Nichts Wahres
Um die Werkzeuge im Feld und in der Heimat bei Stimmung zu erhalten, erfand der Generalstab die Heldenphrase. Was hörte das Volk vom Krieg? Dass seine Helden immer und überall zu allen kühnen Taten unerschütterlich entschlossen waren, dass alle Leiden mit wundervoller Geduld übernommen wurden, dass der Krieger schön, herrlich und, wo es irgend anzugehen schien, sehr lustig war. Ja, das waren die Redensarten, die uns im Feld von den ersten Wochen an unsre Zeitung und, je deutlicher wir den Schwindel erkannten, auch ein Teil unseres Daseins verekelten; das und die Schamlosigkeit, die sich bei der Verteilung der Ehrenzeichen kundtat, nahm uns für immer den ersten Glauben. Es erhob sich grollend aus dem Volke: Warum erfahren wir nichts Wahres? Zeitungen, Schriftsteller aller Art und ihre Verleger bemühten sich um Besserung. Mit dem Erfolg, dass ihnen die Zensur alles mit dem Verbotsstempel versehen zurückgab, und dass die, die ein halbwegs kühnes Wort einmal wagten, unter Vorzensur gestellt wurden. Berge von Material lagern bei allen Zeitungen; zahllose Soldaten fühlten sich glücklich, wenn sie ein wahres Wort in die Heimat gebracht hatten. Ach sie wussten nicht, dass der Arm der Zensur, der sie nicht fassen konnten, die Verleger im Genick hatte und jeden Augenblick abwürgen konnte. Unbekannter Offizier (1916)