Manifest gegen die Wehrpflicht (1926)
Wir glauben, dass auf der Wehrpflicht aufgebaute Heere mit ihrem großen Stab von Berufsoffizieren eine schwere Bedrohung des Friedens darstellen. Zwangsdienst bedeutet Entwürdigung der freien menschlichen Persönlichkeit. Das Kasernenleben, der militärische Drill, der blinde Gehorsam gegenüber noch so ungerechten und sinnlosen Befehlen, das ganze System der Ausbildung zum Töten untergraben die Achtung vor der Persönlichkeit, der Demokratie und dem menschlichen Tun.
Menschen dazu zu zwingen, ihr Leben aufzugeben, oder sie gegen ihren Willen, gegen ihre Überzeugung und gegen ihren Sinn für Gerechtigkeit zum Töten zu zwingen, stellt eine Erniedrigung der menschlichen Würde dar. Ein Staat, der sich für berechtigt hält, seine Bürger zum Kriegsdienst zu zwingen, wird auch in Friedenszeiten die gebührende Achtung und Rücksicht auf das Wohl und Wehe des Einzelnen vermissen lassen. Mehr noch: Die Wehrpflicht pflanzt der ganzen männlichen Bevölkerung einen militaristischen Geist von Aggressivität ein, und das in einem Alter, in dem sie solchen Einflüssen am ehesten erliegt. So kommt es, dass durch die Ausbildung für den Krieg schließlich der Krieg als unvermeidlich, ja als erstrebenswert angesehen wird.
Neben anderen unterzeichnet von Henri Barbusse, Annie Besant, Martin Buber, Edward Carpenter, Miguel de Unamuno, Georges Duhamel, Albert Einstein, August Forel, M.K. Gandhi, Kurt Hiller, Toyohiko Kagawa, George Lansbury, Paul Loebe, Arthur Ponsonby, Emanuel Radl, Leonhard Ragaz, Romain Rolland, Bertrand Russell, Rabindranath Tagore, Fritz von Unruh, H.G. Wells, 1926