Union sind aus den Seiten der Zeitungen und von den Bildschirmen verschwunden. Aber das heißt nicht, dass das Problem verschwunden ist. Russlands Position ist, dass „wir wiederholt gesagt haben, dass Russland kein Befürworter der Sanktionenrhetorik ist und diese nicht initiiert hat. Aber im Fall, dass unsere Partner (sic) mit ihren unkonstruktiven und sogar destruktiven Praktiken fortfahren, werden zusätzliche Maßnahmen ausgearbeitet“ - um klarzustellen, dass die Verhängung von Sanktionen gegen Russland durch den Westen weiterhin gänzlich kontraproduktiv sein wird.
Zweifelsohne wird die selbstgefällige Position von Washington, London und Brüssel sein, dass „wir denken, dass der Preis es wert ist.”
Übersetzt aus dem amerikanischem von Klaus Madersbacher und veröffentlicht auf seiner Webseite http://www.antikrieg.com