Die Gegner des Pazifismus übersehen die Tatsache, dass sich eine unverkennbare Entwicklungstendenz für Erweiterung der Rechtssphäre und für die Zurückdrängung jener Verhältnisse, über welche physische Gewalt gebietet, im Völkergeschehen nachweisen lässt. In fernen Urzeiten kämpfte jede Familie, jede Sippe gegen die andere und noch heute gibt es zurück gebliebene Völker, die nur innerhalb der Sippe einen Rechtszustand anerkennen und in jedem, der Sippe nicht Angehörigen, einen vogelfreien Feind erblicken. Solche Völker anerkennen für die Lösung aller Probleme, die sich zwischen ihnen ergeben mögen, sowie für die Regelung der Beziehung, nur die physische Gewalt. - Später weitet sich die Rechtssphäre zum Stamm, zum Volke, jedoch vielfach nur unvollkommen. Noch im deutschen Mittelalter galt es als Utopie, eine "treuga dei" (einen Gottesfrieden) zu fordern, die unterschiedslose Erledigung aller Konfliktfälle zwischen Privatpersonen durch staatliche Gewalt anzustreben. Nur wenige Jahrhunderte haben genügt, um einem Zustande vieler Jahrtausende ein Ende zu machen, den Gewaltwillen des Einzelnen nieder zu zwingen, die Rechte des Individuums gegenüber dem Individuum scharf zu umschreiben und die Interpretierung der individuellen Konfliktfälle auf Grund allgemeinen Übereinkommens staatlichen Gerichten zu überweisen. Die Gebiete, innerhalb deren ein konsolidierter Rechtszustand herrscht, haben sich ausgeweitet. Noch bis in das neunzehnte Jahrhundert galt es als Utopie, einen ständigen Friedens- und Rechtszustand zwischen den deutschen Stämmen sicher zu stellen. Heute ist das geschehn. Rudolf Broda (1880-1932), in "Dokumenten des Fortschitts"