Der Krieg, wo er nicht erzwungene Selbstverteidigung, sondern ein toller Angriff auf eine ruhige, benachbarte Nation ist, ist ein unmenschliches, ärger als tierisches Beginnen, indem nicht nur der Nation, die er angreift, unschuldiger weise Mord und Verwüstung droht, sondern auch die Nation, die ihn führt, ebenso unverdient als schrecklich hin opfert. Kann es einen abscheulicheren Anblick für ein höheres Wesen geben als zwei einander gegenüber stehende Menschenheere, die unbeleidigt einander morden? Und das Gefolge des Krieges, schrecklicher als er selbst, sind Krankheiten, Lazarette, Hunger, Pest, Raub, Gewalttat, Verödung der Länder, Verwilderung der Gemüter, Zerstörung der Familien, Verderb der Sitten auf lange Geschlechter. Alle edlen Menschen sollten diese Gesinnung mit warmen Menschengefühl ausbreiten, Väter und Mütter ihre Erfahrung darüber den Kindern einflößen, damit das fürchterliche Wort Krieg das man so leicht ausspricht, den Menschen nicht nur verhasst werde, sondern dass man es mit gleichen Schauder als den St. Veitstanz, Pest, Hungersnot, Erdbeben, den schwarzen Tod zu nennen oder zu schreiben kaum wage. Johann Gottfried Herder (1744-1803), "Briefe zu Beförderung der Humanität", Band 2