Das Ultimatum

Das Völkerrecht und die Kultur sind heilig,
Wenn man den Happen, wo man will, erwischt,
Doch wenn der Andre ihn behält, dann freilich -
Dann hilft es eben nischt.

Dann lenkt man seinen Blick zum lieben Gotte
Und spricht: Ich bin an diesem Blut nicht schuld.
Doch der behält sein Teil - bei solchem Spotte
Reißt einem die Geduld!

Ja, Herr, ich liebe deinen Frieden brünstig
Und meine Flotte ist zwar unterwegs
Und die Gelegenheit ist selten günstig -
Doch, Herr ich überleg's.

Nicht etwa, oh, dass mir zu schnöden Werken
Nach fremde Gute ein Verlangen steht,
Doch die Kultur steht gegen diese Terken -
Fromm und Analphabet.

Ich sehe schaudernd eine Mißverwaltung,
Nein, das erträgt ein Italiener nicht,
Denn diesen drängt es nach Kulturgestaltung,
Und es ist Menschenpflicht.

Doch hab' ich mich in Demut überwunden
(Und dieses ist der echte Christengeist)
Ich gebe ihnen vierundzwanzig Stunden,
Was Ultimatum heißt.

Kein Mensch kann sagen: Mensch, hast du es eilig!
Weil man die Notwehr hier erkennen muss,
Das Völkerrecht und die Kultur sind heilig.
(Da kracht der erste Schuss)

Peter Scher (?), aus der satirischen Wochenzeitschrift "Simplicissimus", Jahrgang 16 (1911) Heft 28, Seite 486