Die Schlafwandler 2014
Sie sagen: »Voran nun / die Zeichen sind günstig /
Das 'Evil Empire' / ist schon besiegt /
Jetzt dürft ihr nicht zaudern / in Zeiten des Handelns /
Nicht lasset euch hemmen / von 'German Angst'.«
Ihr sagt: »O Erbarmer / O Herrscher des Friedens /
Ihr kennt die Gedanken / gesandt im Netz /
Da müsst ihr doch wissen / wie fremd uns die Angst ist /
Und dass wir euch folgen / im treuen Bund.«
Sie sagen: »Wohlan denn / entreißet dem Bären /
Die fernen Gestade / am dunklen Grund /
Nicht mehr soll er segeln / in südlichen Winden /
Nicht baden den Leib in / der schwarzen Flut.«
Da zieht ihr gen Osten / mit Gold und mit Worten /
Zu locken den Wolf aus / des Bären Haus /
Und als er noch zögert / da schüret ihr Zwietracht /
Und tauschet den Wolf durch / die Schlange aus.
Sie sagen: »Erhebt euch / der Bär ist erwacht nun /
Wir müssen ihn zügeln / mit harter Hand /
Was treibt ihr noch Handel / mit diesem Halunken /
Steht ein für die Werte / der freien Welt.«
Da lasst ihr nicht ziehen / die Vögel im Frühling /
Und lasst nicht mehr fließen / das schwarze Gold /
Doch fragt ihr: »Wer füllt uns / die Lampen im Winter /
Wer hilft uns erhalten / des Herdes Glut?«
Sie sagen: »Da seht ihr / so muss es dem gehen /
Der kooperiert mit / dem Feind von einst /
Grabt selber im Boden / wir haben die Technik /
Und ob der Gefahren / habt keine Angst!«
So bohrt ihr und presset / den Fels in der Tiefe /
mit giftigem Strahl an / des Brunnen Rand /
Erhaltet das Feuer / noch in euren Öfen /
Im siebenten Jahre / des fetten Korns.
Sie sagen: »Es hilft nichts / verschärft die Sanktionen /
Und reißt alle Brücken / gen Osten ab /
Und wenn es denn sein muss / so sendet die Söhne /
mit Segen des Pfarrers / im Schloss ins Feld.«
So gehen die Dinge / den Gang der Geschichte /
Zum Wohl der Erwählten / in Gottes Land /
Und wandelt Europa / schon wieder im Schlafe /
Sich niederzulegen / zur letzten Ruh.
Ach wer will in solchen Zeiten / vor dem Freunde tapfer sein /
Und statt blinder Treueschwüre / stehen für den Frieden ein?
© Text und Musik von Krysztof Daletski, 2014
Der Lied-Text bezieht sich auf die Ukraine-Kriese 2014!
Das Stück könnt Ihr auf der Webseite Friedensmusik.de hören und auch herunter laden.
Erläuterungen zum Lied "Die Schlafwandler 2014" von Krysztof Daletski
Titel und der entsprechende Vers der vorletzten Strophe sind eine Anspielung auf das Buch „Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ des britischen Historikers C. Clark (2013).
Mit 'Reich des Bösen' bezeichnete R. Reagen, US-Präsident 1981-89, die Sowjetunion. Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde von US-Seite als Sieg im Kalten Krieg interpretiert, der die Vereinigten Staaten in die Lage versetzt, ihre „nationale Interessen“ einseitig durchzusetzten, wobei „nationale Interessen“ definiert sind als die Interessen der nationalen wirtschaftlichen Elite (N. Chomsky: „World Orders, Old and New“, 1994). Der Begriff 'German Angst' wird für ein angeblich spezifisch deutsches Bedenkenträgertum verwendet, das sich z.B. in Kriegsunlust oder kritischer Einstellung zu neuen Technologien äußert.
'O Erbarmer' ist ein Wortspiel mit dem Namen „Obama“, US-Präsident seit 2009. Die an Jesaja 9:5 angelehnte Bezeichnung 'O Herrscher des Friedens' ist doppeldeutig und bezieht sich sowohl auf den Friedensnobelpreis 2009, als auch auf auf die messianischen Erwartungen, die B. Obama entgegengebracht wurden. 'Ihr kennt die Gedanken' bezieht sich auf die Überwachung der Kommunikationswege u.a. in Deutschland durch die US-Geheimdienste, die durch Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters R. Snowdon 2013 offiziell bekannt wurde. Die Bedeutung von Bündnistreue („mit einer Stimme sprechen“) wird von Vertretern der NATO 2014 in Interviews und Stellungnahmen immer wieder betont.
Russland wird traditionell mit einem 'Bären' personalisiert. Auf der Konferenz "The New NATO in the New Europe" (Bratislava, 2000) haben Vertreter der USA das strategische Ziel formuliert, Kontrolle über das Gebiet bis Odessa am schwarzen Meer zu erlangen, wobei der Rest Russland überlassen bleiben könne (Interview mit W. Wimmer in „Blätter für deutsche und internationale Politik“ 9/2001, Seiten 1054-1065). Auf der Halbinsel Krim ('am dunklen Grund') ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert: „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass wir nach Sewastopol zu Besuch zu NATO- Seeleuten fahren. Sie sind übrigens überwiegend ganz wunderbare Jungs, aber sollen sie lieber nach Sewastopol zu uns zu Besuch kommen als wir zu ihnen.“ (der russiche Präsident W. Putin in seiner Rede vor der Duma am 18.03.2014).
