Positive Bilanz der Ostermärsche
Deeskalation in der Ukraine vorrangig
von Manfred Stenner
Das Netzwerk Friedenskooperative zieht eine positive Bilanz der mehr als 80 Ostermärsche. Netzwerk-Geschäftsführer Manfred Stenner: "Die Ostermärsche zeigen eine lebendige, politisch hellwache und sachkundige Bewegung, die engagiert vor den Gefahren eskalationsträchtiger Machtpolitik warnt und friedenspolitische Alternativen zu Säbelrasseln und militärischer Intervention aufzeigt".
Pfarrer Friedrich Laker bewertete das Ostermarsch-Engagement bei der Abschlusskundgebung in Dortmund: "Selten in unserem Land sind Menschen so unentwegt und konsequent über mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert für Demokratie und Abrüstung, gegen Rassismus und Krieg unterwegs wie die Ostermarschierer und das vor allem auch hier bei uns im Ruhrgebiet" und mahnte in den aktuellen Krisen eine Verstärkung des kirchlichen Engagements: "Insbesondere die orthodoxen Kirchen in den Krisengebieten müssen viel stärker für einen Gewaltverzicht und Verhandlungen in der Ukraine eintreten, die möglichst viele Bevölkerungsgruppen einbeziehen".
Die Beteiligung ist laut Friedenskooperative in vielen Orten im Vergleich zum Vorjahr nur leicht gestiegen. Erfreut zeigt sich die Friedenskooperative über ein stärkeres Engagement von Gewerkschaften als Mitveranstalter und in Redebeiträgen sowie über die klaren Friedensbotschaften aus den christlichen Kirchen. Im Magdeburger Dom hatte die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, sogar explizit zur Beteiligung an den Ostermärschen aufgerufen.
Mit dabei seien auch zunehmend junge Menschen aus dem globalisierungskritischen Netzwerk attac sowie Studierende, die Zivilklauseln gegen Rüstungsforschung an ihren Universitäten fordern.
Auch das Interesse über Informationen zu den Ostermärschen sei offenbar allgemein sehr groß. "Der Server bei www.friedenskooperative.de, auf dem nicht nur alle Termine sondern auch die Redetexte der Kundgebungen abgerufen werden können, ging über die Ostertage öfters fast in die Knie", heißt es aus dem Bonner Büro.
Vor der Kaserne der Deutsch-Französischen Brigade in Müllheim erinnerte Sprecher Ulrich Rodewald am Ostermontag an die tiefverwurzelte Ablehnung von Krieg und Militär in der deutschen Gesellschaft: "Doch trotz aller Bemühungen des Bundespräsidenten Gauck, von Kriegsministerin von der Leyen, Außenminister Steinmeier, Kriege als "Normalität" hinzustellen, die Mehrheit der Menschen in unserem Land will diese Kriege nicht. Die Mehrheit der Menschen sagt heute - 69 Jahre nach Endes des 2. Weltkrieges: Wir pfeifen auf Eure Kriege!"
Beim Ostermarsch am Fliegerhorst Büchel in der Eifel kritisierte Bernd Hahnfeld von der Ärzteorganisation IPPNW das Festhalten der Bundesregierung an der sogenannten "nuklearen Teilhabe" und die geplante Modernisirung der dort gelagerten US-Atombomben vehement: "Deutschland hat durch den Atomwaffensperrvertrag auf jegliche Verfügungsgewalt über Atomwaffen verzichtet und das mit dem 2+4- Vertrag bekräftigt. Der Atomwaffen-Einsatz mit Hilfe deutscher Tornados ist damit illegal. Er ist nach dem Völkerstrafgesetzbuch sogar kriminell".
Eindringlich erinnerte der evangelische Gemeindepfarrer Ulrich Schaffert bei der Abschlusskundgebung in Frankfurt/Main an das oft an Europas Grenzen scheiternde Schicksal von Flüchtlingen und forderte Solidarität: "Denn woher und aus welchen Beweggründen auch immer diese Menschen zu uns kommen - sie sind für mich Botschafterinnen und Botschafter des Elends, das in vielen Teilen der Welt herrscht, in Form von Krieg und Gewalt, von Armut und Ungerechtigkeit. Und an dem Umgang mit ihnen entscheidet sich, wie menschlich und auch wie friedensfähig und solidarisch eine Gesellschaft ist".
Die Themenvielfalt der Ostermärsche von Atomwaffen und -anlagen, Rüstungsexporten, Militarisierung der EU, Auslandseinsätzen der Bundeswehr, Drohnenkrieg, regionale Militärstützpunkte oder Übungsplätze, Rekrutenwerbung an Schulen und im öffentlichen Raum, Solidarität mit Flüchtlingen, Engagement gegen Rassisten und Neonazis auch im Blick auf die Europawahlen sowie den grassierenden Kriegen und Konflikten in Syrien, Afghanistan, Irak, Mali oder Zentralafrika und der akuten Sorge um Eskalationen in der Ukraine sei notwendig und leicht auf einen Nenner zu bringen, betont das Netzwerk. "Es geht bei all diesen Themen darum, friedenspolitisches Denken und Handeln gegen macht- und militärorientierte Konzepte einzufordern - meist von beiden oder vielen beteiligten Seiten. Gerade auch die Bundesregierung und die NATO spielen da oft eine fatale Rolle".
Erneut fordert die Friedenskooperative energische Einflussnahme des Westens auf die Entwaffnung des ukrainischen "Rechten Sektors" und die Umsetzung bisher nur verbal angekündigter Berücksichtigung der Interessen der russischen bzw. russisch-sprachigen Bevölkerungsanteile. Gleichermaßen müsse die russische Regierung ernsthaften Einfluss auf die Aktivisten und Milizen im Osten der Ukraine ausüben, das Genfer Abkommen umzusetzen. Zur Befriedung der politischen Konflikte mit Russland gehöre auch das Abrücken der NATO von der größeren Militärpräsenz im Baltikum und Polen, Verzicht auf die sogenannte Raketenabwehr und Verhandlungen zwischen EU, Ukraine und Russland zu einer für die Menschen nützlichen Brückenfunktion einer neutralen Ukraine zwischen West und Ost.
Viele der derzeitigen brutalen Kriege werden nach Ansicht von Friedensorganisationen von geopolitischen Interessen bestimmt. Insbesondere in Syrien sei die Rolle der westlichen Staaten als sogenannte "Freunde Syriens" besonders destruktiv. Vor dem Hintergrund der Einflusssphären im Nahen und mittleren Osten finde dort ein Stellvertrterkrieg statt. Die Friedenskooperative fordert von der Bundesregierung die großzügigere Aufnahme syrischer Flüchtlinge und massivere humanitäre Hilfe für die Millionen Flüchtlinge innerhalb Syriens und in den benachbarten Ländern. Vor allem aber müsse die Unterstützung dschihadistischer Milizen durch u.a. Katar, Saudi-Arabien und die Türkei beendet werden. Die kurdische Region im Norden Syriens als föderales Experiment verdiene Unterstützung.
Die Friedenskooperative sieht die Ostermärsche auch als gelungenen Auftakt zu vielen weiteren Aktionen und Veranstaltungen, die Friedensorganisationen aus Deutschland und Europa im "Gedenkjahr zu 100 Jahren Krieg und Aufbegehren dagegen" planen, darunter ein großes "Peace Event" über Pfingsten in Sarajewo.