Jürgen Grässlin: Schwarzbuch Waffenhandel
Heyne Verlag, München 2013, Taschenbuch, 624 Seiten, 11 s/w Abbildungen
ISBN 978-3-453-60237-3, € 14,99
Der Autor und Pädagoge Jürgen Grässlin, geb. 1957, auch durch seine Publikationen ein bekannter pazifistischer Friedensaktivist und Rüstungsgegner, Bundessprecher der DFG-VK, u. a. Träger des Aachener Friedenspreises, tritt aktiv gegen Rüstungsexporte ein. Seine Themen sind „Rüstungsproduktion“ sowie „Waffenhandel und Rüstungsexporte“. Er gilt unbestritten als Experte und Kritiker in diesem Bereich.
Man sollte sich vom Kauf des Buches wegen seines erheblichen Umfanges von über 600 Seiten nicht abschrecken lassen, denn jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und lässt sich unabhängig von einander – auch von der Sprache her – gut lesen und verstehen. Wer das „Schwarzbuch Waffenhandel“ liest, wird umfassend über das kritische Thema „Waffenhandel durch und mit Deutschland“ informiert. Der Autor belegt in dem vorliegenden Werk, dass die Bundesregierungen die Waffenlieferungen in Drittstaaten regelrecht fördert, anstatt ihn zu verhindern. Das Buch eignet sich auch durch seinen umfangreichen Anhang als gutes Nachschlagewerk.
In den Kapiteln 1 bis 3 beschreibt der Autor, wie die jeweiligen verantwortlichen Regierungen mit geheimen Sicherheitsratsbeschlüssen – und ohne Skrupel – die Rüstungsexporte auch an menschenrechtsverletzende Staaten und in Krisenregionen genehmigen. Er zeigt die Entwicklung von den Anfängen der Aufrüstung in der Bundesrepublik Deutschland (ab 1955) und den Weg Deutschlands zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt. Dabei wird ersichtlich, dass das restriktive Außenwirtschaftsgesetz – in Bezug auf Waffenverkäufe – von allen Regierungen kaum beachtet wurde und wird.
In Kapitel 4 lautet das Thema „Wohin Deutschland Waffen liefert und künftig liefern wird“.
In den Kapiteln 5 bis 7 werden die 10 deutschen Produzenten der tödlichsten Waffen, die folglich die größten Kriegsprofiteure sind, vorgestellt und einer kritischen Analyse unterworfen. Besonders spannend – wie eine Kriminalgeschichte – ist die Beschreibung der persönlichen Auseinandersetzung des Autors mit der Geschichte der Firma Heckler & Koch, bei der Jürgen Grässlin exemplarisch, mittels Insiderinformation und eigener Recherche illegale Waffengeschäfte aufdeckte und es sogar schaffte, dass sich die Staatsanwalt mit dem Fall befassen muss.
Im Ganzen zeigt der Autor die Doppelzüngigkeit der verschiedenen politischen Parteien auf. Für die Öffentlichkeit verweisen die politischen Parteien von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP auf die restriktiven Regelungen zum Waffenhandel hin, und die jeweiligen Regierungen behaupten, sie würden sich daran halten. In der Praxis aber haben alle genannten Parteien ausnahmslos den Waffenexport eindeutig gefördert und die Regelungen des Waffenexport-Kontrollgesetzes kaum beachtet. Dies belegt der Autor in seinem Buch in allen Einzelheiten und nennt dabei „Ross und Reiter“.
Das 7. Kapitel, das letzte, beschäftigt sich mit der Rolle der Banken, die durch die Vergabe von Krediten an die Rüstungsindustrie mit einem großen Anteil am Rüstungsgeschäft profitieren.
In den jeweiligen Täterprofilen von Angela Merkel bis Guido Westerwelle werden die tatsächlichen (Un)Taten der verantwortlichen Politiker und Rüstungsmanager nochmals im Einzelnen übersichtlich aufgezeigt. Zusätzliche Infokästen beinhalten zusammengefasstes Zahlenmaterial und spezielle Erläuterungen, so dass ein guter Überblick gegeben ist. Gewünscht hätte ich mir noch einige Grafiken, denn dadurch würde das umfangreiche Zahlenmaterial noch übersichtlicher.
In diesem Buch wird weiterhin aufgezeigt, dass für die Waffenproduzenten der Maßstab ihres Handelns der Profit ist, was nicht überrascht, da dies unser Wirtschaftswertesystem vorgibt. Dass dabei aber belegbar oft skrupellos vorgegangen, sogar vor Bestechung und illegalen Waffenhandel nicht zurückgeschreckt wird, muss die Bürger wach rütteln.
Zum Schluss stellt Jürgen Grässlin vor, wie die Friedensbewegung aktiv gegen den skandalösen Waffenhandel Deutschlands vorgeht, indem sie dies der Zivilgesellschaft publik macht und Gegenmaßnahmen entwickelt.
Es zeigt sich:
Eine friedlichere Welt erreichen wir nur, wenn die Zivilgesellschaft Waffenproduktion und Waffenhandel ächtet und es zukünftig unmöglich macht, dass es Profiteure des Krieges gibt. Nur verinnerlichtes ethisches Denken führt zum ethischen Handeln, und daran mangelt es den Waffenproduzenten, den Waffenhändlern und auch vielen Politikern.
Februar 2014
Dieter Riebe