Im Weltkriege hieß es, man kämpfe um die Rechte der kleinen Völker. Ihre Rechte sind seit dem Kriege nicht besser geworden, im Gegenteil, den Minoritäten geht es eher schlechter als vor dem Kriege. Auch die Demokratie galt als Kriegsziel. Nun, in den meisten der kriegsführenden Staaten ist man gegenwärtig die Demokratie gründlich überdrüssig. Wirtschaftliche Gründe wurden vielfach genannt, aber die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich seit dem Kriege bei Siegern und Besiegten verschlechtert. Den Schwarzen verkündete man feierlich, die Deutschen hätten den Schädel eines Negerheiligen, der in ganz Afrika verehrt wurde, nach Deutschland verschleppt und damit sei Unglück über den ganzen Erdteil gekommen. Man rief die Neger zum heiligen Krieg um das geraubte Heiligtum auf und begeistert folgten sie dem Rufe. - Wirklich wurde die Rückgabe dieses Schädels durch Deutschland in den Friedensbedingungen der Alliierten verlangt. Als dann Stresemann meinte, der Schädel sei in Deutschland nicht aufzufinden, lächelte Briand, so genau brauche man es nicht zu nehmen, es könne irgendein Schädel sein. - Der Schädel des Häuptlings, die Demokratie, die Rechte der kleinen Völker, Kaiser und Vaterland - alles die gleiche Stimmungsmache. Weiße und Schwarze gingen auf den Leim. Emil Flusser (1888-1942), Krieg als Krankheit, 1932
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