Im Jahr 2013 stellen die Unterhändler der EU für ein Assoziierungsabkommen zur witschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit die Regierung der Ukraine vor die Alternative einer Handelsunion mit Russland oder der EU. Als die ukrainische Regierung unter Präsident Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der EU wegen der damit verbundenen Verschlechterung der Beziehungen zu Russland zunächst nicht unterzeichnen will, brechen gewaltsame Proteste mit Besetzung öffentlicher Gebäude und des Platzes „Maidan“ in der Hauptstadt Kiew aus. Unter „Vermittlung“ des deutschen Außenministers F.W. Steinmeier wird am 21.02.2014 ein Abkommen zwischen Protestlern und Regierung in der Ukraine vereinbart. Dieses wird kurz darauf von den Protestlern gebrochen, die den Präsidenten absetzen und polizeilich verfolgen lassen und selbst eine „Übergangsregierung“ ernennen. Ministerpräsident wird A. Jazejuk, auf dem die Europa-Beauftragte des US-Außenministeriums V. Nuland bereits im Vorfeld als Kandidaten bestanden hat (N. Busse: „Fuck the EU Fauxpass: Was Nuland sagen wollte.“ FAZ am 07.02.2014). Die neue Regierung wird sofort von den USA und den Staaten der EU anerkannt.
'Der Bär ist erwacht nun': Die Halbinsel Krim, 1954 vom Präsidenten der Sowjetuinion N. Chruschtschow der Ukrainischen Sowjetrepublik zugeteilt und mehrheitlich von Russen bewohnt, wird nach einer Volksabstimmung, bei der eine deutliche Mehrheit der Krim-Bevölkerung für den Anschluss an Russland stimmt, 2014 wieder in die Russische Föderation aufgenommen. Die deutsche Bundesregierung spricht von „Annexion“. Die USA verhängen unmittelbar Sanktionen (Enteignungen und Reiseverbote) gegen die Russische Föderation und verlangen von der EU, dasselbe zu tun. Offizielle Begründung der Strafmaßnahmen ist die „Völkerrechstverletzung“ durch Russland. Bemerkenswerterweise haben EU und USA zuvor im Zusammenhang mit dem Zerfall der Bundesrepublik Jugoslawien genau die gegenteilige Auffassung vertreten, nämlich, dass das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ Vorrang vor dem „Völkerrecht“ habe.
'Da lasst ihr nicht ziehen ...': Zunächst verhängt die EU Reiseverbote und Enteignungen. Als weitere Eskalationsstufe werden Handelsbeschränkungen vorgesehen. 'Wer füllt uns ...': Deutschland deckt einen nicht unerheblichen Teil seines Bedarfs an Erdöl und Erdgas aus Russland. 'So muss es dem gehen, der kooperiert mit dem Feind': diese Handelsbeziehungen wurden von US-Seite immer kritisiert, weil Deutschland dadurch „erpressbar“ sei und deshalb in der Außenpolitik unnötigerweise auch russische Interessen berücksichtigen müsse (R. Polenz: „Europa muss energiepolitisch weniger erpressbar werden“, Interview im Deutschlandfunk am 24.04.2014).
Als eine Möglichkeit, weniger außenpolitische Rücksichten nehmen zu müssen, wird die in den USA bereits eingesetzte Technik des „Fracking“ gesehen, bei der in Fels gebundenes Erdgas mit Hilfe von Chemikalien und mechanischem Druck gefördert wird (R. Polenz im selben Interview: „Der Weltgasmarkt wird sich durch die Fracking- Exploration ändern“). 'Mit giftigem Strahl': die dabei eingesetzten Chemikalien sind giftig und gefährden das Trinkwasser. 'Im siebenten Jahre des fetten Korns': Genesis 41:7, zweiter Traum des Pharao.
Die Bundesveteidigunsministerin U. von der Leyen erklärt, deutsche Soldaten sollten im Osten stärker präsent sein („Von der Leyen: Nato- Präsenz im Osten zeigen“, Weser-Kurier am 23.04.2014). Auch die Aufnahme der Ukraine in die Nato wird diskutiert, was einen Krieg mit Russland provozieren würde. 'Mit Segen des Pfarres im Schloss': auf der „Münchener Scherheitskonferenz“ 2014 spricht sich Bundespräsident J. Gauck, ehemaliger Pfarrer, für mehr deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen aus. Der Bundespräsident residiert im Schloss Bellevue.
'Zum Wohl der Erwählten': in „God's own country“ wird eine demonstrative Religiösität gepflegt mit öffentlichen Gebeten von Politikern oder dem Aufdruck „In God we trust“ auf dem Papiergeld. Die religiösen Vorstellungen sind dabei geprägt vom Auserwähltheitsgedanken von Calvinismus und Täufertum (M. Weber: „Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus.“ Die Christliche Welt 24 & 25, 1906).
Der Übergang zu Reim und anderen Versmaß in der letzten Strophe verdeutlicht, welches Ausbrechen aus den scheinbar natürlichen Handlungsmustern ein Einsatz für den Frieden erfordert. Da das neue Versmaß anders als das vorhergehende keinen Auftakt hat, kommt der Leser zusätzlich ins Stolpern.
Das Stück könnt Ihr auf der Webseite Friedensmusik.de hören und auch herunter laden.