Herr und Feuerwehr
Ursprünglich waren die Heere entstanden, um den Anforderungen des Krieges zu genügen, - später entstanden die Kriege um den Anforderungen des Heeres willen. Das scheint einen Zirkel zu bilden, aber ich will versuchen, Ihnen durch eine kleine Parabel diesen Vorgang zu erläutern.
Es war einmal ein großes Dorf mit strohgedeckten Häusern, in welchem ein ruhiges Völkchen wohnte. Nun geschah es, dass gerade unter jenem Himmelsstriche sehr häufig der Blitz in eine der Hütten schlug und dieselbe, samt den benachbarten, in Brand steckte. Es musste eine Feuerwehr errichtet werden. Aber die Leute waren bequem und liebten es, zu Hause ihren kleinen Beschäftigungen und Künsten nachzugehen, mit welchen sie sich das Leben verschönten. Dieses Leben riskieren? Das mühsame Leitersteigen und Mauerhinaufklettern - Rettungssackhalten zwischen brennenden Balken?(...) Ach nein - was dich nicht brennt, das lösche nicht. - Im eigenen Hause, wenn's sein muss - aber beim Nachbarn? (...) Kurz, es wollte sich niemand zu dem Dienste melden. Aber in dem Dorfe gab es eine Autorität und so wurden die Leute einfach rekrutiert, assentiert, konscribiert, oder wie das Ding auf Deutsch heißt, gezwungen, der Feuerwehr beizutreten. Das ergab noch keine Begeisterung - obschon unter den Rekruten vielleicht auch einige sich fanden, die das Fest ihrer Einfangung mit ein paar überzähligen Gläsern Wein und Kokarden auf den Hüten begingen.
Die Feuerwehr war nun da und löschte die Brände. Ihr Stand ward zum angesehensten im Dorfe. Es war eine Ehre und ein Ruhm, Feuerlöscher zu sein; es knüpften sich Vorteile und Macht daran. Viele, die um des bloßen Löschens willen nicht mitgewirkt hätten, traten bei aus Ehrgeiz, aus Gewinn- oder Machtdurst. Und auch aus Tugend: denn alle Grund- und Lehrsätze zielten darauf hin, als die schönste und edelste Leidenschaft die Löschlust hinzustellen. Und so wurde mit Wonne drauflos gelöscht. Zum Glück fiel der Blitz noch immer oft in die Dächer und an Gelegenheit zu Auszeichnungen, zu gegenseitiger Beglückwünschung und Bewunderung mangelte es nicht.
Nach einer Zeit jedoch veränderten sich die meteorologischen Verhältnisse. Während man sonst auf tägliche Gewitter gefasst sein konnte, schlug es immer seltener und seltener ein; endlich wuchsen ganze Generationen heran, ohne dass sich ein Blitzschlag wiederholte. War's jetzt mit der Löscherei zu Ende? O, nein - es kann ja auch brennen ohne Blitz; es giebt ja Zündhölzer, die man unter ein Bund Stroh legen kann; man kann ja absichtlich recht nachlässig sein - Feuer auskommen lassen ist nicht schwer (...) und richtig: immer noch lohnten die Brände und die tapferen Löscher konnten ihre Vorzüge entfalten. Das Feuerlegen war endlich als Geschäft betrieben. Was in der übrigen Welt die Diplomaten und die Presse besorgten: das Zündstoffbereiten und das Schüren - das besorgten dort die Leute untereinander. Jeden, den geringsten Streit benutzen sie, um in das Nachbarhaus einen brennenden Klotz zu schleudern und das lobenswerte, nützliche Werk des Löschens konnte immer noch unter gegenseitiger Beglückwünschung, Auszeichnung und Bewunderung fortgeübt werden.
Das die Vorteile des Nichtanzündens diejenigen des Löschens weit übertroffen hätte, das sahen die Feuerwehrleute nicht ein und konnten es auch nicht einsehen; denn für sie wäre dabei alles verloren, sie mussten das Aufhören des Brandes für einen Traum erklären und - >> nicht einmal ein schöner Traum <<.
Bertha von Suttner (1843-1914), Das Maschinenzeitalter, 1889, Seite 183-185
Die Parabel kann auch als Audiodatei bei Soundcloud angehört werden. Sprecher ist Uli Mercker.