Die Völker fahren am besten, wenn sie sich so regieren, dass sie den Krieg bekämpfen wie die Pest, dass sie ihn abzuwürgen entschlossen sind. Wie die Pest, dies wörtlich. Aber man hätschelt ihn an. Mit angstvoller Liebe, gewiss. Unter tausend Vorbehalten. Dadurch, dass sie sich ununterbrochen hochachtungsvoll mit ihm befassen, machen sie sich mit ihm vertraut. Er ist für sie gar nicht mehr wegzudenken. Ehrfürchtig gehen sie um ihn herum, blinzeln, geblendet von seiner Größe, zu ihm empor und legen die Fingerchen kraftlos da und dort an den Koloss: ob man ihn nicht ein wenig dressieren könnte. All die Wahrzeichen für die Millionen Getöteten: ihm zu Ehren sind sie schließlich errichtet. Ob man es wünscht oder nicht: er reißt die Ehrungen an sich, denn er ist der Schöpfer des Kriegshelden. Eine Verherrlichung des Helden läuft unvermeidbar hinaus auf eine Verherrlichung des Krieges. Kann man sich vor dem Krieg respektvoll verneigen und ihn gleichzeitig einen Fußtritt geben, der ihn für immer in den Abgrund stürzt? Man kann nicht, so etwas will man auch gar nicht. Man will ihn bloß ein wenig kirre machen, das aber lässt er sich nicht gefallen. Er macht keine Ausnahme von den übrigen Erscheinungen in  der Welt. Er lässt sich auch nicht auf alt garnieren. Er gibt sich nicht zufrieden mit einer Gewandung von vorgestern. Er wird schwerste, noch nicht dagewesene Ferngeschütze abfeuern, wie er Bombenflugzeuge hundertfach und Giftgase tausendfach über unsere Häupter und in unseren Lungen schicken wird. Alexander Moritz Frey (1881-1957), "Die Zähmung des Krieges"