Lesebuchgeschichten
Alle Leute haben eine Nähmaschine, ein Radio, Eisschrank und Telefon.
Was machen wir nun fragte der Fabrikbesitzer.
Bomben, sagte der Erfinder.
Krieg sagte der General.
Wenn es dann gar nicht anders geht, sagte der Fabrikbesitzer.
Der Mann mit dem weißen Kittel schrieb Zahlen auf das Papier.
Er machte ganz kleine zarte Buchstaben dazu.
Dann zog er den weißen Kittel aus und pflegte die Blumen auf der Fensterbank.
Als er sah, dass eine Blume eingegangen war, wurde er sehr traurig und weinte.
Und auf dem Papier standen die Zahlen.
Danach konnte man mit einem halben Gramm in zwei Stunden tausend Menschen tot machen.
Die Sonne schien auf die Blumen
Und auf das Papier.
Zwei Männer sprachen miteinander.
Kostenvoranschlag?
Mit Kacheln?
Mit grünen Kacheln natürlich.
Vierzigtausend.
Vierzigtausend? Ja mein Lieber, hätte ich mich nicht rechtzeitig von Schokolade auf Schießpulver umgestellt,
dann könnte ich dieser vierzigtausend nicht geben.
Und ich Ihnen keinen Duschraum.
Mit grünen Kacheln.
Mit grünen Kacheln
Die beiden Männer gingen auseinander
Es war ein Fabrikbesitzer und ein Bauunternehmer
Es war Krieg.
Kegelbahn. Zwei Männer sprachen miteinander.
Nanu. Studienrat dunklen Anzug an. Trauerfall?
Keineswegs. Feier gehabt. Jungens gehen an die Front.
Kleine Rede gehalten. Sparta erinnert. Clausewitz zitiert.
Paar Begriffe mitgegeben: Ehre, Vaterland, Hölderlin lesen lassen.
Langemarck Ergreifende Feier. Ganz ergreifend.
Jungens haben gesungen: Gott. Der Eisen wachsen Ließ.
Augen leuchteten. Ergreifend. Ganz ergreifend.
Mein Gott, Studienrat hören Sie auf. Das ist ja grässlich.
Der Studienrat starrte die anderen entsetzt an.
Er hatte beim Erzählen lauter kleine Kreuze auf das Papier gemacht.
Lauter kleine Kreuze.
Er stand auf und lachte.
Nahm eine neue Kugel und ließ sie über die Bahn rollen.
Es donnerte leise.
Dann stürzten hinten die Kegel.
Sie sahen aus wie kleine Männer.
Zwei Männer sprachen miteinander.
Na, wie ist es?
Ziemlich schief.
Wie viel haben Sie noch?
Wenn es gut geht: viertausend
Wie viel können Sie mir geben?
Höchstens achthundert.
Die gehen drauf.
Also tausend.
Danke.
Die beiden Männer gingen auseinander.
Es waren Generäle
Es war Krieg,
Zwei Männer sprachen miteinander.
Freiwilliger?
'türlich.
Wie alt?
Achtzehn. Und Du?
Ich auch.
Die beiden Männer gingen auseinander.
Es waren zwei Soldaten.
Da fiel der eine um. Er war tot.
Es war Krieg.
Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Haus. Aber er hatte kein Brot.
Da sah er einen, der hatte Brot. Den schlug er tot.
Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter.
Warum nicht, fragte der Soldat.
Als die Friedenskonferenz zu ende war, gingen die Minister durch die Stadt.
Da kamen Sie an einer Schießbude vorbei.
Mal Schießen, der Herr? Riefen die Mädchen mit den roten Lippen.
Da nahmen die Minister ein Gewehr und schossen auf die kleinen Männer aus Pappe
Mitten im Schießen kam eine alte Frau und nahm ihnen die Gewehre ab.
Als einer der Minister es wieder haben wollte, gab sie ihm eine Ohrfeige.
Es war eine Mutter.
Es waren einmal zwei Menschen. Als sie zwei Jahre alt waren, schlugen sie sich mit den Händen:
Als sie zwölf waren, schlugen sie sich mit Stöcken und warfen mit Steinen.
Als sie zweiundzwanzig waren, schossen sie mit Gewehren nach einander.
Als sie zweiundvierzig waren warfen sie mit Bomben.
Als sie zweiundsechzig waren nahmen sie Bakterien.
Als sie zweiundachtzig waren starben sie und wurden nebeneinander begraben.
Als sich nach hundert Jahren ein Regenwurm durch ihre beiden Gräber fraß, merkte er es gar nicht, dass hier zwei verschiedene Menschen begraben waren. Es war dieselbe Erde.
Alles die selbe Erde.
Als im Jahre 5000 ein Maulwurf aus der Erde rauskuckte da stellte er beruhigt fest.
Die Bäume sind immer noch Bäume.
Die Krähen krächzen noch.
Und die Hunde heben immer noch ihr Bein.
Die Stinte und Sterne,
das Moos und das Meer
und die Mücken:
sind alle noch dieselben geblieben.
Und manchmal -
manchmal trifft man noch Menschen
Wolfgang Borchert (1921-1947)