Ein Kapitel in den Geschichtsbüchern ist genau ein Menschenleben. Was werden Eure Söhne und Enkel im letzten Kapitel ihres Geschichtsbuches in 30, in 60 Jahren zu lesen bekommen? Ihr, meine Kinder, seid es, die die Handelnden dieser letzten Seite sein werdet. Eure Geschichte wird es sein, traurig oder heiter und alles, was darin von Hässlichem und Großartigem berichtet, wird Euer Werk sein...
Meine Kinder, macht schöne Geschichte! Und möge es eine Geschichte ohne Krieg sein. Viele Eurer Väter sind gestorben, in ihren Augen die Schrecken der furchtbaren Metzelei. Aber sie starben in der Hoffnung, dass sie für den Frieden sterben. Macht diese Hoffnung, die sie in Euch setzten, zur Wirklichkeit; Verabscheut den Krieg! Hört auf jene Stimme, die aus Wales sich an alle Kinder mit der Bitte richtet, den Frieden heilig zu halten.
Aber es genügt nicht, den Krieg zu verfluchen, damit dieser Albdruck verschwindet. Darum müsst Ihr Eure Augen nach Genf richten, wo sich, wie Ihr wisst, der Völkerbund befindet. Es wird das Werk Eurer Generation sein, ihn groß und stark zu machen. Es hängt von Eurem Willen ab, ob er leben wird; wenn Ihr es wollt, wird er nicht nur den Frieden sichern, er wird  auch die wirtschaftlichen Organisationen der Welt schaffen. Wenn Ihr ihn andrerseits vernachlässigt, wenn Ihr zugebt, dass seine Feinde ihn vernichten, wird es wieder Kriege geben, grausige Kriege geben. Wieder werden die Menschen ihre Häuser zerstört und ihre Felder verwüstet sehen; wiederum wird es Tote, Verstümmelte, Blinde und Witwen geben.
Nicht so, nicht so dürft Ihr Geschichte machen!... Hoffentlich kann man eines Tages am Schluss jenes Kapitels der Geschichte, die von Euch geformt wird, die Worte lesen: "Die Kinder selbst begannen, in ihren Herzen die Liebe für ihre Brüder und Schwestern in allen Teilen der Erde zu pflegen und dadurch ist der Friede und die Wohlfahrt der Völker gesichert worden!"

Veröffentlicht in "Jugend und Weltfriede", 1930, Aus einer Ansprache über das Schillerwort "Alle Menschen werden Brüder" an französische Schulkinder, gehalten 1927 in Nizza von der Leiterin eines Lehrerinnenseminars.